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Militärentwicklung deutscher Art

Gratis Bahnfahrten für Soldaten in Uniform. Bildquelle: Faz.net

9. März 2022 Magyar Hírlap von IRÉN RAB

Mitte Januar, als die Russen entlang der ukrainischen Grenze eine Militärübung als Machtdemonstration durchführten, bat die Ukraine den Westen um militärische Hilfe. Deutschland hat sich sofort bemüht zu Hilfe zu eilen und bot den Ukrainern, die einen russischen Angriff befürchteten, 5.000 Militärhelme an. Das ist ein deutliches Signal der Unterstützung, sagte die deutsche Verteidigungsministerin, ein Signal, dass wir an Eurer Seite stehen!

Der Witz des Jahrhunderts, sie könnten genauso gut Kissen oder Teddybären schicken“, reagierte die ukrainische Ikone der Deutschen, der ehemalige Profi-Boxschwergewichtsweltmeister Vitali Klitschko, der einst in deutschen Farben kämpfte. Klitschko sprach zu den Deutschen nicht von der Seitenlinie (vom Ring) aus, sondern vom Stuhl des Kiewer Bürgermeisters, auf den er nach den revolutionären Ereignissen von 2014 katapultiert wurde. Damals waren viele der Meinung, dass sein Platz dort in der Politik war, denn er war der Held der Ukraine, Ehrenbürger der Stadt. Gewählt mit dem richtigen Rückenwind aus dem Westen, vertritt er dort seither die ukrainisch-kiewer Interessen im Einklang mit der herrschenden Windrichtung.

Es war eine Art tausendklugsche schlaue Lösung, ein Geschenk, oder auch nicht. Denn was soll die Ukraine mit fünftausend Militärhelmen gegen die aus Hunderttausenden bestehenden russischen Truppen ausrichten? Die Ukrainer erwarteten schwere Waffen. Kopfbedeckungen und Schutzwesten benötigte eher die Zivilbevölkerung, die Soldaten jedoch brauchten Waffen.

Wir wissen aber, dass Deutschland aus Prinzip grundsätzlich keine Waffen in Kriegsgebiete liefert. Es lieferte auch keine Waffen damals an Syrien, sondern nur an Saudi-Arabien,

und die Tatsache, dass diese Waffen dann von dort aus an Syrien weiterverkauft wurden, war nicht mehr seine Schuld. Vielleicht ist dieses pharisäische Verhalten die einzige wirkliche Kontinuität in der deutschen Politik.

Die Militärhelme wurden auf einen Lastwagen verladen und auf den Weg geschickt. Nicht direkt in die Ukraine, denn dort war in der Zwischenzeit der Krieg ausgebrochen, so dass die Verantwortlichen direkt aus Deutschland keine Schutzausrüstung mehr hinsenden konnten. Sie mussten irgendwo auf dem Weg ausgeladen und dann in einen Militärlastwagen eines anderen Landes aufgeladen und damit weitertransportiert werden.

Vielleicht hat sich die deutsche Presse deswegen so lautstark über die Rolle Ungarns geäußert? Weil wir uns aus wohlverstandenem und unverhohlenem Eigeninteresse aus diesem Krieg heraushalten wollten und uns deshalb weigerten, die Kampfausrüstung zu transportieren? Wer weiß.

Niemand interessiert sich inzwischen für das Schicksal der Helme. Sobald der Krieg ausbrach und die deutschen Verantwortlichen die vorrückenden russischen Panzer, die zerstörten Siedlungen, die drohende Gefahr sahen, verblasste den jahrzehntelangen Pazifismus der Deutschen. Die Realität machte ihren Politikern klar, dass die Entwicklung der Armee lange vernachlässigt worden war.

