30. November, 2021 Gastbeitrag von ISTVÁN HEINRICH
Von 1945 bis zum Tod
Nach der Besetzung Bratislavas durch die sowjetische Armee 1945 internierte die sowjetische Führung Esterházy, doch nach 12 Tagen wurde er wieder freigelassen. Dann besuchte er Gustav Husak (1913-1991), den Vertreter der temporären slowakischen Regierung, um gegen die Verfolgung und Misshandlungen ungarischer Bürger infolge des Kaschauer Regierungsprogramms Protest einzulegen und über ein ungarisches Memorandum zu verhandeln.
Husak ließ ihn ohne weiteres festnehmen und in die Sowjetunion transportieren, wo er der sowjetischen Geheimpolizei NKWD übergeben wurde.
Von diesem Augenblick an hat János Esterházy weder seine Frau und Kinder noch seine Mutter und Schwestern gesehen. Da begann für Esterházy ein langer und qualvoller Leidensweg, dem nur sein Tod am 8. März 1957 im tschechoslowakischen Gefängnis Mirov ein Ende setzte.
Was Gustav Husak angeht, ist vielleicht gut zu wissen, dass dieser Husak der gleiche ist, der sich im Jahr 1968 am Prager Frühling aktiv beteiligte. Er wurde Mitglied des neu konstituierten Exekutivkomitees des Zentralkomitees, dem neben ihm unter einigen anderen auch Alexander Dubcek (1921-1992) angehörte. Nach der Absetzung von Dubcek wurde Gustav Husak im April 1969 zum ersten Sekretär des ZK der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei und beseitigte nach und nach die Reformergebnisse des Prager Frühlings.
Esterházy saß in der Sowjetunion zuerst ein Jahr im berüchtigten Lubjanka-Gefängnis in Moskau ein.
Danach wurde er in einem konzeptionellen Verfahren zu 10 Jahren Gulag-Zwangsarbeit in Sibirien verurteilt.
Im Lager jenseits des Polarkreises erlitt er eine verhängnisvolle Lungenkrankheit, von der er bis zu seinem Tod nicht geheilt wurde.
Während dieser Zeit wurde seine Familie auseinandergetrieben. Seiner Mutter und seiner Schwester Lujza gelang es, nach Westen zu flüchten. Seine Frau siedelte mit ihren Kindern nach Ungarn um. Seinen Kindern János und Alice gelang es nach wechselsvollen Umständen zuletzt ebenfalls die Flucht nach Westen.
Unterdessen machte das Nationalgericht in Bratislava Esterházy den Prozess aufgrund einer bösartigen Verleumdung wie Kollaboration mit dem Faschismus und Verschwörung gegen die Tschechoslowakische Republik.
Am 17. September 1947 wurde Esterházy vom hiesigen Gerichtshof in seiner Abwesenheit zum Tod durch Hängen verurteilt. 1949 übergab die Sowjetunion den schwerkranken Esterházy den tschechoslowakischen Behörden. Seine Schwester Maria, die sich noch immer in der Tschechoslowakei aufhielt, hatte mit der Hilfe von einigen Anwaltsfreunden ein Gnadengesuch an den tschechoslowakischen Staatspräsidenten eingereicht. Aufgrund des Gesuchs wurde das Todesurteil in eine lebenslange Haft umgewandelt.
Während der Veränderung des Urteils wurde der schwerkranke Esterházy eine Zeitlang in einem Krankenhaus bewacht. Es wurde für ihn eine Flucht vorbereitet. Er lehnte jedoch die Flucht ab. „Ein Esterházy flieht nicht“, soll er gesagt haben. Ihre Bekannten erinnerten sich aber auch an den Spruch, den er in einer seinen Reden über die von ihm ständig bestrebte Versöhnung zwischen den Slowaken und Ungarn äußerte: „Nur eine solche Bestrebung kann zum Triumph führen, deren Weg Märtyrer geebnet haben.“ Seinen wohlwollenden und kühnen Freunden, die ihn retten wollten, sagte aber auch: „Wer bin ich denn, der sich einbilden mag, sich in seiner Überheblichkeit Gottes Willen entgegenzusetzen? Er weiß schon besser, was mit mir geschehen soll.“ – Sein Gottesglaube war bis zuletzt tief und unerschütterlich.
