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Rückblick auf die letzten 10 Jahre

31. Jänner 2021, Ein Gastartikel von ISTVÁN HEINRICH

In unserer Internetseite versuchen wir überwiegend die aktuellen Begebenheiten hervorzuheben. Dennoch ist es notwendig, auch einen Blick zurückzuwerfen, um zu vergegenwärtigen, was sich seit dem Wahlsieg Viktor Orbáns Bund Junger Demokraten (Fidesz) und die Christdemokraten (KDNP) ereignete.

Viktor Orbán kehrt zurück – und damit die scharfe Kritik über Ungarn

Mit der Rückkehr Orbáns, der zwischen 1998 und 2002 schon mal Ministerpräsident war, endete eine sozialistisch-linksliberale Koalition, die zwei Legislaturperioden andauerte. Das Erbe dieser Herrschaft war ein ökonomisch abgestürztes Land mit einer Staatsverschuldung, die von 2002 bis 2010 von 53 auf 82 Prozent stieg. Die Parlamentswahlen, die der neuen Koalition eine komfortable Zweidrittelmehrheit schenkten, erboste die neue Opposition und verwunderte die ausländischen Beobachter.

Von diesem Zeitpunkt an wird die „national-konservative“ Regierung Ungarns von der westlichen Linke – und leider auch von der Kommission in Brüssel – immer schärfer kritisiert. Zu Beginn war die Richtigkeit des Zustandekommens der Zweidrittelmehrheit angezweifelt. So ein eindeutiger Sieg von Fidesz und Christdemokraten konnte doch nicht mit rechten Dingen zu tun gehabt haben. –  Diese Mutmaßung weckt die schändliche Erinnerung an das Vorgehen gegen die „falsche“ Wahl in Österreich im Jahre 2000. Damals leiteten vierzehn Regierungen gegen die fünfzehnte, nämlich die Wiener ÖVP-FPÖ-Koalition „besondere Maßnahmen“ (Sanktionen) ein. (Herrolt von Odenwald).

Die Linke Elite im Westen scheint sich immer mehr anzugewöhnen zu entscheiden, wann eine Wahl nach ihren Maßstäben akzeptabel oder falsch ist.

Auch im Rückblick erfährt man, dass kein Mitgliedstaat der EU in den letzten Jahren so viel Kritik für seine Innen- und Außenpolitik erfahren hat wie Ungarn. Die Missbilligung entstammt einem vorgefertigten negativen Bild über unser Land. „Diese Agitationstaktik finden wir freilich oft in den Staatengeschichten. In diesem sind andere Völker immer wieder kollektiv als „Untermenschen“, als „Rassisten“, als „Kapitalisten“, als „Ungläubige“, als „Wilder“ denunziert worden, um eine vermeintliche Berechtigung zu zimmern, gegen sie vorzugehen, ohne etwas konkret beweisen zu müssen“. (Krisztina Koenen)

Rechtsstaatlichkeit – der ungenügend definierbare Begriff

Welche sind die beliebtesten Kritikpunkte der internationalen und deutschen Presse?   Am Anfang stand gleich die angebliche Verletzung des Rechtsstaatlichkeitsprinzips. Zunächst wurde die neue ungarische Verfassung (Grundgesetz) ins Ziel genommen. – Schon seit der Wende von 1989-90 sollte die ursprüngliche stalinistische Verfassung von 1949 durch eine gänzlich neue ersetzt werden. Ministerpräsident Orbán ließ ein Grundgesetz ausarbeiten, das 2012 in Kraft trat. Die Kritiker behaupteten, dass die neue ungarische Verfassung unterminiere das Rechtsstaatsprinzip. Das Kreuzfeuer auf das neue Grundgesetz hörte erst einigermaßen auf, nachdem der deutsche Staatsrechtler und Exminister für Verteidigung Rupert Scholz bestätigt hatte, dass das ungarische Grundgesetz nach „objektiven Kriterien eine moderne, in vielen Punkten sogar vorbildliche Verfassung“ ist. https://www.weltwoche.ch/amp/2013_11/aktuell/ungarn-orbn-will-in-die-moderne-die-weltwoche-ausgabe-112013.html

Im Übrigen müssen wir sehen, dass „die EU-Mehrheit mit dem Wort `Verletzung der Rechtsstaatlichkeit` einen undefinierten und undefinierbaren Pauschalvorwurf benutzt…Nur was ein Gesetz konkret verbietet, darf im Rechtsstaat verboten sein“ (Andreas Unterberger) https://www.andreas-unterberger.at/2020/11/hut-ab-vor-europas-tapferen-zwei

Daher wäre es höchst bedrohlich, wenn das Europäische Parlament durch eine willkürliche Definition der Rechtsstaatlichkeit wie etwa die Anerkennung der „LMBTQ-Minderheitsrechte“ oder eine Zwangsaufnahme von Migranten, beim Europäischen Rat Gehör finden würde.

