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Als Ungar geboren zu werden bedeutet Pflicht

Viktor Orbáns Festrede zum 175. Jahrestag der Revolution und des Freiheitskampfes von 1848/49

15. März 2023, Kiskőrös

Guten Tag, liebe Bürger von Kiskőrös! Ich begrüße alle aus der Umgebung Kommenden! Sehr geehrte feiernde Ungarn in der ganzen Welt! Meine Damen und Herren!

Wenn ein Fremder auf das Leben des vor 200 Jahren geborenen Sándor Petőfi (1823-1849) blickt, wird er kaum glauben, was er sieht. Petőfi wird in einer kleinen Stadt, mehrere Tagesreisen von der Hauptstadt entfernt geboren. Er ist bei der Geburt so schwach, dass man ihn in Spiritus badet. Er bleibt am Leben. Er wird Wanderschauspieler, Komödiant. Dann erhebt er sich zum Dichter des Landes. Im Laufe von fünf Jahren schreibt er tauend Gedichte, erschafft sich einen internationalen Ruf. Löst eine Revolution aus, die seiner Heimat die Freiheit bringt. Er wird im Unabhängigkeitskrieg zum Soldaten. Im Alter von 26 Jahren fällt er durch die Waffen der Besatzungstruppen. Es erfüllt sich an ihm sein in einem Gedicht formulierter Wunsch und der Tod ereilt ihn nicht „im Bett, zwischen Kissen“, sondern auf dem Schlachtfeld der Freiheit.

Er fällt auf dem Schlachtfeld ohne Augenzeugen. Da lebt niemand mehr von denen, die seine Ankunft in das diesseitige Leben gesehen hatten. So wie er kam, ging er. Er trat einfach in die Welt der Legenden hinüber.

Eine 26 Jahre umfassende Laufbahn am ungarischen Himmel, die aus der Tiefe Ungarns ausging und auf dem Himmelspfad endet.

Ein Aufblitzen, das seine eigene Nation den Atem anhaltend verfolgt und bewundert. Ein Ausländer würde sagen: ein Rätsel. Und ein amerikanischer Filmregisseur: das Petőfi-Rätsel. Wir, Ungarn, sehen hier keinerlei Rätsel. Ein ungarisches Schicksal – sagen wir eher. Er ist einer von uns, der sich über uns erhob. Der Ungar akzeptiert so etwas nur schwer, doch jetzt haben wir es mit Freuden akzeptiert, denn wir wissen, selbst wenn wir es wollten, wir könnten es ihm kaum nachmachen. Sándor Petőfi ist unser geliebter Sohn. Jeder Ungar kennt seit seiner Kindheit mindestens eine Verszeile von ihm. Deshalb muss man es nicht aussprechen, wir wissen es auch ohne Worte: In jedem Ungarn ist ein kleiner Petőfi und in Petőfi sind alle Ungarn vorhanden.

Sehr geehrte Feiernde!

Als Petőfi geboren wird, beendet Ferenc Kölcsey gerade die Hymne. Mit der Hymne erschafft er Ewiggültiges und gibt der Heimat zugleich Programm. „Denn dies Volk büsste hart genug Schuld für alle Zeiten“und wie es der Evangelist Lukas fortsetzt „deshalb streckt euch und hebt eure Häupter”. Erlangt die Selbstachtung unserer Nation zurück und stellt ihr Selbstwertgefühl wieder her. Das ist das Programm der ungarischen Nation für die nächsten 25 Jahre. Und so wird es sein. 25 Jahre nach der Hymne ist 1848 Ungarn nicht mehr das gleiche Land.

Eine ihr Haupt erhebende, sich streckende Nation, die voller Selbstvertrauen in der Welt der europäischen Völker herumblickt. Ungarn begann in erstaunlicher Menge Meisterwerke von Weltniveau in der Wissenschaft und der Literatur zu produzieren.

Es schuf unseren wilden Flüssen ein neues Flussbett, baute die Eisenbahn bis nach Vác und Szolnok, errichtete zwischen Pest und Buda eine Steinbrücke, ließ Dampfschiffe auf dem Plattensee und der Donau fahren, errichtete der ungarischen Wissenschaft und Kultur eine Heimstätte. Ein vor einer schönen Zukunft stehendes, sich verschönerndes Land. Einen so großen Weg zurückzulegen ist.

Das alles ist schön und gut, für einen Wiener oder Berliner Bürger wäre das vielleicht auch genug, aber für uns, Ungarn, ist es zu wenig. Wir wissen, hier muss noch, es muss immer noch eine Sendung geben, die über dem Alltag steht und unserem endlichen Leben einen höheren Sinn gibt. Die rastlose ungarische Seele fragte und fragt es auch seitdem: Was wäre denn jene die ganze Welt betreffende Tat, die die Seele erhebende Sendung, sursum corda, für die es sich für uns lohnt, sich zu strecken? Der Dichter Mihály Vörösmarty schreibt: „Denke dir etwas Mutiges und Großes und setze dein Leben darauf.” Doch was sollte dies sein und in welche Richtung sollen wir losgehen, um es zu finden? Was sollen wir mit unserer zurückgewonnenen Selbstachtung, unserer vervielfachten Kraft machen? Das ist die wie ein unterirdischer Strom plötzlich an die Oberfläche tretende Frage jeder zum Selbstbewusstsein erwachenden Generation in der ungarischen Geschichte, ganz bis in die Zeit unseres Lebens.

Immer in der Sprache und nach der Mode der jeweiligen Zeit, aber es ist immer dieselbe. Wie es der Rockmusiker Levente Szörényi und seine Freunde sangen: „Wenn ich doch nur wüsste, wohin, wohin, wohin ich geh‘.“ Genauso erwartete das Ungarn der Mitte des 19. Jahrhunderts das Wort und die Stimme suchend, die sagte, in welche Richtung wir unser persönliches Schicksal und mit ihm auch das der Heimat leiten sollen.

Dieses heiß ersehnte, gesuchte Wort, die gesuchte Stimme, die die Richtung vorgebende Bewegung gab Petőfi der Heimat. Das Wort ist eindeutig, die Stimme ist rein, die Bewegung ist mitreißend. „Auf, die Heimat ruft, Magyaren! Wollt ihr frei sein oder Knechte?“ Es lebe das freie und unabhängige Ungarn!

Wenn sie nur so viel getan hätten, ihnen stünde ihr Platz im großen Buch der Geschichte der Ungarn zu. Ruhm der Märzjugend!

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Wer kein Ungar ist, der kann es nur schwerlich verstehen, vielleicht kann er es sogar als lächerlich empfinden, dass wir seit 175 Jahren am 15. März die Geschichte dieses Tages wieder und wieder erzählen. Sie verstehen nicht, warum uns das nicht langweilig geworden ist? Es ist uns nicht langweilig geworden, weil dies ein Geburtstag ist. Ein großer gemeinsamer Geburtstag. Und wenn der eigene Geburtstag naht, kommt die Familie zusammen. Und es kommt der Moment, in dem unsere Mutter und unser Vater die Geschichte jenes Tages erzählen, als wir auf die Welt kamen. Auf diese Weise lebt in unserer Erinnerung auch der Tag der Geburt der ungarischen Freiheit. Deshalb erzählen wir immer und immer wieder in jedem Jahr die Geschichte dieses regnerischen Mittwochs, als die Märzjugend losging. Und dieser Marsch, dieser gewaltige, die Barrieren, die Kleingläubigkeit, aus früheren Jahrhunderten übriggebliebene Ballaste beiseite fegende gewaltige Marsch der ungarischen Freiheit ging nicht aus dem Kaffeehaus Pilvax und auch nicht aus dem Garten des Nationalmuseums aus, sondern von hier, von Kiskőrös. Deshalb sind wir heute hierhergekommen und deshalb neigen wir unser Haupt vor dem Andenken der Familie Petrovics in Kiskőrös, die uns Sándor Petőfi gegeben hat.

