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Sprachtabus in der Pandemie

Bild: Ministerium für Soziales und Integration Baden Württenbergs

7. März 2021, Magyar Hírlap von IRÉN RAB

Gemäss der zwischen November und Januar aufgezeichneten Daten von Thomas Voshaar, einem der besten Lungenspezialisten Deutschlands,

verstehen neunzig Prozent der intubierten Patienten milde ausgedrückt überhaupt kein Deutsch.

Es gibt eine Kommunikationsbarriere für die Aufklärung,

sagt der Chefarzt, sie bekommen die Nachrichten und die Modalitäten der anti-epidemischen Maßnahmen nicht mit. Sie wissen nichts über die vorgeschriebenen Verhaltens- und Schutzregeln, ihre Kultur ist mit dem Distanzhalten nicht vertraut, ihre Frauen tragen nur die von ihrer Religion vorgeschriebenen Gesichtsmasken auf der Straße. Sie lieben die Gemeinschaft, gehen in die Moschee, und leben zu Hause mit vielen Menschen unter einem Dach.

Dr. Voshaar ist Spezialist an der Lungenklinik Moers. Im Raum Essen-Duisburg hat ein Drittel der Bevölkerung Migrationshintergrund, allerdings sind in dieser Statistik auch die Osteuropäer einbezogen. Seien wir ehrlich, auch sie haben dort wenig oder keine Sprachkenntnisse. (Mein ungarischer Freund aus Nürnberg hat mir gesagt, dass es in der ersten Klasse seines Kindes insgesamt drei Deutsche gibt, sein Kind zähle auch dazu, weil es die Sprache gut beherrsche.)

Mitte Februar nahm der Herr Oberarzt an einer Online-Konferenz mit anderen beteiligten Chefärzten und dem Direktor des Robert Koch Instituts, Deutschlands Virologe Nummer eins, teil. Das erwähnte Sprachproblem stand auch auf der Tagesordnung, und das Gremium beschloss, darüber den zuständigen politischen Entscheidungsträgern zu berichten. Dr. Voshaar wandte sich direkt an den Gesundheitsminister, welcher jedoch die Informationen nicht ans Kanzleramt weitergab.

Daher stand auf dem Coronavirus-Gipfel am Mittwoch, an dem alle Ministerpräsidenten und Kanzlerin Merkel zentrale epidemiologische Maßnahmen zu beschließen pflegen, das Sprachproblem der Patienten nicht auf der Tagesordnung. Beim Erlassen der Einschränkungen berücksichtigten sie auch das bevorstehende Zuckerfest nicht, welches für Muslime etwa genau so wichtig ist, wie Weihnachten für die Christen. Sie reisen kreuz und quer durchs ganze Land, um zusammen mit der Familie feiern zu können.

Der Chefvirologe, Professor Wieler, sagt, dass

das Problem zwar real sei, das Thema allerdings immer noch als Tabu gelte.

Zumindest erwartete die Politik, dass man das als Tabu behandle. Sie können auch keine Aufklärungsarbeit leisten, weil es keinen Zugang in diese Parallelgesellschaft gäbe. Die Welt der Moscheen sei geschlossen, und ein Ungläubiger dürfe höchstens mit Erlaubnis des Imams hinein. Wieler formulierte vorsichtig, er will ja nicht, dass das Gesagte von der Presse aufgegriffen und als Tatsachenbehauptung behandelt wird, da es sich nur um ein einfaches Gespräch, um einen formlosen Informationsaustausch zwischen Fachleuten handelte.

Laut einer offiziellen Erklärung gibt es keinen Zusammenhang zwischen Infektionszahl und Migrationshintergrund. Das Thema wird deswegen als Tabu behandelt, weil

die Bundesregierung das Aufkommen von rassistisch motivierten Diskussionen befürchtet.

Auf jeden Fall haben sich unsere Sprachkenntnisse um ein neues Wort erweitert: Kommunikationsbarriere. Ich hoffe, dass dieses in Deutschland zum Wort des Jahres 2021 gekürt wird, denn es beschreibt sehr genau das Phänomen, mit dem Deutschland zu kämpfen hat: Migration, Integration, Epidemie, wirtschaftlicher Abschwung. Es gibt eine Reihe von Problemen, die um Himmels willen nicht genannt werden dürfen, denn solange man nicht darüber spricht, gibt es sie auch nicht.

Wenn dieses Problem dann doch auftaucht, wird die Aufmerksamkeit sofort geschickt umgelenkt, dafür gibt es den ewigen Sündenbock Ungarn, und natürlich die rechte Opposition im Bundestag. Viktor Orbáns „umstrittene“ Partei wurde gerade aus der EVP-Fraktion hinausgedrängt und man will sie auch aus der Europäischen Volkspartei ausschliessen, damit allen gezeigt werden kann, dass es dort keinen Platz für radikale rechte Ideen gibt. Innenpolitisch wurde die mächtigste Oppositionspartei des Bundestages, und nicht nur die Fraktion, sondern die gesamte AfD, als verdächtig eingestuft und unter Geheimdienstaufsicht, pardon Verfassungschutzaufsicht, gestellt.

Ach so, es stehen bald Wahlen an, und auf diese Art und Weise wird eine Regierungspartei in einem mustergültigen Rechtsstaat ihre politischen Gegner los.

Übersetzt von Dr. Andrea Martin

Die Autorin, Dr. phil. Irén Rab ist Kulturhistorikerin

5 Kommentare

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