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Donald Tusk macht in Ungarn Wahlkampf für die Oppositionsparteien von links bis rechts außen

22. März 2022, Tichys Einblick von KLAUS-RÜDIGER MAI

Im ungarischen Wahlkampf ergreift das EU-Establishment mit fragwürdigen Methoden Partei gegen ViKtor Orbán. Der frühere Ratspräsident Donald Tusk hat dabei keine Skrupel, sich mit der rechten Jobbik zu präsentieren und den Ukraine-Krieg parteipolitisch zu instrumentalisieren.

Am 15. März feiert man in Ungarn den ersten von drei Nationalfeiertagen. Jedes Jahr ehren die Ungarn den Beginn der Ungarischen Revolution 1848/49, erinnern an das Streben der Nation nach Unabhängigkeit und Selbstbestimmung.

Insofern wird an diesem Tag die Freiheit gefeiert, die für die Ungarn ein sehr hohes Gut darstellt.

Finden traditionell an diesem Tag politische Großveranstaltungen statt, stand der 15. März in diesem Jahr ganz im Zeichen der Parlamentswahl, die über die Frage entscheidet, ob Viktor Orbán als Regierungschef bestätigt wird oder ob es dem von der EU-Administration unterstützten Oppositionsbündnis gelingt, die Fidesz und Viktor Orbán von der Macht zu verdrängen. Man muss dazu wissen, dass sich alle Oppositionsparteien zu einem Wahlbündnis, einer Listenvereinigung zusammengeschlossen haben, von links bis rechts außen. Vor allem jedoch muss man wissen, was von deutschen Medien tapfer verschwiegen wird, dass

dieses Bündnis in die politischen Verhältnisse Deutschlands übersetzt von der Linkspartei über die Grünen, die Sozialdemokraten, die FDP bis weiter nach rechts, also dort, wo die AfD steht, reicht.

Tusk trifft sich mit der ungarischen Opposition, auch mit der rechts von Orbán stehenden Jobbik

Für die Brüsseler Büro- und Technokratie geht es bei dieser Wahl vor allem darum, die Kräfte, die für das Recht auf nationale Selbstbestimmung eintreten, von der Macht zu entfernen. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán ist ihnen schon lange ein Dorn im Auge.

So besitzt es schon eine außerordentliche Ironie, zu der nur die EU-Administration in der Lage ist, ausgerechnet am Tag der Freiheit den EU-Politiker Donald Tusk, den Vorsitzenden der EVP, nach Ungarn zu entsenden, um auf dem Műegyetem Kai vor der Technischen Universität auf der Kundgebung der Opposition zu sprechen. Man möchte fast meinen, dass sich der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei im Wahlkampf verlaufen hat, denn zur EVP gehört in Ungarn auch die KDNP, die christlich-demokratische Volkspartei, die mit der Fidesz eine Listenverbindung eingegangen ist und zur Regierung gehört.

Donald Tusk macht in Ungarn Wahlkampf gegen die KDNP, mithin gegen die EVP. Gegen die eigene Partei und für die Grünen und die Linken Wahlkampf zu machen,

hat der EU-Politiker möglicherweise von Angela Merkel gelernt, zeigt aber überdies, dass die EVP unter Tusk und Weber die Orientierung verloren haben. Die frühere Ministerpräsidentin Polens, Beata Szydło, twitterte übrigens: „Es ist längst bekannt, wozu Donald Tusk in seinem politischen Handeln fähig ist. Die offene Unterstützung der Wahlkampagne der Jobbik-Partei, die für ihre Radikalität und ihren pro-russische Haltung bekannt ist, stellt jedoch etwas Neues dar.“ In deutschen Medien fast immer verschwiegen: Jobbik steht deulich rechts von Orbáns Fidesz und ist zweitstärkste Kraft im ungarischen Parlament.

Tusk ging es in Ungarn nicht um Freiheit, sondern den Machtausbau Brüssels

Donald Tusk gehört zu den vielen Politikern, die seit langer Zeit ihre Heimat im EU-Establishment gefunden haben. Bemerkenswert jedoch ist der tiefe moralische Fall, der darin besteht, den Krieg in der Ukraine, das Leid der Ukrainer parteipolitisch zu instrumentalisieren. In einer Situation, in der die EU wirklich zusammenstehen müsste, spaltet Tusk.

Es ging Donald Tusk bei seiner Rede in Budapest nicht um die Freiheit, nicht um die Demokratie, nicht um die Ukraine, sondern um den Machtausbau des Brüsseler Establishments.

Nach der Rede des EVP-Vorsitzenden muss sich das Oppositionsbündnis die Frage stellen, ob sie die Regierung anstrebt, um den Interessen der ungarischen Bürger oder denen der Brüsseler Bürokraten zu dienen.

Der Vorsitzende der EVP, zu der die CDU und die CSU gehören, stellte einen demokratisch gewählten Politiker wie Viktor Orbán mit einem Machthaber wie Wladimir Putin auf eine Stufe. Möglich, dass man in Brüssel oder in Straßburg zu vergessen beginnt, was Demokratie ist. Schlimmer noch, der frühere Präsident des Europäischen Rates und gegenwärtige Vorsitzende der EVP setzt den Krieg in der Ukraine, den Beschuss von Mariuopol und Kiew, von Wohn- und Krankenhäusern mit einer demokratischen Wahl in einem Mitgliedsland der EU gleich, wenn

er sagt: „Viktor Orbán und sein Team haben hart daran gearbeitet, in ganz Europa als Pro-Putin zu gelten. Dieser Krieg findet nicht nur auf ukrainischem Territorium statt, sondern in ganz Europa; die Zukunft Europas steht auf dem Spiel.“

Nicht die Zukunft Europas steht auf dem Spiel, sondern der von der Leyens und der Tusks

Man muss nicht mit Orbán übereinstimmen, man kann der erbittertste politische Gegner des ungarischen Ministerpräsidenten sein – und dafür nicht nur einsehbare, sondern auch gute Gründe besitzen –, aber ihn zum Agenten Putins zu machen, ihn mit Putin gleichzusetzen, offenbart, dass es Tusk nicht um die Freiheit, nicht um die Demokratie, sondern um die demokratisch nicht legitimierte Macht der EU-Administration, von EU-Langzeitfunktionären wie Tusk geht, und belegt, zu Ende gedacht, eine bedenkliche Nähe zur Demokratieauffassung Waldimir Putins.

