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Rechte Partei? Linke Partei? Was soll ich davon halten?

10. Januar 2022 Magyar Hirlap von KÁROLY LÓRÁNT

Wenn wir heute eine Zeitung in die Hand nehmen oder die politischen Nachrichten im Radio anhören, dann können wir über die Tätigkeit von rechten und linken Parteien lesen, hören, und nach dieser Einteilung wären die gegenwärtigen Regierungsparteien rechts, während die Opposition links stünde. Die Sprache ist eine Konvention, eine Frage der Vereinbarung, das Wesentliche ist aber, dass man unter einem Wort oder Begriff jeder dasselbe verstehen sollte, denn sonst können wir nicht miteinander kommunizieren, wir können einander nicht verstehen. Wenn sich aber der Inhalt verändert, das ursprüngliche Wort nicht die eigentliche Bedeutung widerspiegelt, dann muss man darüber nachdenken, ob wir nicht für die Darstellung der neuen Erscheinungsbilder neue Worte finden müssten. Dieser Zustand ist typisch im Falle der Rechts- und Linksparteien.

Wir ordnen die Parteien, besonders in solchen Ländern, in denen es viele von ihnen gibt, entlang einer Linie, in einem eindimensionalen Raum ein, nämlich als rechte, linke oder Zentrumsparteien. Aber stellen wir uns vor,

dass es nur zwei wichtige Fragen gibt: die eine ist das Verhalten zu der eigenen Nation auf der nationalistisch-internationalistischen Skala, und die andere das Verhältnis zu der volkswirtschaftlichen Organisation auf der marktwirtschaftlich-planwirtschaftlichen Skala.

Dann können wir die einzelnen Parteien schon viel besser einordnen, und es würde verständlicher erscheinen, warum seiner Zeit der aus der Arbeiterpartei kommende Gyula Thürmer und István Csurka von der rechtsradikalen MIÉP-Partei in manchen Fragen einer Meinung waren, obwohl man sie auf der linearen Skala auf zwei entgegengesetzten, extremen Punkten positioniert hatte.

Die oben genannten beiden Dimensionen sind auch heute noch gültig, aber wir können auf der Grundlage der gegenwärtigen Diskussion ebenso das Verhalten gegenüber der Migrations- oder der Genderfrage dazurechnen, oder ganz einfach die Frage,

ob jemand Viktor Orbán in Amt und Würden belassen oder ihn ablösen möchte.

Die Wahlen werden sich natürlich auf diese eine Frage verengen, aber sie werden letztlich dadurch entschieden, welche von den erwähnten und noch möglichen Dimensionen während des Wahlkampfes eine größere Bedeutung erlangt. In den Fragen der Migration und des Genderns unterstützt zum Beispiel die gesellschaftliche Mehrheit die Regierung, während in der Frage unter dem Begriff „diese stehlen doch“ die Waage schon hin und herschwanken dürfte.

Aber kehren wir zu der herkömmlichen „links-rechts“ Betrachtungsweise zurück. Linksparteien nannte man im Allgemeinen diejenigen, die als Zielsetzung die Problemlösungen der Gesellschaftsmehrheit vor Augen hatten. Zwischen den beiden Weltkriegen zählte man in Ungarn zum Beispiel neben den Sozialdemokraten eigentlich auch die völkischen Bewegungen zu den Linken.

Nach der kommunistischen Machtübernahme 1947 wandelten sie sich alle selbstverständlich – und sogar große Teile der Sozialdemokratischen Partei – in die „Rechte“.

Nach dem Systemwechsel hatte jedoch die sich rechts einordnenden, erste Regierung von Orbán (1998-2002) das erste linksorientierte, sozialdemokratische Wirtschaftsprogramm, das wahrscheinlich dem Wirtschaftswissenschaftler Professor György Matolcsy zu verdanken war, denn die Wirtschaftspolitiker von Fidesz galten sonst als neoliberal.

Die rechten Parteien hatten eher eine Affinität zur Macht, bzw. die Bewahrung der Tradition und die Religion spielten eine bedeutende Rolle in ihrer Ideologie und ihrem Programm.  

Die Parteiideologien, die die zweite Hälfte des 19. und das 20. Jahrhundert charakterisierten, veränderten sich allerdings in den letzten dreißig Jahren bedeutend. Darüber gab John R. Schindler, ein früherer Mitarbeiter von der amerikanischen Agentur für die Nationale Sicherheit (NSA), einen meiner Meinung nach bis heute gütigen Lagebericht und Erklärung im amerikanischen konservativen Online-Magazin „The Federalist“ noch im Jahr 2015 https://thefederalist.com/2015/09/16/who-really-won-the-cold-war/. Schindler sagt, die herkömmlichen Linken, die Sozialdemokraten wollten die Gesellschaft nicht zerstören, nur reformieren, und im Zentrum ihrer Gedankengänge hätte die Verteilung des Einkommens, sowie die Beziehung zwischen Kapital und Arbeit gestanden.

Die traditionellen Werte der Familie beabsichtigten nicht einmal die Kommunisten zu zerstören.

Demgegenüber richteten sich die Interessen der westlichen neuen Linken seit den Sechzigerjahren in erster Linie auf die Begünstigung der sexuellen Freiheit, der Genderprobleme, des Feminismus, des Multikulturalismus. Der lange Marsch zur Übernahme der Institutionen des Westens seitens dieser Linken wurde zum vollen Erfolg. Schindler definiert diese neuen Linken als „die kulturellen Linken“, weil sie ihren Ansichten auf allen Gebieten des kulturellen Lebens Geltung verschaffen können.

