3. November 2023 TV-Berlin Sendung Politicum, Ausschnitt aus dem Interview mit Gerhard Papke
- Wir erleben in Europa jetzt den Beginn einer sehr kritischen Diskussion zum Thema Migration, bedingt auch durch die Geschehnisse in Israel, die Furchterregenden. Haben sie das Gefühl, dass Viktor Orbán jetzt etwas mehr Respekt für seine Entscheidung zu einer restriktiven Asylpolitik zuteilt wird? Oder haben Sie das Gefühl, dass man das weiterhin in Europa und auch von deutscher Seite her ausblendet? Was ist ihr momentaner Eindruck?
Ungarn hätte diesen Respekt und die Anerkennung verdient, denn jetzt zeigt sich doch, dass die Ungarn mit Viktor Orban an der Spitze mit ihrer restriktiven Haltung gegenüber der Massenmigration nach Europa schlichtweg recht hatten. Ich war unmittelbar nach diesen schrecklichen Terrorüberfall der Hamas auf Israel in Budapest. Und ich bin dort ganz bewusst sehr aufmerksam durch das jüdische Viertel der Stadt gegangen, wo ja immerhin die zweitgrößte Synagoge der Welt steht, die größte in Europa. In Budapest gibt es jüdisches Leben, ganz normal mitten in der Stadt, wie wir das in Deutschland überhaupt nicht mehr kennen. Jüdische Geschäfte, auch orthodoxe Juden, die sich zeigen, die mit zum Stadtbild gehören, die das Stadtbild prägen,
und dort gibt es keine Israel-Hasser auf den Straßen, die Menschen dort leben sicher, sie müssen keine Brandanschläge auf Synagogen wie in Berlin befürchten.
Es gibt keine antisemitischen Großdemonstrationen wie in Paris, keine Attentate wie unlängst in Brüssel, weil die Ungarn darauf geachtet haben, dass solche Antisemiten nicht in ihr Land einreisen dürfen. Und ich erlebe, dass Ungarn für mehr und mehr Deutsche zu einer Art Sehnsuchtsort wird. Ich bekomme unglaublich viele Anfragen, auch von Menschen, die Ungarn noch nicht so gut kennen, die aber das Gefühl haben, dass Ungarn so ist, wie Deutschland einmal war. Und ich kann das nur bestätigen. Das hängt ganz wesentlich damit zusammen, dass die Ungarn immer gesagt haben, wir wollen Menschen in Not helfen, wir sind aber nicht bereit, hunderttausende junge Männer aus islamisch geprägten Gesellschaften in unser Land zu lassen, die dann das veranstalten, was wir momentan etwa in Berlin-Neukölln beobachten müssen.
- In puncto der Migrationspolitik war für Ungarn im Europaparlament Polen immer ein wichtiger Partner. Jetzt sind die Wahlergebnisse in Polen anders ausgefallen, als Viktor Orban das wahrscheinlich erhofft hatte. Gehen Sie davon aus, dass es nun schwieriger werden wird für die Ungarn, ihren restriktiven migrationspolitischen Kurs aufrechtzuerhalten, wenn es jetzt in Polen eine nicht mehr konservative Regierung geben wird?
Also ich glaube, man sollte da die Standhaftigkeit der Ungarn und ihres Regierungschefs nicht unterschätzen. Zumal wir eben jetzt in ganz Europa sehen, dass die Ungarn recht hatten.
Die Ungarn hatten einfach recht und ihre Botschaft, wir müssen unsere Grenzen verteidigen, wir müssen wissen, wer nach Europa kommt, die sollte jeder nachvollziehen können.
Also ich hoffe, dass jetzt doch die Einsicht der Westeuropäer wächst, dass wir den Ungarn zuhören sollten und ihre Vorstellung einer hilfsbereiten, aber restriktiven Zuwanderungspolitik umsetzen sollten, auch wenn die Polen als Verbündete jetzt möglicherweise nicht mehr so an der Seite Ungarn stehen, wie in den letzten Jahren.
Ich war immer der Überzeugung, dass wir froh sein können, dass die Ungarn als Kulturvolk aus der Mitte Europas die Werte Europas so tapfer verteidigen, wie sie das machen. Und das kann jetzt jeder sehen und ich hoffe, dass wir deshalb aus Deutschland, aus Westeuropa, eine andere, stärkere Unterstützung für die ungarische Politik erleben, als es in den letzten Jahren der Fall war.
- Der Kampf für die Selbstständigkeit und Freiheit wurde auch in dieser Woche in Ungarn gefeiert, da gab es den Nationalfeiertag, in Erinnerung an den Beginn des Volksaufstands gegen die Kommunisten 1956. Haben sie den Eindruck, dass die Ungarn durch diese jüngere historische Erinnerungskultur, die auch sehr stark aufrechterhalten wird, wird auch ein Vorbild für Europa ? Sind wir vielleicht in Deutschland zu satt und selbstzufrieden und glauben, dass wir uns für Freiheit und Selbstständigkeit gar nicht mehr anstrengen müssen, dass das quasi ein Faktum, etwas Gegebenes ist?
Da ist sicherlich etwas dran. Die Ungarn sind überzeugte Europäer. Die politische Linke in Brüssel, aber auch in Deutschland versucht ja häufig, die Ungarn und die ungarische Politik zu diffamieren, auch mit dem Hinweis, dass sie keine Freunde Europas wären. Das ist blanker Unsinn. Man kann die Ungarn überhaupt nicht verstehen, wenn man nicht weiß, dass sie sich bei ihrer Staatsgründung vor über 1000 Jahren zu Europa hingewandt haben, zum Christentum, zu den Werten Europas bekannt haben, und diese Werte verteidigen die Ungarn bis heute. Sie sind Pro-Europäer, aber sie wollen keinen europäischen Superstaat. Sie wollen nicht, dass in Brüssel entschieden wird, wie sie, die Ungarn, ihre Kinder zu erziehen haben. Sie wollen ein Europa selbstbestimmter freier Nationen, und ich glaube, dass das ein Vorbild auch für uns sein sollte.
Auch wir sind überzeugte Europäer, aber
der Weg zu einem Brüsseler Zentralismus, der über die Köpfe der Menschen in Europa hinweg eine bürokratische, linke Politik betreibt, das ist ein Irrweg, das ist eine Gefahr für die Europäische Union, und auch da sollten wir den Ungarn zuhören.
Nicht nur, weil sie ihre eigene Heimat verteidigen, sondern weil sie ein richtiges Gespür dafür haben, wie man die Gemeinsamkeiten der Europäer mit dem Bewahren der eigenen nationalen Traditionen verbinden kann. Das haben sie uns auch voraus. Die Ungarn sind sehr traditionsbewusst, sehr geschichtsbewusst.
In Deutschland hat die politische Linke fatalerweise durchsetzen können, dass wir unsere Geschichte überwiegend verdrängen oder auf die Zeit des NS-Regimes reduzieren, und das ist falsch. Ein Volk, das sich seiner Geschichte mit allen Höhen und Tiefen nicht mehr bewusst ist, sondern diese Geschichte verdrängt, auch die eigene Kultur verdrängt, das hat letztlich keine Zukunft, und deshalb ist es, glaube ich, das Gebot der Stunde, aus Deutschland nach Ungarn zu schauen, von den Ungarn zu lernen, dass wir unsere Kultur nicht nur verteidigen müssen, sondern dass wir uns unserer eigenen Kultur der Deutschen, unserer Sprache, unserer Dichter, unserer Geschichte bewusst sein müssen.
- Ich danke Ihnen sehr herzlich, dass Sie wieder in der Sendung waren, ich glaube, wir haben viele aktuelle spannende Themen streifen können.
Ausschnitt aus dem Interview von TV-Berlin der Hauptstadtsender, Politicum mit Dr. Gerhard Papke – „FDP – mit der Ampel in den Untergang?“ Das vollständige Interview:
Dr. Gerhard Papke ist Präsident der Deutsch-Ungarischen Gesellschaft und der frühere FDP Fraktionschef und Landtagsvizepräsident von Nordrhein-Westfalen