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Ich klage die EU an!

22. Februar 2022, Magyar Nemzet von TAMÁS FRICZ

Zum Gedenken an Émile Zola

Am 16. Februar verkündete der Gerichtshof der Europäischen Union sein Urteil: Wie erwartet,

wies er die Klagen Ungarns und Polens gegen die am 1. Januar 2021 in Kraft getretene Verordnung über die Verknüpfung der EU-Gelder mit irgendwelchen Rechtsstaatlichkeitskriterien ab. 

Mit der von vornherein erwarteten Ablehnung ist nun der Weg frei für die Europäische Kommission, Ungarn die finanzielle Unterstützung aus EU-Mitteln zu entziehen, weil es dort ein frei erfundenes Problem mit der Rechtsstaatlichkeit gäbe.

Das Urteil ist empörend, denn es ist offensichtlich, dass der liberale, globalistische Mainstream der EU unter dem Deckmantel der Rechtsstaatlichkeit Ungarn und Polen nun finanziell erpressen und in die Sackgasse locken will, um sie entweder zum Mitmachen zu zwingen und die „Werte“ und die Weltanschauung der Globalisten zu akzeptieren oder unsere Existenz innerhalb der EU zu verunmöglichen.

Lassen Sie es mich von Anfang an ganz klar sagen: Unser Ziel ist es, so lange wie möglich gleichberechtigte – ich wiederhole: gleichberechtigte – Mitglieder der Union zu bleiben. Aber! Angesichts der Tatsache, dass Brüssel die Regierung Orbán bei den Wahlen zu Fall bringen will, was auch nicht mehr verheimlicht wird, müssen wir unsere Stimme erheben, denn die Führung der Union zerstört genau die Werte, für die sie geschaffen wurde.

Auf dieser Grundlage und angesichts des inakzeptablen Urteils des Gerichtshofs erkläre ich, dass

ich als ungarischer und europäischer Bürger die Union und insbesondere die Kommission und die Elite im Parlament beschuldige, die Idee und die Praxis eines auf Frieden, Gleichheit zwischen den Mitgliedstaaten, Freiheit, Demokratie und nationaler Souveränität beruhenden Europas zu zerstören.

Zuallererst mache ich Brüssel dafür verantwortlich, dass es nach dem Scheitern des europäischen Verfassungsprozesses in den Jahren 2004-2005 mit den Referenden in Frankreich und den Niederlanden die demokratische Entscheidungsfindung umgangen und sich mit den Mitgliedstaaten bis 2009 auf den Vertrag von Lissabon geeinigt hat, der eigentlich bereits auf die Schaffung eines föderalistischen Europas abzielte.

Zweitens werfe ich Brüssel sein heimliches und unehrliches imperiales Bestreben vor, indem es die Befugnisse der Europäischen Kommission Schritt für Schritt (nach dem Prinzip des Neofunktionalismus) ausweitet und gleichzeitig

die vertragsgemäßen Befugnisse und Souveränität der Mitgliedstaaten beschneidet.

Jean-Claude Juncker sprach bereits 1999 in einem Interview mit dem Spiegel offen darüber, aber die Wurzeln des föderalistischen Ehrgeizes lassen sich bis zum Globalisten Jean Monnet und anderen Gründervätern zurückverfolgen.

Drittens werfe ich Brüssel vor, dass es zugelassen hat, dass seine Institutionen und Entscheidungsmechanismen allmählich von globalistischen Finanzkreisen und Netzwerken, Lobbys, NGO-s und Think Tanks durchdrungen werden, deren Ziel es ist, ihre wirtschaftlichen und ideologischen Interessen in den Entscheidungen über die Zukunft Europas widerspiegeln zu lassen, und allmählich die Kontrolle über die Union zu übernehmen, wodurch die Mitgliedstaaten einerseits und die europäischen Bürger andererseits an den Rand gedrängt werden.

Viertens werfe ich Brüssel und insbesondere der Europäischen Kommission vor, die Meinungen, Absichten, Bestrebungen und Erwartungen der europäischen Bürgerinnen und Bürger zu ignorieren, die einzige existierende Institution der direkten Demokratie, die Europäische Bürgerinitiative, bedeutungslos, unbedeutend und gewichtslos zu machen und die Union in eine aristokratische linksliberale Organisation zu verwandeln, die von großbürgerlichen Elitegruppen kontrolliert wird, in krassem Widerspruch zum Demokratieprinzip, welches auch von der Union selbst festgelegt wurde.

Fünftens werfe ich Brüssel vor, das in den Verträgen verankerte Subsidiaritätsprinzip in seiner täglichen Arbeit zu missachten; das bedeutet, dass die Regionen, die Mitgliedstaaten, die örtlichen Gesellschaften, die Städte und Gemeinden ihren Einfluss verloren haben und ihre Rolle bei den sie unmittelbar betreffenden Entscheidungen unbedeutend geworden ist.

Sechstens werfe ich Brüssel vor, es versäumt zu haben, sich gegen die 2015 einsetzenden Massenmigrationsströme nach Europa zu wehren, die europäischen Grenzen vor illegalen Einwanderern, vor allem muslimischen Glaubens zu schützen und den Ländern, welche die Schengen-Grenzen aus eigener Kraft geschützt haben – einschließlich unserem eigenen – zu helfen. In Brüssel wollen sie sogar den Grenzübertritt auf der Grundlage der UN-Resolution von 2018 als Menschenrecht behandeln, bei dem es nicht mehr darum geht, vor Verfolgung zu fliehen, sondern sich einfach auf die Suche nach einem besseren Leben zu machen.

Damit gefährdet Brüssel die Integrität Europas, seine Kultur, seine Religion, seine Sitten und Gebräuche, seine Lebensweise und die zivilisatorischen Werte, die sich Europa über Jahrhunderte aufgebaut hat.

Siebtens werfe ich Brüssel vor, das klassische, traditionelle Familienmodell, das auf christlichen Werten und Moralvorstellungen beruht, zu gefährden, indem es die LGBTQ-Ideologie fördert, sie den Mitgliedstaaten aufzwingt, die uneingeschränkte Anwendung der Gender-Propaganda als rechtsstaatliches Erfordernis interpretiert und sie zur Bedingung für Finanzhilfen an die Mitgliedstaaten macht. Brüssel macht damit die von sexuellen Minderheiten vertretenen Existenzformen fast zur Norm, zu einer akzeptierten und akzeptablen Verhaltensweise und zerstört damit das traditionelle Familienmodell, das seit Jahrhunderten die Grundlage für das demografische Überleben und Wachstum Europas war.

Achtens: Ich werfe Brüssel vor, den Mitgliedstaaten und der europäischen Öffentlichkeit eine Klimaideologie über die globale Erwärmung aufzuzwingen, deren wissenschaftliche Grundlagen nach wie vor umstritten sind. Sie geht davon aus, dass die anthropogenen (vom Menschen verursachten) Kohlendioxidemissionen die einzige Ursache für die Erwärmung sind und dass folglich ein radikaler Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen und eine vollständige Umstellung auf erneuerbare Energiequellen erfolgen muss.

Die Folge von all dem ist ein unüberlegter, unzeitgemäßer, forcierter Übergang, der die Energieversorgung Europas gefährdet, die Preise in die Höhe treibt und zu einer Versorgungskrise führt.

Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass Brüssel, wie vom polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki und vom ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán deutlich erkannt, die europäischen Bürger für die hohen Energierechnungen zur Kasse bitten will, indem es Steuern auf Wohnungen und Autos erheben will, statt diese Abgaben den verursachenden multinationalen Unternehmen aufzuerlegen.  All dies führt dazu, dass Europa seine eigenen wirtschaftlichen Grundlagen in den Sand setzt, sich ins Knie schießt, während es mit einem umsichtigen, schrittweisen Übergang, der die grüne und liberale Klimahysterie in den Hintergrund stellt, eine Energie- und Wirtschaftskrise verhindern könnte.