Im Namen des Fortschritts und der Geschlechterquoten in Deutschland setzten sich seit neun Jahren immer weniger kompetente Verteidigungsministerinnen jeweils auf ihre Weise für die Armee ein. Ursula von der Leyen, die bei ihrer Ernennung im Jahr 2013 ein „familienfreundliches“ Entwicklungsprogramm für die Bundeswehr angekündigt hat, kann man nicht einmal einen Vorwurf machen. Sie plante Kinderkrippen, Kindergärten und Spielplätze in der Armee, gab Soldaten Sonderurlaub für die Kindererziehung und passte die Uniformen der Frauen der neuen Mode an. Sie ermöglichte den Teilzeit-Militärdienst, damit die Männer in Uniform so viel Zeit wie möglich zu Hause bei ihren Familien verbringen konnten. In der Zwischenzeit wurde immer weniger Zeit für echte Verteidigungsaufgaben aufgewendet, weil wir ja offensichtlich in Frieden lebten.

Von der Leyen hat alle Arten von Quotensystemen in der Armee eingeführt. Sie füllte den Personalmangel mit Ausländern, und damit war die Migrantenquote geboren. 14 Prozent des Personals der Bundeswehr haben einen Migrationshintergrund. Es spielte keine Rolle, dass dies gegen die Bestimmungen des Verteidigungsgesetzes über die Loyalitätspflicht verstieß. Muslimische Soldaten mussten die obligatorischen Gebetszeiten einhalten, wofür die Ausbildung oder sogar militärische Übungen unterbrochen werden konnten. Die besonderen Bedürfnisse der rund 20.000 weiblichen Militärangehörigen wurden bei der Gestaltung der Geschlechterquote berücksichtigt. Der Schutz der geschlechtlichen Vielfalt wurde der Arbeitsgruppe für homosexuelle Angehörige der Bundeswehr, der AHSAB, anvertraut.

Als Frau von der Leyen dienstlich nach Brüssel berufen wurde, setzte ihre Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer die Zerschlagung der deutschen Kampfbereitschaft fort. Im Interesse der demokratischen Stabilität eliminierte oder reorganisierte sie die vier Elitetruppen des Heeres, die noch aus echten, kampffähigen deutschen Soldaten bestanden.  Die derzeitige Verteidigungsministerin Christine Lambrecht von der linken Ampelkoalition ist ebenfalls ein Musterbeispiel für militärische Inkompetenz, sowohl in ihrem Auftreten als auch in ihren Aussagen und Handlungen.

Die friedensbewegte Angela Merkel und ihre Freundinnen haben nicht nur entschieden zur militärischen Schwäche ihres Landes, sondern auch zur militärischen Verwundbarkeit der Europäischen Union beigetragen.

Ein Bericht des Verteidigungsbeauftragten des Bundestags aus dem Jahr 2019 bescheinigt der Bundeswehr den schlechtesten Zustand seit 1990. Einundzwanzigtausend Offiziere und Unteroffiziere fehlten in der Armee, und der Zustand der Kampfmittel war katastrophal. Nur ein Drittel der Panzer und Kampfflugzeuge waren einsatzbereit, ein Fünftel der Transporthubschrauber, insgesamt sechzehn (!), und keines der U-Boote. Und dennoch fehlte es nicht an Geld, die Verteidigungsausgaben waren in den letzten acht Jahren von 32 auf 47 Milliarden Euro gestiegen, aber nichts davon schlug sich in der Armee nieder. Die nackten Hintern der Soldaten hingen buchstäblich aus den Hosen, weil man vergessen hatte, warme Unterwäsche für sie zu besorgen.

Der Rechnungshof hat im Umfeld des Verteidigungsministeriums Korruptionsskandale aufgedeckt. So wurde beispielsweise der Schutz von Militärstandorten für viel Geld an private Sicherheitsfirmen ausgelagert. Das birgt Sicherheitsrisiken, da private Unternehmen keiner parlamentarischen Kontrolle unterliegen und jeden einstellen können, den sie wollen. Das Ministerium hat verdächtige Transaktionen durchgeführt und Aufträge in Millionenhöhe an Beratungsfirmen vergeben.

Aber der Frage nach der Verantwortung wird geschickt ausgewichen, denn Korruption gibt es in Deutschland ja nicht und darf es auch nicht geben!

