14. November 2021 Tichys Einblick von KLAUS-RÜDIGER MAI
Was Medien über das Interview von Viktor Orbán in der Sendung „Guten Morgen, Ungarn“ des ‚Kossuth-Radios‘ am 5. November 2021 schrieben, bewegt sich zwischen Sinn entstellend bis verfälscht. Klaus-Rüdiger Mai zeigt das auf – Tichys Einblick dokumentiert das tatsächlich Gesagte.
Deutsche Medien gefallen sich darin, mit Blick auf die Situation an der polnischen Grenze zu Weißrussland und auch an der deutschen Grenze zu Polen, sich über ein Interview des ungarischen Regierungschefs Victor Orbán zu echauffieren.
Man muss dazu wissen, dass Victor Orbán regelmäßig dem ungarischen Rundfunk ein Interview gibt, um die Position der ungarischen Regierung zu aktuellen Fragen und das Handeln der Regierung zu erläutern.
In einem kurzen Artikel versucht die WELT, Empörung über die Äußerungen des „Rechtsnationalisten Orban (sic!)“ zu schüren. Die WELT empörte sich darüber, dass Ungarn keine Migranten aufnehmen will.
Skandalisierend wird Orbán damit zitiert, dass er den Westen angeboten hätte, Korridore für Migranten zu schaffen, wenn der Westen denn Migranten aufnehmen wolle.
Als einziges wörtliches Zitat findet sich in dem kurzen Artikel der Satz: „Wenn ihr sie braucht, nehmt sie.“ Eigentlich geht es nur darum, die These zu illustrieren, dass nach Ansicht der EU Ungarn europäisches und internationales Recht brechen würde. Die Frage ließe sich auch so stellen, ob nicht die EU gegen das Selbstbestimmungsrecht der Nationen und rechtsbeugend in nationale Gesetzgebungen in Verfassungsrang einzugreifen versucht?
In dem zusammengeschusterten Artikel wird nur noch eine weitere Äußerung Orbáns paraphrasiert: „Im übrigen meine er, dass die verschiedenen Coronavirus-Varianten von Migranten eingeschleppt würden. Belege legte er dafür nicht vor.“ Letzteres hat aber Orbán gar nicht gesagt.
Die WELT verschweigt geradezu verfälschend, dass der ungarische Ministerpräsident im Übrigen konkret auf Brüsseler Statements antwortet. Man hätte, würde man sauber arbeiten, zumindest erwähnen müssen,
dass sich 4/5 des Interviews mit den Pandemie-Maßnahmen, mit dem Impfen, mit der Erhöhung des Mindestlohnes beschäftigen. Großen Raum nimmt die Frage ein, wie Preiserhöhungen im Bereich Energie für die ungarische Bevölkerung verhindert wird.
Möglich, dass der Vergleich mit Deutschland der WELT unangenehm war, und man deshalb den Hauptteil des Interviews verschwieg. Schließlich hat Orbán für Energie für die Haushalte einen festen Preis festgelegt. „Und obwohl sich der Preis in Europa verdoppelt oder verdreifacht hat, steigt er für die Haushalte in Ungarn nicht“, sagt Orbán im Interview. Dann wies der ungarische Ministerpräsident darauf hin: „Die Linke hat deutlich gemacht, dass sie im Fall eines Wahlsiegs die Preise auf Marktniveau anheben wird.“ Weiter sagte Orbán: „Als töricht bezeichne ich das,
was Brüssel tut, nämlich bei steigenden Preisen ein Programm namens Klimaschutz aufzulegen, dass die Preise noch weiter erhöhen wird.
