23. November 2025 Interview mit Viktor Orbán von Mathias Döpfner
Das politische und staatliche System muss auf Freiheit basieren, und Ungarn hat eine der stabilsten und effizientesten Regierungen in Europa, erklärte Ministerpräsident Viktor Orbán in einem ausführlichen Podcast-Gespräch mit dem Springer-Vorstandsvorsitzenden Mathias Döpfner.
Zum Thema „Europäische Union“
Als wichtigsten europäischen Wert nannte der Ministerpräsident die nationale Souveränität. Es müsse ein System gefunden werden, in dem die EU-Mitgliedstaaten am besten zusammenarbeiten können, da das derzeitige System nicht funktioniere. Es müsse eine Umgestaltung der Machtstrukturen erreicht werden, wobei seiner Meinung nach Patrioten eine führende Rolle spielen müssten. Er bezeichnete es als enttäuschend, dass Europa seine eigene Wettbewerbsfähigkeit zerstöre, und
die Europäische Union von einem Friedensprojekt zu einem Kriegsprojekt gewandelt habe.
Er war der Meinung, dass Brüssel die Regierung in Ungarn ändern wolle. Orbán hob auch hervor, weder aus der NATO noch aus der Europäischen Union austreten zu wollen. „Wir wollen bleiben“, sagte er wörtlich. Auch wenn man Probleme mit Brüssel habe, wolle man die EU nicht verlassen, sondern „gerne reparieren, gerne reformieren“. Auch wenn die Ungarn ihre Ursprünge in ganz unterschiedlichen Weltregionen hätten, gehöre man zum Westen. „Wir sind Teil der westlichen, christlichen Zivilisation.“ – betonte der ungarische Ministerpräsident.
Zum Thema Migration
erklärte Viktor Orbán, dass Ungarn selbst entscheiden möchte, wen es ins Land lässt und mit wem es zusammenleben möchte. Wenn man in einem christlichen Land eine große Zahl von Nichtchristen aufnimmt, hat das auch Auswirkungen auf die Demokratie, betonte er.
Ungarn habe die illegale Migration gestoppt und sei dafür sogar von Brüssel bestraft worden,
erinnerte er. Er erwähnte, dass es auch in Ungarn Gastarbeiter gibt.
Zum Krieg in der Ukraine
Auf die Frage, wie wahrscheinlich er einen Friedensschluss zwischen Russland und der Ukraine in nächster Zeit halte, erwiderte Orbán: „Ich denke, wir sind einem Frieden sehr nahe.“ Dazu sei aber vor allem eine einheitliche transatlantische Position erforderlich. Dabei lobte er die US-Regierung und kritisierte gleichzeitig die Position der EU: Trump sei für einen Frieden, die Europäer seien es nicht. Die europäische Position bestehe darin zu sagen, dass man „jetzt im Moment keinen Friedensschluss will“.
Der ungarische Premier wörtlich: „Sie wollen den Krieg fortsetzen.
Sie denken und reden öffentlich davon, dass wir den Krieg fortsetzen und die Ukraine stärker unterstützen müssen.
Die Situation an der Front werde sich verbessern und wir werden bessere Voraussetzungen für Friedensverhandlungen vorfinden.“ Diese Sicht sei „komplett falsch“. Die Situation und das Timing seien besser für die Russen als für den Westen. „Daher müssen wir den Krieg so schnell wie möglich beenden.“ Er fügte hinzu, dass eine Eskalation des Krieges das Risiko eines Dritten Weltkriegs erhöhe. „Wir müssen unsere Stärke am Verhandlungstisch demonstrieren, nicht an der Front”, erklärte er.
Der Ministerpräsident bezeichnete es als unrealistisch, dass die EU ein Land, das den Krieg nicht gewinnen wird, mit enormen Summen unterstützt, während dort die Korruption hoch ist und gleichzeitig kein Geld für die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der EU vorhanden ist. Wenn Europa zu einer gemeinsamen Position mit den Amerikanern gelangen würde, würde dies auch die internationalen Handelsverhandlungen erleichtern, erwähnte er.
Er betonte, dass er sich wünsche, dass Europa nach dem Krieg sicherer werde und ein neues Sicherheitssystem entstehe. Er fügte hinzu, dass die Sicherheit Ungarns durch das Dreieck Berlin-Moskau-Istanbul bestimmt werde.
Zum Thema Russland
Auf die Frage, ob seiner Meinung nach der russische Präsident Wladimir Putin an einem Waffenstillstand und Frieden in der Ukraine interessiert sei, antwortete Viktor Orbán mit Ja. Er bezeichnete es als „lächerlich”, dass Russland die Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder die NATO angreifen würde. Dazu sei es nicht stark genug, meinte er.
„Je länger dauert der Krieg in der Ukraine an, desto stärker wird Russland“.
Ungarn habe langjährige Erfahrungen mit Russland, „wir kennen sie gut“, daher könne Ungarn ein nützlicher Partner für alle sein, die Frieden in der Ukraine schaffen wollen. Gleichzeitig zeigte er sich überrascht, dass „Kriegsreden“ in der deutschen Politik alltäglich geworden sind. Er erwähnte, dass der Krieg auch dann nicht ausgebrochen wäre, wenn Angela Merkel damals deutsche Bundeskanzlerin gewesen wäre. Ohne Deutschland werde die europäische Position niemals friedensorientiert sein, betonte er.
Über den amerikanischen Präsidenten
Der ungarische Premierminister hob Trumps christliche Haltung hervor und betonte, dass er bereits bei ihrem ersten Treffen im Jahr 2015 wusste, dass die westliche Welt Trump braucht, weshalb er ihn seitdem unterstützt.
Donald Trump sei „ein Mann des Friedens”.
Wäre er zum Zeitpunkt des Ausbruchs des Krieges in der Ukraine Präsident gewesen, hätte der Krieg wahrscheinlich gar nicht begonnen oder wäre dieser sehr schnell beendet worden, erklärte er. weshalb er ihn seitdem unterstützt. Er wies darauf hin, dass er die Friedensbemühungen des amerikanischen Präsidenten auch im Gazastreifen voll und ganz unterstützt.
Zu den Verhandlungen mit Donald Trump am 7. November 2025
Orbán erklärte dem amerikanischen Präsidenten, dass ein Verzicht Ungarns auf russisches Öl zu sofortigen Preissteigerungen führen und „Millionen von Haushalten” ruinieren würde. Trump habe verstanden, dass Ungarn keine Alternative habe, da es keinen Zugang zum Meer habe, erklärte er. Ungarn habe eine Ausnahme von den amerikanischen Sanktionen gegen russische Ölexporte erhalten. Orbán sagte, er habe mit Donald Trump vereinbart, dass dies so lange gelten werde, wie beide im Amt seien. (Deutschland hat bereits vor Ungarn eine Ausnahme von den Sanktionen erhalten.)
In Bezug auf den finanziellen Schutzschild erinnerte der Ministerpräsident daran, dass Ungarn historisch gesehen finanziell instabil sei, da ihm nach dem Ersten Weltkrieg die natürlichen Ressourcen genommen worden sei, was der Wirtschaft eine solide Grundlage geboten habe. Der Schutzschild sollte eigentlich von der Europäischen Union kommen, aber die Situation ist genau umgekehrt: Brüssel erpresst Ungarn und versucht, das Land wirtschaftlich zu strangulieren. Der Schutzschild wird jetzt gegen Brüssel gebraucht.
Er sagte, dass sie mit Trump auch über den Kauf amerikanischer Nukleartechnologie gesprochen hätten, da Ungarn an natürlichen Ressourcen arm sei und daher über Kernenergie nachdenken müsse. Langfristig könnten 70 Prozent der Energie aus dieser Quelle stammen, erklärte Viktor Orbán.