Wir neigen dazu, die Eltern unserer Großen zu vergessen. Tun wir das nicht. Neigen wir unser Haupt vor dem alten Petrovics, der am Höhepunkt seines Lebens das gleichberechtigte Mitglied der Gemeinschaft der freien Kleinkumanen geworden ist. Man musste lange Jahre ehrenvoll dafür arbeiten, um diesen Rang zu erlangen. Das ist in dieser Gegend keine leichte Sache. Es ist keine Gegend für Fremde. Doch ihm gelang es. Und der alte Petrovics schuf seinen beiden Söhnen eine glückliche und fröhliche Kindheit, und er gab ihnen auch seine arbeitsame Heimatliebe weiter. Und der liebe Gott hat ihn – vielleicht als Belohnung – davor bewahrt, dass er einen seiner Söhne hätte beweinen und den anderen bei der Zwangsarbeit hätte sehen müssen. István, der jüngere Petőfi, war ein mutiger Mensch, er erreichte den Rang eines Hauptmanns während des Freiheitskampfes. In der Zeit der Vergeltung wurde er degradiert und als einfacher Soldat in die kaiserliche Armee eingereiht, dann verurteilte man ihn zu drei Jahren Wallarbeit. Brechen konnten sie ihn nicht, er ertrug es erhobenen Hauptes. Und verneigen wir unser Haupt auch vor dem Andenken der Mutter, Mária Hrúz, die das Grabmal der Familie Petőfi als die geliebteste Mutter bezeichnet und die als slowakische Frau hier, in diesem Haus in den Wehen liegend, den größten ungarischen Dichter auf die Welt brachte. Ruhm der Familie Petrovics!

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Wenn zwei Ungarn zusammenkommen, dann bestehen gute Chancen, dass sie innerhalb von Minuten dreierlei Meinung sind. Es ist selten – wie das der Volksmund sagt – wie ein weißer Rabe, wenn wir in irgendetwas übereinstimmen. Zu diesen seltenen Dingen gehört, dass Sándor Petőfi der größte ungarische Dichter ist. Es ist sonderbar, dass wir gerade in einer literarischen Frage übereinstimmen, obwohl es gerade in der ungarischen Lyrik eine lange Reihe von Dichterfürsten und -fürstinnen gibt. Im Fall eines so nüchternen Volkes wie das unsrige ist es überraschend, doch ohne Literatur gibt es kein ungarisches Leben. In uns, Ungarn, reift die Liebe, die Freude und die Trauer zum Gedicht und zum Lied. Vielleicht macht dies die Sprache oder unsere seelische Statur, doch wir, Ungarn, leben dichterisch auf dieser Erde, auf der das Leben häufig auf prosaische Weise läuft. In jedem unserer Dichter findet sich etwas, das einen Gesichts- oder Charakterzug des Ganzen der großen ungarischen Volksseele verkörpert. Die geniale Einfachheit von János Arany, Attila Józsefs innere seelische Kämpfe, die selbstbezichtigenden Peitschenhiebe Endre Adys, die tiefe Weisheit von Mihály Babits, der mitreißende schwarze Humor Frigyes Karinthys: das alles sind wir. Trotzdem, wenn wir jemanden benennen müssen, in dem zusammen wir all das finden,

was wir für ungarisches Schicksal, für den ungarischen Genius halten, dann nennen wir Sándor Petőfis Namen. Es ist schwer zu sagen, warum dies so ist. Vielleicht weil die Freiheit eine eigene Sprache, eine eigene Weltsprache besitzt.

Doch besitzt sie einen französischen, deutschen, italienischen oder polnischen Dialekt, und aus diesem Chor sind wir, Ungarn, deshalb nicht wegzudenken, denn den ungarischen Dialekt der Freiheit hat Sándor Petőfi geschaffen. So wurden wir, Ungarn, Teil der freien Welt. Es ist vielleicht eine verzeihbare parteiische Haltung, wenn wir sagen, das Ungarische sei die gelungenste Sprache der Freiheit, denn die Sprache Petőfis versteht man überall auf der Welt, auf allen fünf Kontinenten, man hat ihn in die Sprachen von mehr als zweihundert Völkern übersetzt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte feiernde Ungarn!

Petőfi ist auf die Weise unter uns gestoßen, wie ein aus dem Sturm hervortretender Zauberer oder eine der Erde entsprießende dornige Wildblume. Er war kein als Soldat geeigneter Mensch. Er besaß eine zerbrechliche Statur, doch die wirklichen Probleme bereitete vielmehr, dass er nichts auf die rigorosen Regeln des Soldatenlebens gab. Wahrscheinlich hält er bis auf den heutigen Tag den Weltrekord der bis aufs Blut beleidigten Verteidigungsminister. Er war auch – nach den Begriffen der damaligen Welt – auch nicht als Ehemann geeignet. Er war für Júlia Szendrey geeignet. Zwei reizende Individualisten, die Zigarren rauchende, Kaffee trinkende, Hosen tragende, selbstbewusste ungarische Frau und der den lila Frack tragende Petőfi, der ein „Guillotine“ genanntes, eine Hand breites Breitschwert in seinem Zimmer aufbewahrte. Auch als Freund war er kein leichter Fall. Wobei es stimmt, man kann leicht eine Freundschaft schließen, wenn unser Freund vollkommen ist. Er konnte als Cäsar herrschen, konnte jene Attackieren, die er für dilettantische Poeten hielt und er verfluchte die Faulheit der talentierten Dichter. Die Kritiker und die Kritik mochte er am allerwenigsten. Er schrieb: „Wenn es keine Kritiker gäbe, würde ich die Meerrettichsoße am meisten auf der Welt hassen.”