Sie geben das auch zu. So haben sie auf dem letzten Gipfel der Ministerpräsidenten zugegeben, dass ihre Entscheidungen für etwa 20-23% des derzeitigen Preisanstiegs verantwortlich sind. Aber warum soll man die Menschen mit einer schlechten Klimapolitik aus Brüssel unter Wasser drücken, wenn alle schon halb knien? Dort wird der Standpunkt vertreten, dass die Menschen zum Schutz des Klimas weniger Energie verbrauchen, weniger Auto fahren, weniger heizen und überhaupt weniger konsumieren müssen.“
Doch, was hat Viktor Orbán in der Frage der Migration wirklich gesagt? Konkret äußerte Orbán mit Blick auf Brüssel: „Der Chef der Brüsseler Bürokratie hat gesagt, dass es gut ist, wenn mehr Migranten kommen, dass Migration gut ist, dass unsere Gesellschaften Migration brauchen. Sie glauben also, dass das, was wir an unseren südlichen Grenzen bekämpfen, nichts Schlechtes ist, sondern etwas Gutes, und sie betrachten uns als schlecht, weil sie glauben, dass wir etwas Gutes verhindern. Darauf sagen wir:
Weißt du was, wenn all das gut für dich ist, dann nimm sie. Wir sind also bereit, einen Korridor zu öffnen, und wer ihn braucht, kann bis nach Österreich, Deutschland und Schweden marschieren.“
Und er fügte hinzu: „Es ist Sache des ungarischen Volkes zu entscheiden, wer das Land betreten kann und dann wird das ungarische Volk entscheiden, mit wem wir zusammenleben wollen, nicht ein schwedischer Bürokrat oder ein Brüsseler Bürokrat weiß Gott welcher Nationalität. Das ist das Wesen dieses Kampfes.“
Auf die Bemerkung des Interviewers: „Sie kennen natürlich die Zahlen in Brüssel, denn auch Frontex hat Zahlen, und sie sehen, dass an dieser Grenze dreimal mehr illegale Einwanderer versucht haben, in die Europäische Union einzureisen wie vor einem Jahr. Trotzdem sagt die schwedische EU-Kommissarin Ylva Johansson, dass wir die Pandemie nicht erfolgreich hätten bekämpfen können, wenn es keine Migration gegeben hätte“, antwortete Victor Orbán: „Der Zusammenhang zwischen Migration und Epidemien besteht also nicht darin, dass die Migration zur Eindämmung der Epidemie beiträgt, sondern umgekehrt: Die Migration verursacht, beschleunigt und verstärkt die Epidemie. Wir streiten mit Brüssel nicht, weil sie die Zahlen, die wir sehen, nicht sehen, sondern weil sie glauben, dass in dieser Form alles gut ist. Sie halten Migration also für eine gute Sache.“
Dieser Beitrag erschien ursprünglich am 10. November 2021 beim Tichys Einblick.
Das vollständige Interview von Viktor Orbán in der Sendung „Guten Morgen, Ungarn“ des ‚Kossuth-Radios‘ am 5. November 2021
AUF DEUTSCH: https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/aus-aller-welt/bedingungslose-migration-und-die-verdammung-von-viktor-orban
EIN AUSSCHNITT AUS DEM INTERVIEW:
„Es ist gar nicht egal und es ist vor allem deshalb nicht egal, weil die Ausgaben des Staates weiter steigen werden, auch wenn wir nur bedenken, dass der Migrationsdruck ebenfalls steigt, und dann erfordert das natürlich zusätzlich zu den Gemeinkosten weitere Aufwendungen. Zugleich hat Brüssel unlängst erklärt, dass es nicht bereit ist, einem Mitgliedstaat für den Zaun zu bezahlen. Interessant ist jedoch, dass sie seit sechs Jahren NGOs bezahlen, die in Zusammenarbeit mit Menschenschmugglern die illegale Migration nach Europa sozusagen steuern. Was halten Sie davon?
Wir befinden uns in einer marathonischen Schlacht. Alles begann 2015, als Ungarn als einziges Land sagte, dass ein gemeinsamer europäischer Grenzschutz eine sehr gute Sache ist, aber wenn es keine Lösung gibt, keine gemeinsame Lösung innerhalb der Frist – wir haben den Brüsseler Behörden drei Monate gegeben – dann werden wir den Zaun bauen. Die drei Monate sind vergangen, es gab keine gemeinsame Lösung, und wir haben den Grenzzaun gebaut. Wir waren alles, wir waren Schurken, ich will das jetzt nicht zitieren, wir waren herzlos, wir waren alles, nur anständige Menschen nicht. Sechs Jahre sind vergangen. Ich kämpfe bei jedem EU-Gipfel konsequent für die Rechte der Ungarn. Heute haben neben Ungarn auch Griechenland, Spanien, Bulgarien, Slowenien, Estland, Litauen, Lettland und Polen Grenzzäune gebaut. Die ungarische Position, die 2015 noch allein war, wird also langsam zur Mehrheitsposition. Sogar die Deutschen und Österreicher glauben inzwischen, dass ohne den ungarischen Zaun die Zahl der Migranten in ihren Ländern viel höher wäre.
Nur um den Zuhörern ein Gefühl über den Ernst der Lage zu vermitteln: Bis Oktober dieses Jahres wurden 92.000 illegale Grenzübertritte verhindert; das ist also die Zahl der Menschen, die versuchten, ohne Genehmigung oder Papiere nach Ungarn einzureisen. Vor einem Jahr waren es noch etwas mehr als zwanzigtausend, der Migrationsdruck hat sich also verdreifacht bis vervierfacht. Natürlich wollen die meisten von ihnen nicht nach Ungarn kommen, aber wenn man sie nicht einreisen lässt, wenn sie nach Ungarn kommen und nicht nach Österreich und Deutschland einreisen dürfen, sitzen sie hier fest. Das wollen wir aber nicht, also lassen wir sie lieber nicht rein. Und seit 2015 trage ich einen weiteren Kampf mit den Brüsseler Bürokraten aus. Die ungarische Position ist klar: Wir schützen nicht nur die ungarische Grenze, sondern auch die europäische Außengrenze. Wir schützen auch die Deutschen und die Österreicher.