Nicht die Zukunft Europas steht auf dem Spiel, sondern die Zukunft der von der Leyens und der Tusks. Aber vielleicht hat der Vorsitzende der EVP am Ende doch Recht,

vielleicht steht die Zukunft tatsächlich auf dem Spiel, wenn nämlich die europäische Zusammenarbeit zum Macht- und Versorgungsprojekt des Brüsseler Establishments auf Kosten der Völker Europas wird.

Es ist nun an der ungarischen Opposition, sich von Donald Tusks Thesen zu distanzieren. Oder meint auch sie, sich im Krieg, anstatt in einem demokratischen Wettbewerb zu befinden? Die CDU/CSU im Europa-Parlament sollte sich von der Sichtweise Tusks distanzieren, wenn sie diese nicht teilt. Oder teilt sie diese?

Das Ungarn Orbáns kann auf Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum verweisen

Spricht man mit ungarischen Bürgern, hört man oft auch von denen, die dem Regierungschef ausgesprochen kritisch gegenüberstehen, dass sie – mitunter schweren Herzens – Vikor Orbán und die Fidesz letztendlich doch wählen werden, weil die Opposition kein gutes Bild abgibt und sie ihr nicht zutrauen, das Land zu regieren.

Während sich die vereinigte Opposition auf dem Műegyetem Kai versammelt hatte, sprach Viktor Orbán vor sehr vielen Menschen auf dem Kossuth-Platz. Da der Kossuth-Platz nicht alle, die Orbán hören wollten, fasste, füllte die große Menschenmenge auch die angrenzenden Straßen. „Weder Überschwemmungen, noch Pandemien, noch Kriege haben uns von unserem Ziel abgebracht“, verkündete Orbán und widmete sich erwartungsgemäß im ersten Teil seiner Rede den Erfolgen seiner Regierung. Er erinnerte an die Märzrevolution von 1848 und zitierte: „Lasst hier Frieden, Freiheit und Eintracht sein“, um davon ausgehend festzustellen: „Wir brauchen heute dasselbe: Kraft, weil die Welt nur diejenigen respektiert, die den Mut und die Kraft haben, für sich selbst einzustehen.“

Was man seit Angela Merkels Regierungsantritt bei deutschen Politikern nicht mehr erkennen kann, dass sie dem Volk dienen wollen, ist von Orbán als Wille in den Mittelpunkt seiner Rede gestellt worden, nämlich zuallererst die Interessen des ungarischen Volkes im Auge zu haben.

Angela Merkel und ihre Entourage mag vielen Interessen gedient haben, ich kann nicht erkennen, dass die Interessen des deutschen Volkes sich darunter befanden. Man sieht es an dem Desaster, das sie hinterlassen hat. Orbán kann auf ein solides Bevölkerungswachstum und auf ein beeindruckendes Wirtschaftswachstum verweisen. Der IWF konnte unter Orbáns Regierung „nach Hause geschickt“ werden.

Orbán will nicht, dass ungarische Familien den Preis des Krieges bezahlen

Naturgemäß nahm der Krieg eine große Rolle in der Rede des Regierungschefs ein. Orbáns Haltung hierzu ist klar.

In den Krieg will er nicht hineingezogen werden, da Ungarn in ihm nichts zu gewinnen und alles zu verlieren habe.

Auch ist er dagegen, dass die ungarischen Familien den Krieg bezahlen, deshalb votiert er auch gegen einen Kaufstopp von Erdgas und Erdöl aus Russland zu einer Zeit, in der Ungarn von Erdgas- und Erdölimporten hoch abhängig ist. In diesem Punkt unterscheidet sich seine Haltung nicht von der deutschen. Er vermeidet zudem jegliche Kriegsrhetorik.

Bezüglich der Flüchtlingskatastrophe informierte er, dass Ungarn jetzt seine bisher größte humanitäre Hilfsaktion durchführe, fügte jedoch hinzu, dass „dieser Krieg niemals hätte stattfinden dürfen, und Ungarn alles getan hat, was es für den Frieden hätte tun können und sollen“. Auf die Vorwürfe der Opposition, dass er ein Freund Putins und demzufolge Schuld am Krieg trüge, antwortete er, dass die Linke die Vernunft verloren hätte und mondsüchtig in einen brutalen und blutigen Krieg waten würde. Unmissverständlich formulierte er seine Haltung: Wir werden nicht zulassen, dass die Linke Ungarn in diesen Krieg hineinzieht, wir werden nicht zulassen, dass die Linke Ungarn zu einem militärischen Ziel macht.“

Der Wahlkampf geht in seine heiße Phase, die Opposition wird mit allen Mitteln von der EU-Administration unterstützt.


Der Autor hält sich gegenwärtig als Visting Fellow in Budapest auf.

Dieser Artikel erschien zuerst am 16. März in Tichys Einblick https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/aus-aller-welt/ungarn-evp-chef-donald-tusk-stellt-orban-mit-putin-auf-eine-stufe/

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