Danach saß Esterházy in vielen verschiedenen tschechoslowakischen Gefängnissen ein. Die häufigen Umsetzungen waren deswegen notwendig, weil er mit seinen Ansichten seine Mithäftlinge „ungünstig beeinflusste“.
Er konnte auch nach Aussage der zurückgekehrten Gefangenen aus dem Gulag für andere immer einen seelischen Halt ausstrahlen.
Die Nachricht über die ungarische Revolution 1956 hat ihn noch sehr bewegt. Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich aber sehr rasch. Er äußerte noch den Wunsch, man möge ihn in ein Gefängnis nahe zu seinem Heimatort bringen, damit er „daheim“ sterben kann. Sein Wunsch wurde nicht erfüllt. Er starb am 8. März 1957 im Gefängnis Mirov bei Olmütz im Alter von 56 Jahren.
Seine Feinde befürchteten ihn und viele befürchten anscheinend auch sein Andenken heute noch. Diese Leute können ihren Hass oder ihre Beklommenheit nicht überwinden. Für alle anderen gilt er jedoch als ein Held im Kampf um die Menschenrechte und als ein Märtyrer aus dem leidvollen vorigen Jahrhundert.
Würdigung
Nach der „Samtenen Revolution“ in der Tschechoslowakei im November 1989 unternahm Esterházys Tochter Alice Esterházy-Malfatti Versuche, die Rehabilitierung ihres Vaters zu erreichen. Sie wurde dabei unterstützt von der ungarischen Regierung, ungarischen Politikern in der Slowakei und dem Weltkongress der Ungarn. Aber auch
viele Polen, Tschechen, Slowaken und Juden, deren Vorfahren Esterházy half zu fliehen und diejenigen, die seinen Lebensweg kennen, hoffen auch auf seine Rehabilitierung.
In Russland wurde Esterházy 1993 offiziell rehabilitiert. 1994 reichte Alice ein Gesuch zur Wiederaufnahme des Rehabilitierungsverfahrens ein. Das slowakische Gericht lehnte dieses wiederholt auf Basis eines Gutachtens slowakischer und tschechischer Historiker ab. Somit bleibt das Urteil von 1947 unberührt.
János Esterházy wird nach wie vor offiziell als Kriegsverbrecher bezeichnet.
Zum 100. Jahrestag seiner Geburt fand am 11. März 2001 im Ungarischen Parlament eine Gedenkfeier mit der Teilnahme des ungarischen Präsidenten Ferenc Mádl statt, an der die Slowakei von Frantisek Miklosko vertreten wurde.
Eine bittere Geschichte ist es überdies, dass obwohl die Aschen Esterházys aufgefunden und identifiziert worden sind, sie wurden seiner Familie nicht überreicht. Somit wird es verhindert, dass seine Aschen in der heimatlichen Erde ruhen. Auch die jetzigen Autoritäten in der Slowakei befürchten, dass eine feierliche Beisetzung der sterblichen Überreste von ihm dazu führen könnte, dass die Menschen eine historische Revision fordern und wegen der willkürlich erklärten Kollektivschuld durch die Benes-Dekrete eine allgemeingültige Rehabilitation verlangen würden. Ein solches Rehabilitationsverfahren würde für die slowakischen Offiziellen zu unberechenbaren juristischen und materiellen Konsequenzen führen. Das sollte also so weit wie möglich vermieden werden. –
Somit bleiben also die zerstrittenen Benes-Dekrete unberührt in Kraft. Wie lange wohl noch?
