4. April 2022, ATV von GÁBOR GAVRA
Als Fidesz vor vier Jahren die damalige bipolare Opposition besiegte, erklärten die Politiker und Hinterbänkler letzterer, dass die Opposition wegen mangelnder Einigkeit unterlegen sei. Gergely Karácsony, der Grüne-Oberbürgermeister von Budapest verlautbarte noch letzte Woche, dass eine geeinte Opposition Fidesz in 2018 besiegt hätte, und seitdem hätten sich zahlreiche Faktoren zugunsten der Opposition verändert. Am Sonntag stellte sich heraus, dass diese Behauptungen auf einem Irrtum beruhten.
Fidesz hat die Mehrheit in der Gesellschaft gewonnen
Während sich Führer und Hinterbänkler der Linken gegenseitig versicherten, dass sie ihre Hausaufgaben von 2018 gemacht und sich brav zusammengeschlossen haben, scheint es so, dass beim Aufsagen der Einheits-Lektion eine Tatsache ihrer Aufmerksamkeit entging: nämlich, dass Fidesz ihren Zweitstimmenanteil in 2018 im Vergleich zu 2014 deutlich gesteigert hatte.
Nun hat sich der Trend fortgesetzt.
In 2022 wurde klar: es gibt einfach mehr Fidesz-Wähler als Nicht-Fidesz-Wähler im Land. Mehr als 700.000 mehr Fidesz-Wähler als Anhänger der vereinten Sechs-Parteien-Opposition.
Jobbik, MSZP, DK, LMP, Momentum und Párbeszéd erhielten 2018 etwas mehr Zweitstimmen als Fidesz, aber – wie die aktuellen Ergebnisse der Partei „Mi hazánk“ (Unsere Heimat) zeigen – die Basisstimmen der Oppositionsparteien waren 2018 nicht automatisch addierbar. Ein bedeutender, man könnte sagen entscheidender Teil der damals eine Million zählenden Jobbik-Wähler von 2018 hat sich mit Sicherheit vom damaligen Oppositionslager getrennt.
Heute hat die Sechs-Parteien-Opposition 800.000 (ganz genau 987.001, Bemerkung von Ungarnreal) weniger Zweitstimmen erhalten als die Parteien, die 2018 getrennt, nebeneinander angetreten sind. Das ist ein so brutaler Verlust,
dass er nicht so ausgeglichen werden kann, wie es zum Beispiel Péter Jakab versucht, der für die Niederlage der Opposition allein das katastrophale Auftreten von Péter Márki-Zay in der Kampagne verantwortlich macht. Dies erklärt zwar vielleicht die Niederlage der Sechs-Parteien-Opposition gegen Fidesz, aber es erklärt nicht, wohin die 800.000 (!) Oppositionswähler von 2018 verschwunden sind. Und in dieser Hinsicht hat Péter Jakab ebenso viel zu verantworten wie Péter Márki-Zay.
Wohin ist die Jobbik-Basis von 2018 verschwunden?
Die gesellschaftliche (d.h. nicht nur parlamentarische) Mehrheit von Fidesz und der Einzug von Mi Hazánk ins Parlament sind zumindest teilweise auf dieselbe Ursache zurückzuführen: auf die Abspaltung eines wesentlichen Teils des Jobbik-Lagers von der oppositionellen Wählerschaft 2018, die damals mehr als eine Million Wähler zählte.
Es stellte sich nämlich heraus, dass die etwa eine Million Menschen, die 2018 gegen Fidesz, aber für eine rechte Partei (für Jobbik) gestimmt haben, nicht mit ihrem Parteiführer, Péter Jakab in die Linkskoalition gegangen sind.
Während die sechs Parteien, die sich jetzt, 2022 zusammengeschlossen haben, vor vier Jahren noch einen leichten Vorsprung bei den Zweitstimmen gegenüber Fidesz hatten, hat Fidesz sie jetzt um fast zwanzig (!) Prozentpunkte übertroffen.
Totale Niederlage der Opposition auf dem Lande
Während Fidesz die Linke in einigen Budapester Wahlkreisen (ausnahmslos auf der Pester Seite) überraschte und das gesamte Komitat Pest, einschließlich des gesamten Ballungsraums, eroberte, konnte die Opposition nur in einigen Wahlkreisen außerhalb Budapests (in Pécs und Szeged) punkten.
Es ist ganz offensichtlich: Nach 2018 hat Fidesz landesweit weiter an Stärke gewonnen. Darauf deuten auch das Fidesz-Ergebnis von über 50% bei den EP-Wahlen 2019 und das Listenergebnis der Komitate bei den Kommunalwahlen hin, nur wurden diese Ergebnisse von den Teilerfolgen der Opposition in der Hauptstadt und den größeren Kreisstädten überschattet.
Fidesz gewinnt nach einer brutalen Krise
Viktor Orbán und seine Partei haben nach einer schweren Gesundheits– und daraus resultierenden Wirtschaftskrise, inmitten eines Krieges in der Nachbarschaft und der dadurch entstandenen Unsicherheit einen erdrutschartigen Sieg errungen. Das Ausmaß dieses Sieges ist so groß, dass der aktuelle Anteil der Zweitstimmen für Fidesz sogar höher ist als im Jahr 2010, während, wie wir gesehen haben, die kombinierte Unterstützung der Linken und Jobbik sogar im Vergleich zu 2018 eingebrochen ist.
Die Wählerinnen und Wähler scheinen der Meinung zu sein, dass Viktor Orbán die Stürme der letzten Jahre besser überstanden hat, als es seine Gegner an seinem Platz getan hätten.
In jedem anderen Wahlsystem wäre dies ein Erdrutschsieg gewesen
Natürlich wird es Versuche geben, aber lassen Sie uns eines klarstellen: Dieses Ergebnis kann nicht durch irgendeine Art von Wahlbetrug, sei es tatsächlich oder vermeintlich, durch die unzweifelhafte Neigung des Feldes oder durch Briefwahlstimmen erklärt werden.
Im Jahr 2022 wählte Ungarn Viktor Orbán, und dieser Stimmenanteil wäre in jedem Wahlsystem ein Erdrutschsieg für Fidesz gewesen.
Zum ersten Mal seit 2010 erhielt Fidesz bei einer Parlamentswahl mehr Zweitstimmen für die Liste als alle anderen Parteien zusammen, während die sechs Oppositionsparteien zusammen eine noch nie dagewesene Niederlage erlitten.
ATV ist ein „unanhängiges“ Privatfernsehen für die Opposition in Ungarn, gegründet 1989.
Autor, Gábor Gavra ist Chefredakteur von atv.hu
Deutsche Übersetzung : Dr. Andrea Martin
Bildquelle: Index.hu
MAGYARUL: https://www.atv.hu/belfold/20220404/ez-vezetett-az-ellenzek-totalis-osszeomlasahoz-2022-re