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Abbrucharbeiten für Abgeordnete

Ákos Hadházy bei der Abbauarbeit vor dem Ministerpräsidentenamt

14. April 2023 Magyar Hírlap von IRÉN RAB

Greta Thunbergs Klimahysterie diente der Vorbereitung der Europawahl 2019. Es war eine Kampagne der Grünen und der gesamten Linken, ein gut durchdachtes Thema, das überall in der entwickelten Welt Alt und Jung, Arm und Reich ansprechen konnte, scheinbar selbst ohne politisch zu sein. Damals, an einem Freitagnachmittag, ging ich hin, um zu sehen, wie die ungarische Version von Friday for Future verlief. Vor dem Parlament hatten sich gerade genug Aktivisten eingefunden, um ein Spruchband aufzuspannen. Einige ungarische Oppositionspolitiker standen da, ein Mann offensichtlich aus Brüssel, begleitet von den Medien. Der grüne Brüsseler hätte sich gerne mit einem ungarischen Demonstranten unterhalten, aber das war schwierig, weil sich jemand für ihn in die Reihe der Spruchbandträger stellen musste. Und mehr Leute waren einfach nicht da.

Ich erinnere mich an diesen Vorfall, weil meiner Erfahrung nach bei uns Politiker und Abgeordnete die Arbeit machen, die anderswo gewöhnlich von dafür ausgebildeten Aktivisten erledigt wird.

Zum Beispiel den Abbau der Absperrungen vor dem Ministerpräsidentenamt. Die Open Society hätte gerade keine Zeit, die Partei hätte keine Mitglieder, oder der Nachrichtenwert der Aktion ist einfach größer, wenn sich der „Korruptionsermittler“ Ákos Hadházy, unabhängiger Abgeordnete (d.h. aus fast allen Parteien bereits ausgetreten ist) im Staub wälzt. Es muss gut aussehen da drüben, der Westen kann beruhigt entsetzt sein. Wie geht wohl die schreckliche Orbán-Diktatur mit dem einfachen Bürger um, wenn nicht mal ein Abgeordneter durch das Gesetz geschützt ist!

Wie üblich wird der selbsternannte Korruptionsermittler Ákos Hadházy dies nächste Woche in den Berichten des deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehens über Ungarn verbreiten, während die Kamera auf das Blut fokussiert ist, das über sein Gesicht rinnt?

Das aktuelle Transparent der Oppositionsabgeordneten brauchte nicht mal gehalten zu werden, es wurde geschickt über das Tor des Karmeliterklosters (Ministerpräsidentenamt) gespannt.Wir fordern die Abschaffung des Notrechts und der Regierung per Dekret, die Wiederherstellung der Rolle der Volksvertretung bei der Kontrolle der Regierung!“, verkündete das Transparent – während die Abgeordneten der Momentum-Partei begleitet vom unabhängigen Hadházy, dem Gaststar begannen, die Absperrungen vor dem Ministerpräsidentenamt abzubauen. Danach setzten sich alle auf den kalten Boden, um die verkündete Kontrollfunktion an Ort und Stelle anzufangen.

Wie die Märzjugend 1848 wollten sie ihre eigenen Forderungen in 12 Punkte fassen, aber wie sehr sie sich bemühten, kamen sie nur auf sieben. Ich habe das alles zufällig auf der FB-Seite des Roma- und Landwirtschaftsexperten der Partei Momentum erfahren. Bis jetzt wusste ich nicht einmal, dass ein Herr Lajos Lőcsei existiert. 

Die Forderungen von Momentum sind zum Schmunzeln.

Ich würde Herrn Lőcsei bzw. seine Parteikollegen auf eine Studienreise nach Berlin schicken, damit er sieht, wie es in der freien Welt zugeht. Sie könnten im Bundestag sitzen und den dortigen Gesetzgebungsprozessen zuhören. Vielleicht würden sie dann nicht so einen Unsinn über Sonderrechte und Autoritarismus predigen.

Freilich müsste Herr Lőcsei etwas Deutsch können, nicht auf dem Guten-Tag-Niveau, das er mit seinen vierzig Jahren im Fremdsprachenunterricht gerade erreichen konnte.

Die Partei der Jugend, die Momentum fordert faire und freie Wahlen mit Verhältniswahlrecht. Ich weiß nicht, was das in ihrem Sprachgebrauch bedeutet, denn die Wahlen in Ungarn von 2022 wurden durch tausend ausländische Beobachter und Mitglieder der Oppositionsausschüsse in jedem einzelnen Wahlbezirk überwacht, und es wurden keine Unregelmäßigkeiten festgestellt.

Ich weiß nicht einmal, was sie mit Verhältniswahlrecht meinen, denn sie würden mit dem deutschen Wahlrecht in seiner zugestimmten Form wahrscheinlich nicht einmal ins Parlament kommen. Das neue Gesetz dort verbietet Wahlbündnisse, und Einzelmandate zählen nur, wenn die Partei die Fünf-Prozent-Hürde erreicht hat usw. Oppositionsbündnisse, gemeinsame Listen sind in den Augen der neuen Deutschen allesamt illegal.

Egal, wie viele Dollars oder Euros auch fließen, kleine Parteien würden nach dem neuen deutschen Modell aus dem Parlament fliegen, ohne auch nur die Schwelle zu berühren. Ich denke hier an die Parteien Párbeszéd, LMP, MSZP, Jobbik, Mindenki Magyarországa und, nun ja, das ist wahrscheinlich das Schicksal, das auch diese lila Partei (Momentum) erwarten würde.

Und sie spielen hier Fraktionsbildung und veranstalten Aktionen, fordern den – nach ihrer Meinung nicht vorhandenen – Rechtsstaat und das Ende des Regierens mit Dekreten.

Zur Information der uninformierten Jugend: Während der Covid-Pandemie haben die meisten europäischen Länder das Notstandsrecht eingeführt (wenn auch ohne die breite Publizität, wie bei uns üblich), das sie berechtigt, per Dekret zu regieren. Seitdem wurde es von Zeit zu Zeit erneuert, jetzt gerade aus Gründen des Krieges. Es ermöglicht das Regieren per Dekret, aber es wird nicht genutzt, wenn es nicht sein muss. Die Momentum fordert jetzt das Ende des Regierens mit Dekreten. Soweit ich weiß, erlässt unser Parlament ständig Gesetze, aber vielleicht kennt Momentum den Unterschied zwischen einem Gesetz und einem Dekret nicht.

In ihrem fünften Punkt geht es um die Wiederherstellung des Streikrechts. Im Vergleich zu anderen Ländern gibt es bei uns wirklich nur sehr wenige Streiks. Vielleicht, weil wir ideologisch noch nicht weit genug entwickelt sind, aber niemand hat den Arbeitnehmern das Streikrecht weggenommen. Es liegt an ihnen und ihren Interessenverbänden, die Arbeit niederzulegen und auf die Straße zu gehen. Wenn sie es nicht tun, ist das ihre Entscheidung. Anders, als zum Beispiel in Deutschland, wo Beamte – einschließlich Lehrer – nicht streiken dürfen. Die Erhöhung der Besoldung des gesamten öffentlichen Dienstes ist eine schöne Forderung, aber sie sollten wissen, dass die Angleichung bereits begonnen hat.

Leider können selbst ein qualifizierter Lehrer nicht die gleiche Gehaltserhöhung bekommen wie z.B. ein unqualifizierter Abgeordneter.

Und ich würde gerne sehen – obwohl lieber nicht! – wovon die jetzige Opposition die Gehälter der Lehrer bezahlen würde.

Ich möchte nicht auf all diese Punkte eingehen, aber ich möchte einen weiteren unbedingt hervorheben, nämlich die unendliche Geschichte der angeblich fehlenden Pressefreiheit. Nur weil es oft erwähnt wird, ist es noch lange nicht richtig. Wenn die Regierungsgegner in der Welt der Pressefreiheit, im Westen versuchten zu schreiben und zu sagen, was sie denken, würde man ihnen kein Forum geben, man würde ihre oppositionellen Zeitungen aus Verfassungsschutzgründen verbieten, man würde ihnen die Frequenz nehmen, man würde sie unmöglich machen, aus der Bundespressekonferenz werfen, ich könnte zahllose deutsche Beispiele aufzählen. Wer nicht im Gleichschritt marschiert, bekommt keine Auftrittsmöglichkeit, kein Mikrofon usw.

Neu ist, dass

der Staat auf Vorschlag des grün- früher rot – gefärbten deutschen Wirtschaftsministeriums privat betriebene Zeitungen, Verlage und Anzeigenblätter mit Hunderte Millionen von Euro pro Jahr subventionieren soll. Damit würde die Bundesregierung zum Hauptmäzen der Medien.

Neben den öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern würde der Staat auch die Printmedien finanzieren. Und wir alle kennen das alte Sprichwort: „Wer zahlt, bestimmt die Musik“. In diesem Fall sind das die Medieninhalte.

Die Abgeordneten, welche die Absperrungen (hier gerade Bauzäune) abreißen, befinden sich in einem ernsten Rollenkonflikt, denn sie wurden nicht gewählt, um Straßenkämpfer zu sein. Sie sollen diese Aufgabe ihren Wählern überlassen! Wenn ich allerdings solch einen zusammengebastelten Text lese und höre, bin ich entsetzt über seine (mangelnde) Qualität. Ich frage mich, welche inhaltliche Arbeit diese Abgeordneten zur Gesetzgebung beitragen könnten.

Wie kommt es, dass das passive Wahlrecht keinerlei Bedingungen in Bezug auf Bildung, Sprachkenntnisse, Berufserfahrung oder überhaupt Erfahrung enthält?

Das ist übrigens das, was jeder Arbeitgeber von seinen Mitarbeitern verlangt. Auch Abbrucharbeiten dürfen nur von erfahrenen und fachlich geeigneten Personen ausgeführt werden.

Was wir brauchen, sind keine Worthülsen, unerfüllbare Versprechen und geschönte Lebensläufe, die die Wähler in die Irre führen. Von Abgeordneten, die für die Geschicke des Landes verantwortlich sind, würde man etwas anderes erwarten.

Autorin, Dr. phil Irén Rab ist Kulturhistorikerin

Deutsche Übersetzung: Dr. Andrea Martin

MAGYARUL: https://www.magyarhirlap.hu/velemeny/20230413-kordonbontas-1-2-3

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