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„Ich werde Ihnen nicht das Wort erteilen“

17. Mai 2023 Budapester Zeitung

Am Ende April fand unter der Leitung der Abgeordneten Monika Hohlmeier (CSU) teilweise hinter verschlossenen Türen eine Sitzung der Budgetkontrollkommission (CONT) des Europäischen Parlaments statt, auf der darüber entschieden werden sollte, ob das EU-Parlament eine Untersuchung darüber einleiten sollte, wie der ungarische Staat mit ausländischen und insbesondere deutschen Investoren umgeht.

EP-Abgeordnete der ungarischen Regierungsparteien hatten von dem Vorhaben Wind bekommen und wollten natürlich, dass bei dieser Sitzung auch ein Kenner der deutschen Investorenszene zugegen ist, um seine Eindrücke von der Lage vor Ort in die Diskussion und damit die Entscheidungsfindung mit einfließen zu lassen. Ihre Wahl fiel auf den Rechtsanwalt Dr. Arne Gobert, der seit 25 Jahren in Ungarn lebt, und nicht zuletzt als Präsident des Deutschen Wirtschaftsclubs Ungarn sowie Vorstandsmitglied der deutsch-ungarischen Begegnungsplattform DialogUngarn, durchaus kompetent ist, sich zur Lage der deutschen Investoren in Ungarn zu äußern. Gegenüber der Budapester Zeitung erzählt er, wie seine Reise nach Brüssel begann und wie sie endete.

  • Wann hat Sie die ungarische Seite kontaktiert?

Erstmalig wurde ich am Mittwoch, dem 19. April von einem ungarischen EP-Abgeordneten angesprochen. Meine Teilnahme sagte ich am Donnerstag, dem 20. April abends zu. Am 21. April konnte ich dann bereits Minister Szijjártó anlässlich seines Besuches beim 2. Wirtschaftstag von DialogUngarn darüber informieren, dass ich bei der Anhörung zugegen sein werde, was er natürlich ausdrücklich begrüßte. Der weitere Kontakt lief dann über das Büro von Tamás Deutsch, dem Leiter der Fidesz-Gruppe im EP. Über sein Büro wurde auch meine Anmeldung zur Sitzung abgewickelt.

  • Gab es eine Rückmeldung der Budgetkommission?

Es gab keinerlei Rückmeldung, weder am Wochenende noch am Montag, dem letzten kompletten Arbeitstag vor der Sitzung. Da es für mich nicht das erste Mal war, dass ich zu einer Anhörung nach Brüssel fahre, war es für mich jedoch selbstverständlich, dass ich als Redner zu der ja nicht geschlossenen Agenda einer zudem öffentlichen Sitzung hinzugefügt werde. Zumal ich der Einzige war, der dann für die betroffene Seite, also Ungarn und die deutschen Unternehmen in Ungarn, wirklich Eindrücke der ungarischen Praxis zur Diskussion hätte beisteuern können. Aber scheinbar haben sich die Zeiten in Brüssel geändert…

  • Wie ging es weiter?

Am Dienstagmorgen traf ich dann in Brüssel im Parlamentsgebäude ein. Es gab weiterhin kein Signal von der Kommission, also suchte ich vor der Sitzung den direkten Kontakt zu Frau Hohlmeier (geb. Strauss), um ihr zu signalisieren, dass ich da bin, und natürlich auch, um mich höflicherweise kurz persönlich vorzustellen.

  • Wie verlief das Gespräch mit ihr?

Das Gespräch verlief leider recht unerfreulich. Sie war praktisch vom ersten Augenblick an ungehalten, wie ich es „wage“, sie überhaupt anzusprechen. Es war aber auch sofort klar, dass sie von der Anmeldung wusste. Ich habe sie dann höflich gefragt, wie das in der Reihenfolge bei der Anhörung ablaufen würde, woraufhin sie mir nur entgegnete, ich stünde ja nicht namentlich auf der Tagesordnung, also würde sie mir auch nicht das Wort erteilen. Das heißt mit anderen Worten: Sie hatte mich trotz rechtzeitig erfolgter Anmeldung nicht auf die Tagesordnung gesetzt. Und weil das nicht geschehen war, wollte sie mir auch nicht das Wort erteilen.