Neuntens werfe ich Brüssel vor, das Konzept der Rechtsstaatlichkeit zu verdrehen, indem es den Mitgliedstaaten Kultur-, Werte- und Lebensstilvorgaben auferlegt, die nichts mit Rechtsstaatlichkeit zu tun haben, einschließlich

einer Ideologie, welche die Einwanderung unterstützt und als Menschenrecht behandelt, einer grünen Ideologie, die globale Erwärmung mit Umweltschutz verwechselt und den Klimawandel hysterisch behandelt, und der Gender-Ideologie, die sexuelle Abweichungen fast als Norm behandelt.

Brüssel betrachtet die Konformität mit diesen Ideologien als Erfordernis der Rechtsstaatlichkeit und wendet politischen und finanziellen Zwang gegen Länder an, die sich widersetzen und auf ihren demokratischen Werten, Normen, Sitten und Moralvorstellungen beharren (dies gilt insbesondere für Ungarn und Polen).

Zehntens werfe ich Brüssel vor, dass es bis heute nicht in der Lage war, mit der Großmachtlogik, wonach die westeuropäischen Mächte alleine bestimmen, was in Europa die Norm ist und was erwartet wird und welche Europa seit Jahrhunderten prägt, zu brechen, und

die ost- und mitteleuropäischen Staaten deshalb immer noch nicht als gleichberechtigt angesehen werden.

Die Westeuropäer halten es nach wie vor für selbstverständlich, dass sie das Recht und die Befugnis haben, die wichtigsten Leitlinien für Mittel- und Osteuropa zu bestimmen, und widersprechen damit den grundlegenden Werten der Gleichheit, Demokratie, Freiheit und Souveränität – während sie gerade auf der Grundlage dieser Werte von den Mittel- und Osteuropäern erwarten, dass sie westlichen politischen, kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Modellen folgen und diese anwenden.

Elftens: Ich werfe Brüssel vor, dass es von den Ländern Mittel- und Osteuropas erwartet, dass sie, wenn sich grundlegende Veränderungen in den westeuropäischen Staaten, in der westeuropäischen Öffentlichkeit, im westeuropäischen Zeitgeist vollziehen –  wie es in den letzten Jahren geschehen ist –, diese auf der anderen Seite Europas ohne Murren, ohne Kritik und Widerspruch übernehmen und nachvollziehen. Auf diese Weise beanspruchen Brüssel und im weiteren Sinne Westeuropa und der Westen das Recht, jederzeit den Stein der Weisen in der Hand zu halten, und folglich ist die Art und Weise, wie sie sich in welche Richtung auch immer verändern, immer eine Emanzipation, eine Emanation der ewigen Wahrheit, nicht hinterfragbar und unanfechtbar, jenseits demokratischer Kontrolle und Kritik. Brüssel schreibt sich somit eine fast sakrale Macht zu, die

es unmöglich macht, wirklich gleichberechtigte und gleichwertige Beziehungen zwischen den zwei oder drei großen Regionen Europas herzustellen, die sich gegenseitig akzeptieren und die Besonderheiten des anderen tolerieren.

Schließlich, zwölftens werfe ich Brüssel vor, einen weiteren eisernen Vorhang mitten in Europa heruntergelassen zu haben, diesmal einen eisernen Vorhang der Kulturen, Werte und Lebensstile, und damit

gefährdet es die Einheit, die Integrität und die Zukunft der Europäischen Union grundlegend.

Der liberale Mainstream in Brüssel, die aggressive linke Elite macht genau das zunichte, wofür sie geschaffen wurde.

Dixi!

Der Autor, Dr. Tamás Fricz ist Politikwissenschaftler und Forschungsberater am Zentrum für Grundrechte

Deutsche Übersetzung: Dr.Andrea Martin

MAGYARUL: https://magyarnemzet.hu/velemeny/2022/02/vadolom-az-europai-uniot

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