3. Dezember 2021, Budapester Zeitung von RAINER ACKERMANN
„Wir haben eine vollkommen andere Sicht auf die Welt, als die neue Bundesregierung“, sagte Kanzleramtsminister Gergely Gulyás am 25. November 2021 auf der Fachkonferenz der Stiftung „Für ein Bürgerliches Ungarn“
Der Minister stellte weiterhin fest: „Die Neuausrichtung der deutschen Bundespolitik steht nicht nur im Gegensatz zur Politik der ungarischen Regierung, sondern ebenso zu den Überzeugungen der Bürger Mitteleuropas, was ihre Werteordnung und die Gedanken zu Familie, Integration und Migration betrifft.”
„Das Programm der neuen Bundesregierung ist kein europäisches, sondern ein ausgesprochen westeuropäisches Programm.
Es ist außerordentlich weit von dem entfernt, was wir in der Mitte Europas über die Welt und die Gesellschaft denken“, sagte der Minister. Berlin drängt fortan offen auf die Vereinigten Staaten von Europa, was auch sein Gutes habe. Denn zuletzt wurden Befugnisse und Macht der europäischen Institutionen klammheimlich zu Lasten der Nationalstaaten ausgeweitet.
Die von Deutschland angestrebten Veränderungen verlangen nach dem Rechtsverständnis der Orbán-Regierung nach einer Modifizierung der EU-Verträge. Ungarn sieht sich freilich nicht als einzigen Mitgliedstaat, der solchen Veränderungen nicht zustimmen wird. In der Frage der Migration „trennen uns Welten“, merkte der Minister mit Hinweis auf die Pläne Berlins an, die legale Migration zu stärken.
Die deutsche Familienpolitik steuere auf einen Zustand zu, bei dem sich „praktisch jede Gemeinschaft Familie nennen darf“. LGBTQ-Vereine werden bereits ab dem Kindergartenalter auf die Erziehung von Kleinkindern Einfluss nehmen dürfen.
Der extraterritoriale Anspruch, die alternativen Familienmodelle in allen EU-Ländern anzuerkennen, verletze Budapest zufolge Gemeinschaftsrecht.
„Deutschland hat überhaupt nichts mit der ungarischen Familienpolitik zu tun, wie auch wir höchstens eine Meinung zum deutschen Modell haben können“, stellte Gulyás klar. Der Fidesz-Politiker betonte, die Diversität nationaler Politiken sei kein Problem, solange man sich auf EU-Ebene einig sei, sich nicht einig sein zu müssen. Andernfalls werden die Zukunft der EU scharfe politische Debatten prägen.
Originaltext erschien in der Budapester Zeitung, Dezember 2021 | Nr. 24