Im weiteren Gesprächsverlauf sagte sie dann, dass sie meine Meinung ohnehin nicht bräuchte, weil sie selbst schon genug von der Thematik wisse und ihr niemand zu erzählen brauche, dass 80 Prozent der deutschen Unternehmen in Ungarn zufrieden seien, denn darum ginge es nicht.

Als ich ihr dann sagte, dass es ja nicht nur darum ginge, sondern

in der Agenda niemand vorgesehen ist, der die „andere Seite“ vertritt (weder von Seiten der ungarischen Regierung noch der deutschen Unternehmen in Ungarn) und dass ihre Agenda und ihr Briefing-Material leider reicht einseitig und teils auch fehlerhaft sei

und ich gerne etwas dazu sagen würde, wies sie mich mit dem Vorwurf zurecht, jetzt nur nicht „aggressiv“ zu werden. Mit den Worten „Das nützt ihnen auch nichts! Ich werde Ihnen nicht das Wort erteilen“ beendete sie dann unsere kurze Unterhaltung.

  • Als ein Experte in Sachen „deutsche Wirtschaft in Ungarn“ wurde Ihnen also die Teilnahme an einer Diskussion verwehrt, bei der es genau um dieses Thema ging?

Paradox, aber wahr! Ich durfte nur am offenen Teil der Sitzung teilnehmen, passiv auf einem Besucherplatz ohne jegliches Mitspracherecht.

  • Was bekamen Sie von dort zu hören?

Bezüglich der Vorwürfe absolut nichts konkretes, dafür aber viel widersprüchliches. Es waren zunächst die üblichen Vorwürfe zu hören: vermeintliche Rechtsunsicherheit, zunehmende Korruption und mögliche Diskriminierung von ausländischen Unternehmen, vorgetragen vor allem vom Leiter von Transparency International Ungarn und natürlich von Frau Hohlmeier selbst.

Konkrete Beispiele, wie und wodurch Unternehmen nun tatsächlich diskriminiert würden, wurden – bis auf das Thema Sondersteuern – nicht genannt. Natürlich wurde auch nicht erwähnt, dass die größten Nettozahler von Sondersteuern keine ausländischen Tochtergesellschaften sind und dass die betroffenen Unternehmen trotz Übergewinnsteuer weiterhin Gewinne machen.

Frau Hohlmeier prägte dann noch den Begriff „Sweet Heart Deals“, den sie mit der Vodafone-Transaktion illustrierte. Dabei sei ihrer Meinung nach an den ausländischen Eigentümer ein zu hoher Kaufpreis für die ungarische Tochter gezahlt worden. Das gefiel ihr offensichtlich auch nicht…

Interessant waren auch ihre Bemerkungen zu den „Investoren aus dem Osten“ – wobei sie namentlich nur Südkorea nannte. Diese würden nun nach ihrer Auffassung vermehrt von der ungarischen Regierung angesprochen werden, weil Investoren aus „dem Westen“ zunehmend wegbleiben würden. Bei dieser gewagten Hypothese ließ sie sowohl die derzeit größte deutsche Investition, noch dazu aus „ihrem“ Bundesland Bayern unter den Tisch fallen, als auch die Tatsache, dass viele „Investoren aus dem Osten“ nicht zuletzt durch die starke Präsenz deutscher Automobilhersteller nach Ungarn kommen würden.

  • Was hätten Sie gesagt, wenn Sie zum geschlossenen Teil der Sitzung hätten bleiben können?