Der russische Vormarsch in der Ukraine hat die Deutschen aus ihrem Dornröschenschlaf geweckt, und plötzlich, am vierten Tag des Krieges, wurde ihnen bewusst, wie wehrlos und verwundbar sie sind (übrigens nicht nur sie, sondern auch die ganze Europäische Union). Die deutsche Sicherheitspolitik hat von einem Tag auf den anderen auf den Kopf gestellt.

Ende Februar kündigte Bundeskanzler Scholz an, dass die Verteidigungsausgaben im diesjährigen Haushalt auf 100 Milliarden Euro verdoppelt werden, um die Sicherheit des Landes zu gewährleisten

und „Freiheit und Demokratie zu verteidigen“, denn man wolle eine schlagkräftige, hochmoderne Armee aufbauen. Sie werden sogar ihrer bisher vernachlässigten NATO-Verpflichtung nachkommen, in Zukunft zwei Prozent des BIP für die militärische Entwicklung auszugeben. Ich habe diese hundert Milliarden umgerechnet, wie viele Nullen es in ungarischem Forint ergäbe: wenn ich richtig gezählt habe, dreizehn, das sind 30-40 Tausend Milliarden Forint. Das ist dem Status Deutschlands als Großmacht angemessen und kann, wenn nicht anders möglich, aus EU-Subventionen, Krediten und/oder aus anderen Haushaltsbereichen bestritten werden. In der Presse war von Kürzungen der Sozialausgaben die Rede, die einen großen Teil des Haushalts ausmachen.

Unmittelbar nach dieser Ankündigung änderte sich die deutsche Einstellung zum Krieg sofort. Zuvor hatten sie gesagt, dass jeder, der Waffen liefert, nicht neutral sein kann, aber jetzt liefern sie der Ukraine flugs 2.700 Strela-Flugabwehrraketen. Die in Russland hergestellten Raketen wurden zum Zeitpunkt der deutschen Wiedervereinigung von der Nationalen Volksarmee der DDR in das Militärdepot in Baden-Württemberg gebracht. Der Strela repräsentiert den technischen Standard der 1960er Jahre, verstaubt, verrostet und längst überfällig für die Verschrottung. Die Deutschen hatten ursprünglich nicht nur so wenige russische Raketen, sondern viel mehr, die erst im Zuge der NATO-Osterweiterung an die neuen NATO-Mitglieder verschenkt wurden.

Das ist die westliche Art, sich von nutzlosem, wertlosem Gerümpel zu trennen. Außerdem sparen sie dadurch die Kosten für die Vernichtung und belasten die deutsche Umwelt nicht.

Wahrscheinlich brauchen sie den Platz für die neuen, modernen Waffen, denn zusätzlich zu den Strelas hat die Bundeswehr die Mitgift der Ukrainer um tausend Panzerabwehrraketen und fünfhundert Boden-Luft-Raketen aufgestockt. Das soll dann das Ende der Hilfe sein, mehr können sie für die Ukraine nicht tun. Sie können keine militärische Gewalt anwenden, um ein Land zu verteidigen, das keinem Bündnis angehört.

So lautet die momentane deutsche politische Entscheidung.

Autorin, Dr. phil. Irén Rab ist Kulturhistorikerin

Deutsche Übersetzung: Dr. Andrea Martin

MAGYARUL: https://www.magyarhirlap.hu/velemeny/20220309-hadseregfejlesztes-nemet-modra

2 Kommentare

  1. Ich bin weder Militärexperte noch ein Jurist.
    Aber mein Gefühl und mein Verstand sagen mir: wer Waffen in ein Kriegsgebiet liefert ist selbst eine Teilnehmerpartei des Krieges geworden.
    Und trägt ganz klar zu noch mehr Todesopfern bei.

  2. In diesen Zeiten enthüllt sich auch für den unbedarften Konsumenten, das die EU/NATO hauptsächlich ein Zweckbündnis zur Wahrung hegemonialer Interessen ist. Hoffen wir, das sich das friedliche durchsetzt…

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