Der Name und Schicksal János Esterházys wird durch zahlreiche Gedenkveranstaltungen immer mehr Menschen auch über die ungarischen Landesgrenzen hinaus bekannt. Er wird verehrt als „ein Märtyrer, der sowohl gegen den Nationalsozialismus als auch gegen den Kommunismus kämpfte und sein Leben für seinen Glauben gab“, sagte der Vorsitzende des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten des ungarischen Parlaments Zsolt Németh anlässlich des 120. Jahrestages von Esterházy Geburtstag.
Ebenfalls zu diesem Anlass feierte der suffraganische Bischof Michael Janocha in Warschau zu Esterházys Ehren die heilige Messe für seine Seligsprechung, seinen Frieden und seine Zusammenarbeit zwischen den mitteleuropäischen Nationen.
In seiner Predigt am 18. September 2021 im Pilgerzentrum Alsóbodok (Dolné Obdokovce) nannte der Erzbischof des slowakischen Erzbistums Trnava (Nagyszombat) János Orosch Esterházy einen Heiligen. Er äußerte seine Hoffnung, dass Esterházy mit der Zeit auch von den Slowaken rehabilitiert und seine ehrliche Bestrebung, das ungarisch-slowakische Verhältnis wiedergutzumachen, anerkannt wird.
Zusammenfassung
Lieber Leser, bis zu diesem Punkt versuchte ich den Lebensweg von János Esterházy den bekannten Tatsachen gemäß zu schildern. Das Bild über ihn ist aber damit noch nicht vollständig. Er hat nämlich die Worte seines sterbenden Vaters treuherzig befolgt. Er war nicht nur ein braver Ungar, sondern sogar vielleicht noch mehr ein tiefgläubiger Christ.
In unserer gründlich säkularisierten Welt verlor ein solcher Begriff wie Tiefgläubigkeit erheblich ihre Bedeutung. Was soll man schon darunter verstehen? Ist vielleicht „tiefer Glaube“ nicht so etwas wie Fanatismus? Ungefährlich scheint es also nicht zu sein. Dann das Gerede über eine „Erleuchtung“, was diese Menschen oft anbringen. Ist es nicht eher eine Vision von überspannten Neurotikern?
Sollten Sie, lieber Leser zu den Menschen gehören, die von Gott und Glaube und jedweder Religion weit entfernt sind, so bitte ich Sie, einen Moment innezuhalten. Atmen Sie tief durch, lassen Sie Ihren gewohnten, kleinlichen Zweifel hinter sich, geben Sie sich einen Ruck, und versuchen Sie es zumindest vorzustellen, dass es Menschen gibt, die davon tief überzeugt sind, dass wir kosmische Wesen sind, die nicht nur dieser irdischen Welt, sondern vielmehr einem noch deutlich wirklicheren und vollständigeren Jenseits zugehören, das andere Dimensionen hat als welche wir hier in unserer alltäglichen Welt wahrnehmen. – Nun so ein Mensch war János Esterházy. Dieser Glaube hat ihm geholfen, auf seine wahren Ansichten zu beharren und sein Schicksal auf sich zu nehmen.
Viele Menschen, die ihn kannten oder von zuverlässigen Zeitgenossen von ihm hörten, haben es erkannt.
Das führte zu dem Entschluss der polnischen katholischen Kirche, um ein Seligsprechen-Verfahren für Esterházy zu initiieren.
Dies tat sie auch mit dem erhabenen Gedanken, dass neben dem großen Heiligen Johannes Paul II. es noch einen Seliger oder vielleicht Heiliger der kleinen Völker in Mitteleuropa geben soll, zu dem Menschen aus diesen Nationen als zu ihrem Heiligen hinaufblicken können. So werden ihn auch diejenigen, die getrennt von ihrem Heimatland in Minderheiten oder in Streusiedlungen leben darum bitten, dass er über sie wacht, und durch seine himmlische Kraft die Völker zueinander führt, aussöhnen lässt, damit sie zukünftig zu einem glücklichen Miteinander finden.
Teil 1. s. https://ungarnreal.de/graf-janos-esterhazy-der-maertyrer-vom-ehemaligen-oberungarn-teil-1/
Autor, Prof. Dr. István Heinrich ist Agrarökonom
MAGYARUL: