18. Februar 2023 Viktor Orbáns Rede zur Lage der Nation
„In der Ukraine kämpft nicht Gut gegen Böse, da führen zwei slawische Länder gegeneinander Krieg. Das ist ihr Krieg, nicht unserer. Bei aller Solidarität mit der Ukraine werden wir deren Interessen ganz sicher nicht vor die Interessen Ungarns stellen.“
Am Samstagnachmittag hielt Viktor Orbán wie in jedem Jahr seine Rede zur Lage der Nation, vor geladenen Gästen im Forum des Budapester Burggartenbasars. Diesmal stand sie unter dem Motto: Frieden und Sicherheit. Seit dem letzten Jahr sei so viel passiert, dass er eine Rede von der Länge halten könnte, wie sie Fidel Castro zu halten pflegte, scherzte der Ministerpräsident zunächst mit seinem Publikum.
Hunnia mit Pannonia vereinen
Es sei höchste Zeit, Hunnia mit Pannonia wirtschaftlich wie nach den Lebensstandards zu vereinigen, also den Landesteil östlich der Donau mit Transdanubien. Konkret nannte der Ministerpräsident Brücken, die über die Donau geschlagen werden, und ein neues Industrie-Dreieck nach dem Vorbild von Győr-Szombathely-Veszprém um Debrecen-Nyíregyháza-Miskolc. „Dazu benötigen wir Energie, so viel Energie, wie noch nie zuvor in Ungarn.“
Also werden Kraftwerke und Trassen gebaut, „auch dann, wenn Brüssel nicht dazu beitragen will“,
erklärte Orbán und fügte unbestimmt hinzu, in dem Fall würden sich andere Partner finden.
Die Welt wird zum Wilden Westen
„Nach der Corona-Pandemie hat sich in Politik und Wirtschaft wirklich alles geändert. Das Jahr 2022 war so schwer wie kein anderes zuvor, seit Ungarn 1989/90 den politischen Systemwandel vollzog. Dafür machte Orbán einmal mehr den Westen und dessen Sanktionspolitik verantwortlich, die „uns nötigte, alles neu zu durchdenken“. Ungarn gebe deshalb aber nicht seine Zielstellungen auf, in der Außenpolitik Freunde zu finden, und nicht Feinde. Auf das schwerste folge 2023 das gefährlichste Jahr.
Ungarn hat das Recht, für den Frieden einzutreten
Sich aus dem Ukraine-Krieg herauszuhalten sei ungemein schwer, als Bündnispartner des kriegslüsternen Westens. „Aber
Ungarn ist ein eigenständiger, freier und souveräner Staat, dem es zusteht, für den Frieden einzutreten. Ungarn erkenne das Recht der Ukraine an, sich zu verteidigen, aber es wäre falsch, die Interessen der Ukraine in irgendeiner Hinsicht vor die ungarischen Interessen zu stellen.
Mehr noch sei es moralisch die richtige Entscheidung, sich nicht in diesen Krieg hineinziehen zu lassen. „Die Brüsseler Eliten zahlen in diesem Krieg nicht mit ihrem Leben, wir Ungarn aber schon. Wir verlangen mehr Respekt – in Munkács, Kiew, Brüssel und Washington.“
Die Bewahrung der wirtschaftlichen Kontakte zu Russland ist in der Deutung des Ministerpräsidenten die Voraussetzung für Waffenstillstand und Friedensverhandlungen. Es sei wichtig, den Konflikt nicht allein durch die Brüsseler Brille zu betrachten; außerhalb Europas würden alle Staaten ihre eigenen Interessen verfolgen. „Wir sollten uns nicht vom nüchtern denkenden Teil der Welt abkapseln; unsere Auffassung ist nur in Europa die Ausnahme, in der Welt aber die Regel.“
Russland gefährdet nicht die Sicherheit Europas
Für Ungarn sei es kein realistischer Ansatz, dass Russland die Sicherheit Europas oder gar der Welt gefährde. „Der Krieg hat doch ganz deutlich gemacht, dass Russland gegen die NATO überhaupt keine Chancen hätte.“ Hinsichtlich der strategischen Zielstellungen herrsche in Europa Übereinstimmung: Niemand wolle, dass Russland eine Bedrohung darstellt, Ungarn sei deshalb an einer tiefen Pufferzone interessiert. „Die ganze Welt konnte sehen, dass die russische Armee nicht in der Lage ist, die NATO anzugreifen.“
„Während die Kriegsverfechter meinen, diese Ziele ließen sich nur erreichen, indem die Russen besiegt werden, sehen wir den Schlüssel zur Lösung in einem Waffenstillstand, weil nur so das Blutvergießen aufhören kann.“
Orbán bekräftigte, wie lebensnotwendig die Mitgliedschaft in der NATO für Ungarn sei. „Wir befinden uns zu weit im Osten, als dass wir darauf verzichten könnten.“
„Ich verstehe die Polen und Balten, aber nicht die Deutschen“
Europa laufe Gefahr, sich in den Krieg verwickeln zu lassen, und stehe eigentlich längst indirekt im Krieg mit Russland. Dabei verstehe er die Polen und die Balten, deren Geschichte ihre Positionen sehr weitgehend erkläre. Doch statt Russland Sicherheitsgarantien zu geben, dass die Ukraine nicht in die NATO aufgenommen wird, wurden die Spannungen im Vorfeld des Krieges forciert.
Orbán meinte, der Westen habe sich 2008 im Konflikt um Georgien und 2014 bei der Annexion der Krim richtig verhalten, „weil es damals eine starke deutsch-französische Führung gab, die mutig und rechtzeitig handelte“.
Die Eskalation um die Ukraine sei ein weiteres Argument gegen den Brüsseler „Superstaat“, denn starke Nationalstaaten sorgten einst für Frieden, während Brüssel auf Krieg setzt.
Es müsse freilich genau analysiert werden, wie das Friedenslager immer weiter schrumpfte, zu dem vor einem Jahr auch die Deutschen gehörten, heute aber „nur noch Ungarn und der Vatikan“.
Brüssel hat die Inflation zu verantworten
Der Ministerpräsident wandte sich dann der zweiten Gefahr zu, der Inflation, die nach seiner Darstellung „ausschließlich durch die Brüsseler Energiesanktionen verursacht“ wurde. Mit den Gaspreisen stiegen sogleich die Strompreise, auch wenn der Strom längst nicht nur in Gaskraftwerken erzeugt wird. Es sei das Einmaleins der Wirtschaft, dass steigende Energiepreise alle Produktpreise anheben.
Die Sanktionen hätten den Ungarn 4.000 Mrd. Forint (10 Mrd. Euro) aus der Tasche gezogen, die für Lohnerhöhungen, Steuersenkungen oder für die Familienförderung hätten ausgegeben werden können. Die Brüsseler Bürokratie habe Ungarn obendrein vorsätzlich die Gelder des Wiederaufbaufonds vorenthalten. „Wenn Brüssel um jeden Preis Krieg führen will, dann sollte es der Inflation den Kampf ansagen“, schlug Orbán vor.
Lassen Sie unsere Kinder in Ruhe!
Bei der Jahresbilanz sprach der Premierminister auch über wirtschaftliche und soziale Erfolge des letzten Jahrzehnt, über die Corona-Krise, die sich verschlechternden amerikanisch-ungarischen Beziehungen. Er kam kurz auf die Inkompetenz der von der USA finanziell uinterstützten ungarischen Opposition.
Zum jüngsten Pädophilie-Skandal bekräftigte er die ungarische Position: Wir bestehen auf der Durchsetzung des Kinderschutzgesetzes. Kinder sind der wichtigste Wert in der Gesellschaft, sie müssen vor Gender- und LGBTQ-Propaganda geschützt werden.
Via: Budapester Zeitung von Rainer Ackermann
MAGYARUL a teljes beszéd: https://miniszterelnok.hu/orban-viktor-evertekelo-beszede-2023-02-18/
Ein Kommentar
Diese Rede zeigt, daß Ungarn trotz der Zugehörigkeit zur EU und zur NATO dank einer Regierung, die ihr vom Volk erteiltes Mandat ernst nimmt, seine Souveränität zu behaupten willens und in der Lage ist.
Darin besteht der entscheidende Unterschied zu anderen Ländern des westlichen Bündnisses, voran Deutschland, das, wie der Umgang mit dem katastrophalen Terroranschlag auf die Nordstream-Leitungen in krassester Deutlichkeit zeigt, bloß noch als eine Kolonie der USA, genauer: gewisser mächtiger Eliten, die vornehmlich dort ihren Sitz haben, imponiert.