Wir haben also einen berechtigten Anspruch darauf, dass uns zumindest ein Teil der Kosten erstattet wird. Wir haben bisher etwas mehr als fünfhundert Milliarden Forint für die Verteidigung ausgegeben. Wir nehmen an, dass der Betrag, den wir zu Beginn des nächsten Jahres jetzt an die Kinder erziehenden Familien in Form von Steuer-Rückerstattungen für die von ihnen gezahlten Steuern zurückzahlen werden, bei etwa 600 Milliarden Forint liegen wird. Das ist von der Größenordnung her ungefähr der gleiche Betrag, den wir bisher für den Grenzschutz ausgegeben haben. So viel ungarischer Forint hätte in den Taschen der Familien seinen Platz, aber im Interesse unserer Sicherheit und der Sicherheit Europas geben wir es für den Grenzschutz aus. Ich denke, es ist eine faire und vernünftige Forderung unsererseits, dass zumindest ein Teil davon bezahlt wird. Ich habe sechs Jahre lang dafür gekämpft, wir haben noch nicht gewonnen, ich habe diesen Kampf nicht gewonnen, aber ich bin viel näher dran als je zuvor. Ich brauche noch etwas mehr Ausdauer, noch ein paar Monate, und ich denke, sie werden zahlen, denn es ist richtig und fair, dass sie zahlen sollten.
Sie kennen natürlich die Zahlen in Brüssel, denn auch Frontex hat Zahlen, und sie sehen, dass an dieser Grenze dreimal mehr illegale Einwanderer versucht haben, in die Europäische Union einzureisen wie vor einem Jahr. Trotzdem sagt die schwedische EU-Kommissarin Ylva Johansson, dass wir die Pandemie nicht erfolgreich hätten bekämpfen können, wenn es keine Migration gegeben hätte, wie gut ist es also, dass es eine Migration gibt. Wenn eine EU-Kommissarin auf einer internationalen Konferenz eine solche Erklärung abgibt, worauf können wir dann vertrauen? Wann werden sie erkennen, dass sie sich irren?
Zunächst einmal ist festzustellen, dass logisches Denken keine Voraussetzung für die Tätigkeit eines Kommissionsmitglieds in Brüssel ist. Offensichtlich schleppen Migranten, insbesondere illegale, Infektionen ein, all diese Varianten kommen also so ins Land. Der Zusammenhang zwischen Migration und Epidemien besteht also nicht darin, dass die Migration zur Eindämmung der Epidemie beiträgt, sondern umgekehrt: Die Migration verursacht, beschleunigt und verstärkt die Epidemie. Wir streiten mit Brüssel nicht, weil sie die Zahlen, die wir sehen, nicht sehen, sondern weil sie glauben, dass in dieser Form alles gut ist. Sie halten Migration also für eine gute Sache. Der Chef der Brüsseler Bürokratie hat gesagt, dass es gut ist, wenn mehr Migranten kommen, dass Migration gut ist, dass unsere Gesellschaften Migration brauchen. Sie glauben also, dass das, was wir an unseren südlichen Grenzen bekämpfen, nichts Schlechtes ist, sondern etwas Gutes, und sie betrachten uns als schlecht, weil sie glauben, dass wir etwas Gutes verhindern. Darauf sagen wir: Weißt du was, wenn all das gut für dich ist, dann nimm sie. Wir sind also bereit, einen Korridor zu öffnen, und wer ihn braucht, kann bis nach Österreich, Deutschland und Schweden marschieren.
Und diese Idee gefällt Ihnen nicht?
Wenn sie es wollen, dann tun sie es, aber erwarten sie nicht, es gut zu finden, während wir es schlecht finden, und uns dann ihre eigene Meinung aufzuzwingen. Das ungarische Volk muss entscheiden, was für Ungarn gut ist. Es ist Sache des ungarischen Volkes zu entscheiden, wer das Land betreten kann und dann wird das ungarische Volk entscheiden, mit wem wir zusammenleben wollen, nicht ein schwedischer Bürokrat oder ein Brüsseler Bürokrat weiß Gott welcher Nationalität. Das ist die Essenz dieser Schlacht. Und diese Schlacht ist bei uns, und sie wird uns noch jahrelang begleiten, denn wir leben in einem Zeitalter der Epidemien und der Migration und das wird uns noch jahrelang begleiten. Ich wünsche mir für unser Land, dass wir immer eine Regierung haben werden, die in dieser Frage keinen Millimeter nachgibt und die ungarischen nationalen Interessen gegenüber den Brüsseler Bürokraten immer durchsetzt. „