10. März 2023 Magyar Hírlap von IRÉN RAB
Die Vereinigten Staaten hätten nichts mit dem Bombenanschlag zu tun, erklärte die New York Times nach dem Besuch von Bundeskanzler Scholz im Weißen Haus am vergangenen Freitag und nun plappert es die ganze Medienwelt nach. Warum sollte sich denn Amerika um die Nord-Stream-Pipeline kümmern, wenn es davon gar nicht betroffen ist? Wenn die Deutschen sie abschalten, weil sie keinen Handel mit Putin treiben wollen, dann sollen sie es doch tun! Wenn sie die Pipeline im gasarmen Winter in Betrieb nehmen, können sie in der heutigen sanktionswütigen Welt allenfalls mit geringen Sanktionen davonkommen.
Es stimmt zwar, dass Präsident Biden noch vor Ausbruch des Krieges in der Ukraine versprochen hat, das deutsch-russische Gasprojekt zu beenden. Und was die Amerikaner versprechen, das halten sie auch. Wenn sie sich überhaupt daran erinnern, denn das Gedächtnis von Präsident Biden lässt in letzter Zeit gewaltig zu wünschen übrig.
Unser Gedächtnis ist etwas besser, und viele Ereignisse im Zusammenhang mit dem Nord-Stream-Projekt sind uns in Erinnerung geblieben. Wir erinnern uns zum Beispiel daran, wie Frau Merkel in einer der letzten Amtshandlungen ihrer langen Regierungszeit Nord Stream 2, ein Symbol der deutsch-russischen Freundschaft, feierlich übergab. Sie überließ die Inbetriebnahme ihrem Nachfolger, der aus irgendeinem Grund nach seiner Vereidigung beschloss, dass man diese Röhre nicht brauche, dass Nord Stream 1 ausreiche, da auch dort viel billiges russisches Gas nach Deutschland fließe. Dann kamen die jährlichen Wartungsarbeiten, bei denen wenig oder gar kein Gas floss, aber dafür war ja Putin verantwortlich. Die Reparaturen wurden als russische Sabotageaktion bezeichnet, deren Ziel es war, zu verhindern, dass die Deutschen russisches Gas bekommen. Dabei war es aber die globalisierte Weltwirtschaft selbst, die sich dort im Westen in die eigene Falle gelockt hatte.
Die Siemens-Gasturbine von Gazprom wurde nämlich in Kanada repariert, und die kanadischen Sanktionen gegen Russland führten dazu, dass die für den Betrieb benötigten Teile nicht geschickt werden konnten. Als die Deutschen dann einen Ausweg fanden, drohte Präsident Zelensky Kanada wegen Verstoßes gegen die Sanktionsregelung. Die äusserst ehrlichen Ukrainer könnten solche Verstöße doch niemals akzeptieren!
Dann, an einem lauwarmen Tag Ende September, begann ohne Vorwarnung Gas in die Nordsee auszuströmen.
Die schwedische Seepatrouille bemerkte dies drei Tage nach der Explosion. Sabotage, sagten sie, und gaben sofort Russland die Schuld, das sei die Antwort Russlands auf die Sanktionen, um Europa die Winterkälte aufzuzwingen, indem es das Gas abstellt, koste es, was es wolle! Das Feindbild Putin hatte solche Ausmaße angenommen, dass logische Argumente keine Rolle mehr spielten. Die russische Version lautet, es handelte sich um eine internationale Operation, um die letzte Verbindung zwischen Europa und Russland zu kappen. Es gab andere (Verschwörungs-)Theorien, dass es die Amerikaner waren, mit britischer oder norwegischer Hilfe, oder nur sie selbst alleine, aber
niemand verdächtigte die Ukrainer.
Die Geheimdienste setzten ein internationales Ermittlerteam ein, doch es sickerte nichts an die Öffentlichkeit. Man hatte das Gefühl, dass sie die Sache möglichst vergessen machen wollten, weil es peinlich wäre, wenn die Wahrheit ans Licht käme. Erst vor einem Monat ließ ein mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneter amerikanischer Journalist eine Informationsbombe platzen.