Ich hätte natürlich über die Gesamtsituation gesprochen, aber eben auch zu den Teilen, die in dem Briefing aus meiner Sicht nicht korrekt dargestellt waren. Vor allem hätte ich die Frage gestellt, ob diese Thematik wirklich vor dieses Gremium gehört und nicht erst einmal vor ein zuständiges Gericht.

Ich hätte weiterhin hinterfragt, warum im ganzen Bericht und auch bei den Anschuldigungen keinerlei betroffene Unternehmen und konkrete Vorgänge bezüglich angeblicher Diskriminierung genannt wurden. In dem gesamten Material wird lediglich ein Gerichtsverfahren eines nicht-deutschen Unternehmens erwähnt, das dieses verloren hat. Daraufhin wird die Behauptung erhoben, ausländische Unternehmen hätten in Ungarn vor Gericht gegen den Staat keine Chance, was mit Blick auf meine 25-jährige Praxis als Wirtschaftsanwalt und Mediator einfach nicht der Wahrheit entspricht.

Im Falle des Flughafens wurde eine Baugenehmigung nicht erteilt, andere wurden in den vergangenen Jahren jedoch erteilt. Daraus lässt sich doch noch lange keine Diskriminierung ableiten. Selbstverständlich gibt es wie in jedem anderen Land auch, zu einzelnen Themen Meinungsunterschiede zwischen Verwaltung und Unternehmen. Diese sind entweder direkt oder auf einem ordentlichen Gerichtswege zu klären, jedoch sicher nicht von einem Brüsseler CONT-Gremium.

Ich frage mich, was hier wirklich untersucht werden sollte und ob man überhaupt vorhatte, sich von der tatsächlichen ungarischen Realität eine Meinung zu bilden.

Dem Material und den nebulösen Äußerungen von Frau Hohlmeier während der Sitzung konnte ich jedenfalls nichts dazu entnehmen.

  • Welche Motive könnte die Initiative des EP wirklich haben?

Darüber kann ich nur spekulieren. Aber wenn ich die inhaltlose Einseitigkeit sehe, dann glaube ich, dass Frau Hohlmeier vermeiden wollte, dass die anderen Mitglieder der Kommission eine andere Sichtweise auf die Vorgänge in Ungarn erhalten, als in dem Material und den zugelassenen Wortmeldungen präsentiert wurde. Schließlich stand nach meinem Kenntnisstand schon vor der Sitzung die Agenda fest, nach der anschließend gegen Ungarn weiter verfahren werden sollte.

Das angestrebte Ergebnis der Sitzung stand also bereits zu Sitzungsbeginn fest und musste lediglich gegen Wortmeldungen geschützt werden, die nicht „ins Bild“ passten. Die Sitzung war also lediglich eine Farce, um den demokratischen Anschein zu wahren.

Ich war zwar nie zu Gast beim Meeting eines kommunistischen Zen­tralkomitees. Was ich aber an diesem Tag in Brüssel erlebt habe, erinnert mich ganz stark an diese Praxis…

  • Wie hat die ungarische Regierungsseite darauf reagiert, dass ihr die Möglichkeit verwehrt wurde, sich bei einer Verhandlung über einen Aspekt der ungarischen Realität zu äußern?

Die ungarische Seite war natürlich völlig zurecht empört. Sie konnte sich weder direkt – sie hat keinen Sitz in dieser Kommission – noch indirekt äußern. Das ist nicht nur undemokratisch und tatsächlich diskriminierend, sondern widerspricht auch einem ehernen Rechtsstaatsprinzip und juristischen Grundsatz, nämlich „Audiatur et altera pars“.

https://www.budapester.hu/ausland/eu-parlament-scheindemokratische-farce/

Ein Kommentar

  1. Die Hybris sowie Ignoranz und Arroganz dieser Leute wie Hohlmeier kennt keine Grenzen. Es stimmt der Vergleich, den Dr. Gorbert machte. Auch ich werde an das Politbüro der SED erinnert.
    Eine Schande ist dieses Verhalten.

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