Er war ein schwieriger Mensch, die innere Kraft und die Selbstbewusstheit strömte aus ihm nur heraus. Solch einen Menschen weisen die anderen, wenn sie auch sein Talent anerkennen, eher zurück und schließen ihn aus ihrem Herzen aus. Sándor Petőfi haben sie ganz im Gegenteil, obwohl sie Grund dazu gehabt hätten, nicht zurückgewiesen, sondern in ihr Herz geschlossen. Der liebe Gott half ihm, er ließ es nicht zu, dass aus seinem Talent Hochmut und aus seinem Selbstvertrauen eine falsche Selbstsicherheit, eine Hybris wurde, die die Talentierten mit ihrer Arroganz beschämt. Das ist eine große Gnade und ein großes Privileg für die herausragend talentierten Menschen. Er mochte dies vom lieben Gott erhalten haben, da er, obwohl er den Klerus nicht mochte, schließlich war er evangelisch, niemals den christlichen Kraftraum der geistigen Welt verlassen hat.

Als Prophet der Freiheit, der Weltfreiheit wusste er auch, dass das Trio von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit nicht statt des Gebotes von Glaube, Liebe und Hoffnung gültig sein kann, sondern nur zusammen mit ihm.

Weder die Beleidigungen noch die ungerechte Zurücksetzung und die politischen Fiaskos ließen ihn von der Seite des schöpferischen Gottes auf die Seite des zerstörerischen Geistes, des großen Auseinanderwerfers abdriften, so wie dies heutzutage mit so vielen Promis und Weltstars geschieht.

Er arbeitete ohne Unterlass. Mit der Entschlossenheit jenes Menschen, der weiß, das Schicksal bemisst ihm die Zahl seiner Jahre knauserig. Er lebte nur 26 Jahre und von diesen 26 waren nur fünf dem tatsächlichen Schaffen gegeben. Ein Gedicht schrieb er, wie wir einfache Sterbliche Luft nehmen. Er übersetzte in allen Gattungen. Er schrieb ein Drama, einen Roman, Novellen, ein komisches Epos und ein erzählendes Gedicht, Reisebeschreibungen und Briefe. Er redigierte die Zeitschrift „Pesti Divatlap“, dann „Életképek“ und dabei organisierte er das ungarische literarische Leben und den politischen Widerstand. Nur fünf Jahre, trotzdem ist das Lebenswerk von Petőfi vollständig. Nicht so abgerundet und vollkommen, wie wir heute über eine abgeschlossene dichterische Laufbahn zu denken pflegen. Sein Lebenswerk wurde dadurch vervollständigt, indem er restlos der Heimat das zahlte, wozu er sich in seinen Gedichten verpflichtet hatte. Obwohl er früh verstorben ist, beneiden wir ihn trotzdem alle. Nicht weil wir uns einen frühen Tod wünschen würden, sondern weil auch wir die Welt so verlassen möchten, dass wir alle uns auferlegten Verpflichtungen erfüllt haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Staunend und sehnend betrachten wir auch, dass er sich eine Welt erschaffen hat, die eindeutig, geradlinig ist, in der es zwischen den Dingen keine Übergangsgrauzone gibt. In seiner Welt gibt es so etwas nicht, wie ein bisschen aus diesem und ein anderes bisschen aus jenem zusammengesetztes Leben. Aus dem Schwert kann man eine Kette, aus der Kette kann man ein Schwert schmieden, doch so etwas gibt es nicht, dass das Ergebnis ein bisschen Schwert und auch ein bisschen Kette sei. Und wenn wir das vergessen, erhebt er sich tadelnd und drohend zwischen den Wolken seiner Gedichte über uns. Er lässt uns spüren: wir sind unwürdig geworden. Nicht nur ihm und nicht einmal der Freiheit, sondern am meisten uns selbst.

Wenn wir uns mit dem Weniger und dem Wertloseren abfinden, als was wir sein könnten, werden wir unserer selbst unwürdig, denn wir sind ja nicht beliebig jemand, sondern wir sind Ungarn. Und als Ungar geboren zu werden bedeutet Pflicht. Uns unserer Art würdig zu erweisen.

Petőfi fordert dies von uns tagtäglich. Entweder Knechtheit oder Freiheit – man kann wählen. Er lebte so, dass er wusste, einmal wird der endgültige Augenblick der Entscheidung kommen. Nicht nur so, wie er im persönlichen Leben des Menschen kommt, wenn wir uns mit den heiligen Banden des Glaubens, der Ehe und der Heimatliebe verpflichten. Er wusste, dass der Moment der Entscheidung auch im Leben der Nation kommen würde. Deshalb ist es die Aufgabe eines ungarischen Patrioten, lehrte Petőfi, bereit zu stehen und wenn der Moment gekommen ist, zu kämpfen. Seine Hüfte soll gegürtet sein, sein Schwert geschärft, sein Pferd gefüttert.

Sehr geehrte feiernde Ungarn!

Petőfi wollte ebenso wie wir, der freie und glückliche Bürger eines freien Ungarn sein. Er war Ehegatte und Vater. Wir können uns darin sicher sein, dass auch er lieber in der errungenen Freiheit gelebt hätte, als für sie zu sterben. Er hätte das sichere, gutsituierte, beinahe schon großbürgerliche Leben wählen können. Das geräumige Zuhause, die schöne Gattin, das erste Kind war da, er war ein erfolgreicher, ja der erfolgreichste Dichter, die Verleger standen Schlange, gutdotierte Verträge und Autorenrechte warteten. Ein schönes, abgerundetes bürgerliches Leben. Wir, seine heutigen verweichlichten Nachfahren denken, er hätte es verdient, im Bett, zwischen Kissen, die Hand seiner Julia haltend, in Ehren ergraut als Poeta Laureatus der Nation aus dem seinen Ruhm zurückgewonnenen und weltweit geachteten Ungarn zu gehen. Doch er hat anders entschieden.

Er starb so, wie er es besungen hatte: als Apostel der Weltfreiheit in der Schlacht um die ungarische Freiheit.

Er mochte das gedacht haben, womit auch wir unser wegen des Gedankens an den Tod beunruhigtes Herz zu beruhigen pflegen: Niemand lebt auch nur einen Tag kürzer als es ihm vorbestimmt ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Feiernde Ungarn!

Der gewaltige Marsch der ungarischen Freiheit hat zwar manchmal Umwege gemacht und zeitweise sich in den vergangenen 200 Jahren auch in eine Sackgasse verirrt, doch dauert er auch heute noch an. Und Sándor Petőfi ist auf diesem Marsch hier mit uns dabei. Darin können wir uns sicher sein, auch wenn wir ihn gerade nicht sehen. Doch zeitweilig ist es, als ob wir ihn sehen würden, er erscheint vor unseren Augen. Immer wenn wir verunsichert sind, wenn wir stehenbleiben.

Wir sehen, wie er rebelliert, wenn Fremde den Ungarn sagen wollen, wie sie leben sollen. Wir sehen, wie er sich gegen die Mächtigen der Welt wendet, die die Ungarn erneut in einen europäischen Superstaat einschweißen wollen. Wir sehen, wie er vor die 12 Punkte mit leichter Hand hinschreibt: Es möge Frieden geben!

Und wenn Worte nicht helfen, dann sehen wir, wie er an unserer statt losgeht, erneut zu sterben, für die ungarische Freiheit. Wir stehen in seiner Schuld. Deshalb werden wir es nie zulassen, dass man die Fahne der Freiheit den Ungarn aus der Hand nimmt. Wir werden es nicht zulassen und es wird auch nicht gelingen, denn in jedem Ungarn steckt ein kleiner Petőfi.

Es lebe die ungarische Freiheit, es lebe die Heimat! Der liebe Gott über uns allen, Ungarn vor allen Dingen! Vorwärts Ungarn!

MAGYARUL: https://miniszterelnok.hu/orban-viktor-unnepi-beszede-az-1848-49-evi-forradalom-es-szabadsagharc-175-evfordulojan/

Ein Kommentar

  1. Liebe Ungarn, ich habe in meiner Zeit in Ungarn die Feiern zum 15.03. Erlebt und fand diese keineswegs „lächerlich“ (wie oben gesagt) sondern sehr ergreifend.

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