Auch auf der Seite der Rechten ging so eine Veränderung vonstatten. Die Achtung vor den traditionellen und christlichen Werten erlosch in den rechten Parteien, ihre Stelle wurde – nach Schindler – durch das „corporate right”, d.h. durch das Großkapital eingenommen, das seine Interessen an der billigen Arbeitskraft, an der Durchlässigkeit der Grenzen hat.

Die kulturellen Linken und die von dem Großkapital dominierten Rechten fanden zueinander,

zum Beispiel in der Unterstützung der massenhaften Einwanderung. Diese wird von den kulturellen Linken deshalb gemocht, weil sie allmählich die von ihnen verachtete, traditionelle Kultur auflöst, während die von dem Großkapital dominierten Rechten in den Einwanderern die billigen Arbeitskräfte sehen.

Nach meiner Einschätzung ist Schindlers Lagebeurteilung vollkommen richtig, und obwohl er in erster Linie von den englischen und amerikanischen Verhältnissen ausgeht, seine Feststellungen gelten auch für die gesamte euroatlantische Welt, so auch für die Europäische Union. Ich würde sie nur damit ergänzen wollen, dass die kulturelle Ideologie hinsichtlich der Infragestellung der Vergangenheit ein Produkt der Frankfurter Schule ist („die kritische Methode“), während die Ideologie bezüglich einer neuen Gesellschaft von Karl Popper stammt, der die offene Gesellschaft propagiert.

Was die vom Großkapital dominierten Rechten betrifft, konnten wir in den letzten dreißig Jahren Zeugen einer großformatigen Kapitalkonzentration sein, die sich auch auf den Besitz der Medien ausdehnt, so dass

die tatsächliche Entscheidungs- oder die Informationsgewalt der Kontrolle der örtlichen Gesellschaften entglitten ist.

Parallel dazu lösten sich die rechten Parteien, die (z.B. durch ihre Finanzierung) eng mit dem Großkapital verbunden sind, von ihren ursprünglichen Werten, sie vertreten heute nicht mehr die den Rechten zugeschriebenen früheren konservativen Werte.

All das hat eine wichtige politische Bedeutung, nämlich dass die Wähler – wegen der in ihrer Parteipräferenz liegenden und wegen der natürlichen menschlichen Eigenschaften bedingten Unfähigkeit – dazu neigen, ihre Stimme ihrer alten oder unter dem alten Namen fungierenden Partei zu geben, zum Beispiel der sich als linksstehend titulierenden Parteien, selbst dann, wenn diese nicht mehr ihre Interessen und Werte vertreten.

Dieses Phänomen können wir gut in West-Europa beobachten, wo die als radikal abgestempelten Parteien bis heute nicht in der Lage waren, eine bedeutende Anzahl an Wählern von den traditionellen Parteien an sich zu ziehen, obwohl ihre Programme im Wesentlichen mit den früheren (ursprünglichen) Programmen der rechten oder linken Parteien identisch sind. Obwohl die Wähler nach den Meinungsumfragen in vielen wichtigen Fragen (z.B. was die Migration oder die Machtkonzentration durch Brüssel betrifft) mit diesen neuen Parteien übereinstimmen, trotzdem bleibt alles beim Alten.  

Bei uns kann sich das so darstellen, dass die traditionell mit den Linken verbundenen Staatsbürger dazu neigen, selbst dann ihre Stimme den heute links bezeichneten Parteien zu geben, wenn diese Parteien längst nicht mehr dieselben Werte und Interessen vertreten, die ehemals von den linken Parteien vertreten wurden. Gerade deshalb

finde ich es unangebracht, dass die Regierungspropaganda von rechts und links spricht, weil dieser Sprachgebrauch die links fühlenden, aber in zahlreichen Fragen mit der Regierung übereinstimmenden Wähler verschreckt. Stattdessen müsste sie von der Opposition oder von konkreten Personen und Standpunkten ihre Meinung kundtun.

Eigentlich wird der Kampf zwischen den Souveränitätsbefürwortern, die den Nationalstaat erhalten wollen, die massenhafte Einwanderung ablehnen und den Globalisten, die den Nationalstaat aufzugeben und die massenhafte Einwanderung zu erlauben bereit sind, ausgefochten, während die letzteren auch noch eine große internationale Unterstützung erhalten.

Wenn ich also die Opposition kritisiere, dann würde ich nicht von den Linken, sondern von den die Migration befürwortenden, die Genderideologie annehmenden Globalisten sprechen, und auch die Regierungsparteien würde ich nicht als rechtsorientierte Parteien bezeichnen, sondern als solche, die für die verbleibende Souveränität des Landes stehen.

Ich weiß, man kann an der Rhetorik nicht leicht etwas ändern, aber die allerletzten Meinungsumfragen sollten niemanden ins Irre führen, wir benötigen im nächsten Frühjahr sehr dringend die links fühlenden Wähler, die – obwohl sie sich der linken Seite zugehörig fühlen – in zahlreichen wichtigen Fragen mit der gegenwärtigen Regierung einer Meinung sind.

Autor, Károly Lóránt ist Dipl.Ing.Econ., Ratgeber des Nationalforums

Deutsche Übersetzung von Dr. Gábor Bayor

Bildquelle: Mandiner

MAGYARUL: https://www.magyarhirlap.hu/velemeny/20211227-jobboldal-baloldal-minek-nevezzelek

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