Search

Der Sport ist ein Erziehungsinstrument ersten Ranges

6. Januar 2024 Viktor Orbáns Interview in der Tageszeitung „Nemzeti Sport

Die ungarische Regierung ist nicht sportvernarrt, sondern kindervernarrt.“ Viktor Orbán, der ungarische Ministerpräsident, gab Nemzeti Sport Ende des Jahres über die Lage des ungarischen Sports ein Exklusivinterview, das zeitlich und inhaltlich auch weiterblickt.

V.O. Das ganze Landbewegt sich gemeinsam in eine bestimmte Richtung. Wir bewegen uns nach oben. Ich spreche nicht nur von der ungarischen Wirtschaft, sondern auch von der Kultur, der Kunst und der Wissenschaft, denn wir haben ja doch zwei neue Nobelpreisträger, worüber man sagen könnte, dies sei trotz des ungarischen Systems geschehen, aber das wäre schon vollkommen absurd.

Sie erwarten mehr vom Leben. Sie sagen nicht, dass es gut ist, wenn es nicht schlechter wird, sondern sie sagen, dass sie mehr wollen, dass sie vorankommen wollen. Sie finden eine Berufung im Leben für sich. Dies ist mit einer Art geistiger Erhabenheit verbunden. Der Wunsch nach einem höheren Leben ist in Ungarn aufgetaucht. Im persönlichen Leben der meisten Menschen und auch in kleinen Gemeinschaften.

  • Aber um das Sportjahr zusammenzufassen, gibt es viel zu erzählen, angefangen von den Leichtathletik-Weltmeisterschaften, die in Ungarn ausgetragen wurden, bis hin zu den neun Weltmeistertiteln in den olympischen Disziplinen, von den Goldmedaillen im Ringen und Fechten bis zu den Erfolgen im Polo und Segeln. Um Sie aus einem anderen Zusammenhang zu zitieren: Wir stehen ziemlich gut da.

V.O. Unsere einhundertvierundachtzig olympischen Goldmedaillen sind kein Zufall: Der Sport und die Ungarn passen von ihrem Charakter her gut zusammen. Der ungarische Sport sollte wieder dorthin zurückkehren, wo er früher war, d. h. zu hundert Prozent seiner Leistungsfähigkeit.

Es ist unmöglich, die Kontinuität mit dem ungarischen Sportleben vor dem Kommunismus wiederherzustellen, zu viel Zeit ist vergangen. Die Bedingungen waren in den letzten Jahrzehnten schwierig. Wir versuchen in wenigen Jahren etwa dreißig Jahre der Vernachlässigung aufzuholen, ganz zu schweigen von dem deformierten Sportleben, das wir im Sozialismus hatten. Diese dreißig Jahre waren sehr schwierig, eine Zeit, in der die Sportvereine nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Großindustrie alleine und ohne Geld dastanden, in der im Übrigen unsere Sportler und Trainer versuchten, ihr Bestes zu geben, und zwar auf eine Art und Weise, die jeden Respekt verdiente – und dabei kam ihnen ein Tsunami entgegen. Aber lassen wir das jetzt endlich beiseite und peilen wir lieber die Spitze des Berges an!

Wir müssen alles auf eine modernere Art und Weise neu aufbauen, und die treibende Kraft, der Treibstoff dafür ist die besondere Affinität der Ungarn zum Sport. Immerhin haben wir in zwei Endspielen von Fußballweltmeisterschaften gespielt, und

In diesem Zeitalter der Uniformität und des Materialismus gibt es nur noch sehr wenige positive, erhebende und schöne Dinge, aber genau das ist der Sport, und deshalb ist er es wert, gerettet zu werden. Außerdem ist der Sport mit dem Problem der Eltern, mit der Frage der Erziehung verbunden. Es war schon nicht leicht, uns zu erziehen, aber heute ist es für die Eltern noch schwieriger. Im Vergleich zu unserer Kindheit gibt es heute viel mehr Möglichkeiten, aber auch damit zusammenhängend viel mehr Bedrohungen und Gefahren. Die Eltern sind in der Klemme, wie sie ihre Kinder zu den anständigen Menschen erziehen sollen, die sie sich wünschen, und der Sport hilft ihnen dabei.

Es lohnt sich, die Sportförderung stärker als Mittel zur Unterstützung der Eltern bei der Erziehung ihrer Kinder zu betrachten. Denn wenn ein Kind Sport treibt, muss es erst einmal an den richtigen Ort kommen, wo ein Trainer auf es wartet, der ihm nach klaren Regeln vorgesetzt ist. Er ist der Meister, der dir sagt, was du tun sollst, was du umsetzen musst, wenn du einen Mannschaftssport betreibst, musst du mit deinen Mannschaftskameraden zusammenarbeiten, du musst in einer Umkleidekabine sitzen. Man interagiert nicht online mit anderen Menschen, man interagiert physisch mit ihnen, das ist heutzutage ein Wert an sich. Dann muss man auf dem Spielfeld Leistung bringen, man muss sich zusammenreißen, vor allem in der Vorsaison, und man muss am Wochenende für die Mannschaft sterben. Das sind alles Dinge, die man außerhalb des Sports nur selten erlebt. Und das ist etwas, was unsere Kinder nirgendwo anders sehen.

wenn man das so nennen kann. Sogar die Kunsterziehung kann in einem Atemzug mit der charakterbildenden Kraft des Sports genannt werden, aber letzterer erreicht eine viel größere Welt. Und, was am wichtigsten ist, er ist von unten nach oben offen, so dass auch Kinder aus den schwierigsten Verhältnissen einen Platz im Sport finden. Und wenn wir dies gut mit der schulischen Ausbildung verbinden könnten, könnten wir den Eltern wirklich helfen. Unsere Stars, unsere Weltmeister und unsere Olympiasieger sind wichtig. Sie sind unser bestes Selbst. Wenn jemand ganz oben auf dem Siegertreppchen steht, haben wir das Gefühl, dass wir durch unseren Botschafter dabei sind und er uns Ungarn in der Welt vertritt. Aber noch wichtiger ist es, dass unsere Kinder Idole und Vorbilder haben. Deshalb bereue ich nicht einmal die riesigen Geldsummen, die für nervtötend überbewertete Fußballstars ausgegeben werden, denn sie sind es, die unsere Kinder mit ihrem Charme in die Umkleidekabine bringen. Das ist jeden Pfennig wert.

  • Die intensive und groß angelegte Entwicklung des Sports im letzten Jahrzehnt ist in Umfang und in ihrer Bewusstheit nur mit dem Aufbau nach dem Trianon vor hundert Jahren vergleichbar. Die Anstrengungen von damals zahlten sich in zwei dritten Plätzen im olympischen Medaillenspiegel und Silbermedaillen bei der Fußballweltmeisterschaft aus, und der Schwung hielt bis in die 1950er Jahre an. Können wir diese Höhepunkte wieder erreichen?

V.O. Warum sollten wir das nicht können? Wir haben alles dafür getan. Wir haben den Trainern Anerkennung gezollt; das war ja doch nicht angemessen, dass die Trainer, die mit unseren Kindern arbeiteten, dafür einen Hungerlohn erhielten und dabei Weltklasseleistungen erbrachten.

damit sie zu Hause an Wettkämpfen teilnehmen konnten, die ihrer Arbeit würdig waren. Wir haben ein nationales Sportfernsehen geschaffen, das in jedem Haushalt zu sehen ist. Wir haben alles getan, was wir konnten, damit das Engagement der Ungarn für den Sport an die Oberfläche treten konnte. Jetzt warten wir auf die Ergebnisse. Und die kommen auch. Ich verfolge auch den Jugendsport, und auch dort sind große Kräfte am Werk. Ich bin optimistisch, aber es ist auch wichtig, dass wir als Politiker und Verantwortliche für die Wirtschaftspolitik weiterhin solche Leistungen erbringen, die die finanzielle Grundlage für den Sport schaffen. Ohne das geht es nicht, gerade in dieser offenen Welt. Wenn wir die Sportlerinnen und Sportler in Ungarn nicht wertschätzen, werden sie in internationale Gewässer rudern und sich zerstreuen. Die ungarische Wirtschaft muss in Schwung gebracht werden. Das liegt nicht in der Verantwortung der Sportler, sondern in unserer.

  • Neben den großen, langfristigen Zielen stehen auch die Olympischen Spiele in Paris vor der Tür. Zählen Sie schon die möglichen Goldmedaillen?

Vorerst mache ich mir nur Sorgen. Das ist nicht meine Art, aber ich habe so ein beunruhigendes Gefühl. Ich weiß nicht, was die Kajakfahrer können, und ich weiß nicht, was die Schwimmer können. Und doch haben die Leistungen dieser beiden Disziplinen einen entscheidenden Einfluss auf die Zahl unserer olympischen Medaillen. Ich hoffe, dass wir die Nachfolger der Weltklassesportler finden, die bei früheren Olympischen Spielen Goldmedaillen gewonnen haben. Es gibt auch eine Generationendimension in den erfolgreichen Sportarten. Es gibt Sportarten, die lange Zeit gut laufen und dann plötzlich schwächeln. Dann kommen sie wieder zurück. Deshalb kann man nicht von allen Sportarten erwarten, dass sie zur gleichen Zeit Ergebnisse auf Weltniveau bringen. Irgendwo in den Hinterzimmern, in den Trainingsräumen, der Öffentlichkeit des Landes unbekannt, gibt es fanatische Trainer mit einer fantastischen Entschlossenheit, die aus dem Nichts immer weitere neue Schüler hervorzaubern.

Deshalb ist es auch gut, Ungar zu sein. Jemand kommt von unerwarteter Seite, aus dem tiefsten Inneren Ungarns, ohne jedes Vorspiel, und wird vor unseren Augen zum Besten der Welt. Auch unsere beiden neuen Nobelpreisträger sind ein gutes Beispiel dafür.

  • Aber die Veranstaltung der Olympischen Spiele im nächsten Jahr ist es leider nicht. Nachdem wir die Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Pest gesehen haben und davor die Tatsache, dass Paris nicht einmal ein Champions-League-Finale ordnungsgemäß ausrichten kann, schmerzt es da nicht noch mehr, dass nicht wir in diesem Sommer die Spiele ausrichten werden?

V.O. Ich habe auch ein schlechtes Gefühl. Es tut weh, wenn wir wissen, dass wir zu etwas fähig wären und es trotzdem nicht tun. Gleichzeitig müssen wir aber auch akzeptieren, dass die Nation sich gemeinsam bewegen muss. Es gibt immer Menschen, Gruppen von Menschen, die so in der Nation sind wie das unglückliche Schicksal im Text der Nationalhymne. Das ist leider unvermeidlich. Das größere Problem war, dass Ungarn in diesem Fall nicht immun genug gegen sie war. Man hat sie nicht in die Hölle gewünscht, und man hat sie auch nicht in wärmere Gefilde geschickt, aber

Das mussten wir zur Kenntnis nehmen, und deshalb haben wir nicht mitgemacht, und ich habe auch nicht mitgemacht in diesem Kampf. So kann man Olympische Spiele nicht organisieren. Die Olympischen Spiele können nur dann organisiert werden, wenn die große Mehrheit der Menschen das Gefühl hat, dass der Moment gekommen ist.

Und jetzt machen die Gegner fröhlich Fotos beim Spiel der Nationalmannschaft in dem Stadion, dessen Bau sie die ganze Zeit abgelehnt haben.

Die Dinge haben sich inzwischen geändert. Alle wichtigen Einrichtungen, die für die Olympischen Spiele benötigt werden, sind fertiggestellt worden. Auch das olympische Dorf ist kein Hindernis, wir bauen Wohnheime im großen Stil; die Stadt wird sie unabhängig von den Olympischen Spielen brauchen. Es ist der Moment gekommen, in dem sich Budapest ohne die Olympischen Spiele wohl kaum noch in großem Umfang entwickeln kann.

Wenn das nicht der Fall ist, können wir nur ein minimales Voranschreiten erwarten. In den letzten zehn bis dreizehn Jahren wurde die gesamte Entwicklung in Budapest vom Staat durchgeführt. Die staatliche Entwicklung hat die Hauptstadt wieder auf die Weltkarte gebracht. Manchmal – erinnern wir uns nur an die Leichtathletik-Weltmeisterschaften – im Gegenwind der Hauptstadt. Wenn die Stadt die nächste Stufe erreichen will, können die staatlichen Mittel nur dann gezahlt werden, wenn es ein großes Ziel gibt. Die Regierung will Budapest nicht dazu drängen, eine Olympiade auszurichten, denn auch die Stadt muss zu dieser Idee heranreifen. Ich denke, das Schicksal schuldet den Ungarn eine Olympiade in Budapest. Die Frage ist, ob die Budapester diese Schuld eintreiben wollen.

  • Was erwarten Sie von der Sportdiplomatie? Erwarten wir nach dem Internationalen Judoverband und der World Aquatics weitere große Sportorganisationen in Budapest?

Wir haben überall Sportdiplomaten, die in der Lage sind, große Ereignisse nach Budapest zu holen. Ungarn ist jetzt im Internationalen Olympischen Komitee stark vertreten, auch in der olympischen Bewegung. Die Welt ist in Au

Es wäre eine Torheit, dies nicht auszunutzen.

  • Wenn es irgendwo noch Reserven für den ungarischen Sport gibt, dann gibt es im Schulsport auch nach der Einführung des täglichen Sportunterrichts noch viel Luft nach oben. Können wir hier Fortschritte erwarten?

Das ist ein verwunschenes Schloss und wir haben den Schlüssel dafür noch nicht gefunden. In Ungarn wird Sport hauptsächlich in Vereinen betrieben, und die Verknüpfung von Schulsport und Vereinen war schon in meiner Kindheit ein Problem. Gábor Balogh, unser Olympia-Silbermedaillengewinner, hat an der Spitze des Schülersportverbandes einen vielversprechenden Job gemacht. Jetzt ist er wieder vom Fünfkampf abgeworben worden, aber ich hoffe, dass er die Arbeit, die er mit der Regierung begonnen hat, fortsetzen wird.

  • Wie zufrieden sind Sie mit der erneuerten staatlichen Sportführung?

Das Interview wurde von György Szőllősi am 22. Dezember 2023 für Nemzeti Sport geführt.

A TELJES INTERJÚ MAGYARUL: https://www.nemzetisport.hu/egyeb_egyeni/orban-viktor-a-labdarugasunk-talpra-allasaban-egy-pillanatig-sem-ketelkedett-2995129

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert