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Leitfaden für Europa, wie Ungarn entscheidet

31. März 2022 Magyar Hírlap – Interview mit GERHARD PAPKE

Die politische Linke greift Ungarn an, aber viele Deutsche verstehen und unterstützen die ungarische Politik, sagte der deutsche Politiker Gerhard Papke. Der frühere Vizepräsident des nordrhein-westfälischen Landtags, ehemalige Fraktionsvorsitzende der Freien Demokratischen Partei (FDP) und jetzige Präsident der Deutsch-Ungarischen Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland, sieht in den anstehenden Wahlen eine europäische Bedeutung.
  • Vor welchen Problemen steht die sozialdemokratisch-grün-liberale Regierungskoalition in Deutschland?

Die neue deutsche Regierung steht vor großen innenpolitischen Herausforderungen: Im Gegensatz zu Ungarn sind die Energiepreise in Deutschland derart gestiegen, dass sie für viele Bürger kaum noch bezahlbar sind und auch die energieintensive Industrie bedrohen. Die Grünen wollen die letzten Atomkraftwerke und die Kohlekraftwerke abschalten, obwohl damit die Abhängigkeit Deutschlands von Energieimporten weiter zunehmen würde. Die neue deutsche Regierung plant, den Drogenkonsum zu liberalisieren und stellt die klassische Familie aus Mutter, Vater und Kindern infrage.

Das haben die meisten Deutschen noch gar nicht realisiert.

Wenn sie es tun, wird es für die deutsche Regierung noch ziemlich ungemütlich werden.

  • In der deutschen Presse wird Ungarn überwiegend negativ dargestellt, und auch linke Politiker üben scharfe Kritik. So hat die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Katarina Barley, davon gesprochen, Ungarn und Polen auszuhungern. Kann dem entgegengewirkt werden?

Leider ist die Berichterstattung über Ungarn in deutschen Medien häufig negativ und einseitig. Meistens kommen linke Politiker wie Frau Barley zu Wort. Aber auch ich werde hin und wieder zu wichtigen Diskussionsrunden und Interviews eingeladen, obwohl bekannt ist, dass ich eindeutig proungarische Positionen vertrete. Es gibt also durchaus Journalisten, die um eine offene Debatte bemüht sind. Allerdings gehöre ich auch zu den ganz wenigen deutschen Politikern aus einer der traditionellen demokratischen Parteien, die sich offen zu Ungarn bekennen.

  • Welche Reaktionen erleben Sie?

Wenn ich die ungarische Politik in der deutschen Öffentlichkeit verteidige, ist die Reaktion immer sehr interessant: Ich werde dann von einigen beschimpft und bekomme sogar Drohbriefe. Aber noch viel mehr schreiben mir und stimmen mir zu! Das sehe ich auch auf Twitter, wo jede Woche viele Tausend Deutsche auf meine Stellungnahmen reagieren. Also:

Ungarn und seine Politik sind unter den Deutschen viel beliebter, als man meinen mag, wenn man die öffentlich-rechtlichen Medien verfolgt.

Je weiter Deutschland nach links rückt, desto mehr Deutsche sehnen sich nach einer Politik wie in Ungarn, die sich zur Tradition des eigenen Landes bekennt, die Familie verteidigt und die Grenzen schützt. Ungarn wird sogar für viele Deutsche zu einem Sehnsuchtsort, wo die Welt noch in Ordnung scheint.

  • Wie hat der Krieg in der Ukraine die Wahrnehmung unseres Landes verändert?

Die Haltung Ungarns in der Ukraine-Krise wird nach meiner Beobachtung von vielen Menschen in Deutschland geteilt: ein eindeutiges Bekenntnis zum westlichen Bündnis, doch gleichzeitig ein klares Nein zu allen Versuchen, die EU oder die NATO in den Ukraine-Krieg hineinzuziehen.

Die Ungarn tragen die Sanktionen gegen Russland mit, sind aber strikt gegen ein umfassendes Energie-Embargo. Das ist übrigens auch die Haltung der deutschen Bundesregierung.

Von daher gibt es jetzt in der Krise große Übereinstimmungen zwischen beiden Ländern, die hoffentlich auch wieder zu einem engeren Miteinander führen werden.

  • Ist es wichtig, in anderen Fragen zusammenzustehen?

Die deutsch-ungarische Freundschaft ist wichtiger denn je, um Europa zusammenzuhalten. Das gilt nicht nur für den Umgang mit Russland: Was ist mit der Bedrohung durch den weltweiten Islamismus, mit dem Kampf zur Verteidigung unserer europäischen Kultur?

Da können wir Deutsche nur froh sein, unsere ungarischen Freunde an unserer Seite zu haben. 

Die politische Linke in Brüssel und Berlin hofft nach wie vor auf einen Regierungswechsel in Ungarn. Bleibt der aber aus, wird man sich nach meiner Überzeugung endlich wieder konstruktiver mit der ungarischen Haltung auseinandersetzen. Allen muss jetzt endgültig klar sein: Nur geschlossen kann Europa seine Sicherheit verteidigen und im Konzert der Weltpolitik überhaupt noch eine Rolle spielen!

  • In den deutschen und europäischen Medien wird den Wahlen in Ungarn große Aufmerksamkeit geschenkt. Was ist der Grund dafür?

Die Parlamentswahl in Ungarn ist von herausragender Bedeutung, weit über Ungarn hinaus.

Natürlich geht es zunächst einmal darum, dass das ungarische Volk in freier, demokratischer Selbstbestimmung über seine eigene Regierung entscheidet. Aus dieser Entscheidung hat sich Brüssel gefälligst herauszuhalten! Das ist schon eine Frage des Respekts vor dem ungarischen Volk. Die Ungarn brauchen keinen Nachhilfeunterricht aus Brüssel, wenn sie wählen sollten. Das wissen sie selber am besten.

Aber die Wahl am 3. April ist auch eine Richtungsentscheidung für die ganze Europäische Union: Wollen wir ein Europa der Vaterländer, deren Völker ihre Traditionen pflegen und über ihr Schicksal selbst entscheiden können? Oder wollen wir einen europäischen Zentralstaat, in dem Bürokraten entscheiden, wie ungarische oder deutschen Eltern ihre Kinder erziehen sollen?

Die ungarische Politik stellt sich gegen den Brüsseler Machtanspruch. Deshalb wird sie von der politischen Linken ja auch so massiv bekämpft. Viele Deutsche hoffen wie ich, dass Ungarn auch nach der Parlamentswahl eine Verteidigungsburg der europäischen Kultur bleibt und ein Vorkämpfer für ein freiheitliches, dezentrales Europa!

Dr. Gerhard Papke ist Präsident der Deutsch-Ungarischen Gesellschaft

Das Interview dür die Tageszeitung Magyar Hírlap hat Mariann Őry geführt.

MAGYARUL: https://www.magyarhirlap.hu/kulfold/20220329-iranyado-europanak-hogyan-dont-hazank

Ein Kommentar

  1. Mal wieder sehr gelungen und ohne Umschweife, was Dr. Papke sagt. Als Mitglied der Deutsch-Ungarischen Gesellschaft weiß ich ihn zu schätzen. Solange es in Ungarn keine starken, charismatischen Oppositionspolitiker mit Niveau gibt, wird der Fidesz den Ton angeben. Leider hat Ungarn eine vergiftete politische Landschaft. Wer die Jahre unter Gyurcsány nicht kennt, kann kaum beurteilen, welches die Gründe für die heutige Situation sind.

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