Weitere Punkte eines „Sündenregisters“

Ergänzend zu den üblichen Vorwürfen nenne ich hier noch unter anderen die angebliche Einschränkung der Medienfreiheit und der Unabhängigkeit der Justiz, das ungenügende Maß an der Gewaltenteilung, das Wahlrecht, das angeblich die Chancen der gegenwärtigen Koalition begünstigt, und ähnliches mehr. Die Argumente in den Beiträgen dieses Unterkapitels entkräften maßgeblich die aufgezählten Kritiken. Ich möchte von den Aufsätzen besonders den umfassenden Bericht mit dem Titel Ungarn in den Medien 2010-2014 – Kritische Reflexionen über die Presseberichterstattung https://ungarnreal.de/dgapbericht-nr-29-mai-2015/ empfehlen. Ansonsten muss ich anmerken, dass die Feststellungen dieser deutsch-ungarischen Arbeitsgruppe zur Klärung der Sachlage werden genauso wenig wie die offiziellen Erklärungen der ungarischen Regierung von der Presse und der EU-Kommission bei ihren gebetsmühlenartig wiederholten Kritiken in Betracht genommen. – So viel über die angeblich unbefangene und ausgewogene Informierung der Bevölkerung in Deutschland und den anderen EU-Staaten.

Historische Betrachtung

An dieser Stelle muss ich noch auf einen wichtigen Sachverhalt hinweisen. Dies ist die historische Situation, die entstand nach dem Sturz einer rund 40 Jahre währenden Diktatur in den ehemaligen Ostblockländern. Der Umbau nach dem Systemwechsel (oder der Wende) machte in allen Staaten einen gründlichen Reformkurs erforderlich. Diesem Transformationsprozess stemmten sich jedoch die einstigen kommunistischen Kader nach allen gegebenen Mitteln entschlossen entgegen. Nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Welt formten sich die ehemaligen Machtinhaber fleißig zu „liberalen“ Zeitgenossen um. Durch die Raubzüge bei der Privatisierung mächtig angereicherte Schicht nutzte die neuen demokratischen Verhältnisse dafür, sich mit allen Kräften an ihre Machtposition zu klammern. Viele Personen der heutigen Opposition sind die Nachkommen der früheren Kommunisten. Sie sind durch ihre liberalen Parolen bei ihren westlichen Freunden gut angekommen und reden sich ein, mit einer erhofften Hilfe von Sanktionen der EU Viktor Orbán und die Regierung stürzen zu können. Sie wissen wohl, dass sie selbst dazu nicht imstande sind.

Nun darf ich schließen mit einem Zitat von Georg Paul Hefty aus seinem Artikel Der Schmerz der Ungarn. https://ungarnreal.de/der-schmerz-der-ungarn/„Wer Ungarn begreifen will sollte zwei Daten kennen: den 23. Oktober 1956 und den 4. Juni 1920. (Unterzeichnung des Vertrags-Diktats von Trianon) Beide prägen bis heute das Selbstverständnis der Bürger ebenso wie die Staatsauffassung aller Gremien und Parteien. Aus den damaligen Entscheidungen wurden jene Lehren gezogen, die das heutige Ungarn kennzeichnen, gleich ob diese an der Oberfläche erkennbar sind oder im Wurzelwerk wirken“.

Der Autor, Dr. István Heinrich ist Professor für Agrarökonomie i.R.

Ein Kommentar

  1. „Die Linke Elite im Westen scheint sich immer mehr anzugewöhnen zu entscheiden, wann eine Wahl nach ihren Maßstäben akzeptabel oder falsch ist“. Leider nicht nur die „linke“ Elite. Die ganze westliche Elite. Wer die Geschehnisse bei den letzten Landtagswahlen in Thüringen verfolgt hat, weiß, dass dort die (angeblich nicht linke) Kanzlerin aus Südafrika die – vollkommen regeltreue- Wahl des Ministerpräsidenten für unverzeihlich erklärt hatte und danach der gewählte FDP Ministerpräsident mangels Koalitionspartner abdanken musste; die Wahl wurde wiederholt. Ein Postkommunist kam aus Merkels Gnaden an die Macht.

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