Laut Seymour Hersh haben Taucher der US-Marine im vergangenen Juni Sprengsätze unter der Nord-Stream-2-Pipeline platziert, und die Entscheidung für den Einsatz wurde von Präsident Joe Biden persönlich getroffen.
Ich habe über die geheime Marineoperation unmittelbar nach der Explosion geschrieben, aber sie war nicht berichtenswert. Die Welt liest eben kein Ungarisch. https://www.magyarhirlap.hu/velemeny/20221003-buvar-kund-a-nemzetkozi-vizeken
Und jetzt steht plötzlich in der Zeitung, dass wahrscheinlich die Ukrainer die Gaspipeline in die Luft gejagt haben sollen. Die US-Behörden hatten bereits im August ein gemischtes russisch-ukrainisches Team ausfindig gemacht, das gerade mitten in Moskau ein Bombenattentat veranstaltete. Ein bekannter russischer Nationalist, der Putin-Freund Alexander Dugin hätte ermordet werden sollen, stattdessen wurde seine Tochter Daria umgebracht. Bei den Terroristen, wenn man sie so nennen darf, handelte es sich um eine Task Force aus russischen Gegnern Putins und ukrainischen Staatsbürgern, die im Verdacht stehen, mit den ukrainischen Geheimdiensten in Verbindung und der ukrainischen Regierung bekannt zu sein und sogar auf deren Befehl hin terroristische Handlungen zu begehen. Die US-Regierung hat Kiew gewarnt, solche Aktionen zu unterbinden, aber wenn eine Terrorgruppe unabhängig ist, kann die demokratische ukrainische Regierung leider nicht eingreifen. Natürlich wissen wir nicht mit Sicherheit, ob sie hinter den Anschlägen auf Nord Stream stecken. Das sind alles nur Erkenntnisse der US-Geheimdienste.
Es gibt jedoch eine schöne runde Geschichte, die von investigativen Journalisten zusammengetragen wurde. Es gab einmal ein Unternehmen mit Sitz in Polen, das seinen Lebensunterhalt mit der Vermietung von Yachten verdiente. Er handelte nicht nur mit eigenen Yachten, sondern auch mit denen anderer, z. B. mit ukrainischen Yachten.
Anfang September rastete eine kleine ukrainische Yacht im Hafen von Rostock, die von einer Gruppe von sechs Personen gemietet worden war, die in der Nordsee tauchen wollten.
Neben dem Kapitän, zwei Tauchern und zwei Tauchassistenten war das weibliche Geschlecht durch eine Ärztin vertreten. Niemand im Hafen bemerkte, als ein Lieferwagen neben der Yacht vorfuhr, um die Ausrüstung für den geplanten Einsatz zu verladen. Neoprenanzüge, eine halbe Tonne Sprengstoff, Werkzeuge, was auch immer. Das kleine Boot fuhr in Richtung Dänemark, zunächst nach Wieck in Deutschland, dann zur Insel Christianso in Dänemark. Ihr Verhalten fiel nicht auf, niemand interessierte sich dafür, wer sie waren oder woher sie kamen. Daher sind ihre Namen und Nationalitäten immer noch unklar, da sie überall professionell gefälschte Pässe vorlegten. Über den Gaspipelines verankert, brachten die Taucher mit Hilfe von Helfern den Sprengstoff an. Am Ende der Aktion wurde das Schiff abgegeben, und sie haben sich um die Säuberung des Bootes überhaupt nicht mehr gekümmert. Die Ermittler fanden später Spuren von Sprengstoff auf einem Tisch in der Kabine.
Diese Geschichte hinkt gewaltig. Die Nord- und Ostsee sind gerade wegen Russland das am stärksten überwachte Seegebiet der Welt, aber weder die dänischen noch die schwedischen Seepatrouillen haben irgendwelche verdächtigen Bewegungen festgestellt.
Es ist technisch und logistisch unvorstellbar, dass eine sechsköpfige Crew auf einer Yacht in diesen Tiefen eine solche Explosion durchführen kann.
Die Sprengung mehrerer Rohre eines großen, gesicherten Pipelinesystems erfordert eine komplexe Operation. Es bedarf einer Menge Detailwissen, Erfahrung und Vorbereitung. Experten sagen, dass eine solche Operation nur von spezialisierten Militäreinheiten durchgeführt werden kann. Ganz zu schweigen vom logischen Versagen! Eine Spur zu hinterlassen ist dilettantisch, aber bei einer verdeckten Operation ist das eine bewusste Irreführung und Ablenkung. Es ist kein Zufall, dass gerade sehr linke Enthüllungsjournalisten – von der ebenso linken „Zeit“ und den deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern – es auf sich genommen haben, die Geschichte „durchsickern“ zu lassen. Die Staatsanwaltschaft, welche die Ermittlungen leitet, sagt, dass es noch nicht an der Zeit ist, an die Öffentlichkeit zu gehen, der NATO-Generalsekretär ist der gleichen Meinung, und die Politiker versuchen, sich vorerst aus dem Fall herauszuhalten. Die verdächtigte ukrainische Regierung hat sich ebenfalls distanziert.
Fest steht, dass die beiden Gaspipelines gesprengt wurden und für Europa, insbesondere Deutschland, ein enormer wirtschaftlicher Schaden entstanden ist.
Die Nutznießer waren Norwegen und die Vereinigten Staaten. Für die Russen macht das fast keinen Unterschied. Sie haben sich einen anderen Markt gesucht, und Europa kauft ihnen weiterhin ihr viel zu teureres Flüssiggas ab. Im September könnte die Ukraine vielleicht noch ein Interesse daran gehabt haben, dass weder Deutschland noch irgendjemand sonst im Winter daran denkt, Gas aus dieser Pipeline zu entnehmen.
Man muss sich fragen, ob diese Geschichte, die jetzt nach dem Treffen zwischen Biden und Scholz auf den Medienmarkt geworfen wurde, wahr sein könnte. Bereitet man sich etwa darauf vor, die Hilfe für die Ukraine auf diese Weise zu unterbrechen? Oder werden die ukrainischen Fäden in der nächsten Phase der Ermittlungen den entscheidenden Beweis für russische Sabotage liefern? Oder handelt es sich nur um ein Ablenkungsmanöver? Denn die Welt ist überzeugt, dass die Vereinigten Staaten hinter dem Bombenanschlag stecken.
MAGYARUL: https://www.magyarhirlap.hu/velemeny/20230309-ennyire-hulyenek-nem-nezhetik-europat
Autorin Dr. phil. Irén Rab ist Kulturhistorikerin
Deutsche Übersetzung: Dr. Andrea Martin
3 Kommentare
Wieck mit ck liegt auf dem Darß, aber im Bodden, also innen! Wiek ohne c auf Rügen. Da aber steif und fest behauptet wurde, Wieck auf dem Darß muss mir mal einer den Blödsinn logisch erklären! Glotzt auf die Landkarte bevor so ein Schwachsinn die Runde macht!
Zu den beiden Fragen am Ende des Artikels möchte ich sagen, daß man wohl beide zugleich wird bejahen können. Daß die Nachricht von der Sabotage durch ukrainefreundliche Amateure eine Falschmeldung sein dürfte, um die Urheberschaft an diesem Verbrechen, die Seymore Hersch mit vielen Details schlüssig dargetan hat, zu verschleiern, läßt ja der vorliegende Artikel mit besten Argumenten erkennen.
Die andere Hypothese, daß hier nämlich die allmähliche Rücknahme des westlichen Engagements für das ukrainische Regime vorbereitet werden soll, paßt sehr gut dazu, was Anfang Februar d.J. Thomas Röper und Robert Stein im Netz dargelegt haben. Sie analysieren recht ausführlich eine aktuelle Studie der Rand-Corporation, die dem Pentagon und der US-Army nahesteht. In diesem 300-Seiten-Papier wird der noch zu erwartende wirtschaftliche und geostrategische Nutzen für die USA für den Fall einer weiteren Unterstützung für das ukrainische Regime und Militär dem dafür erforderlichen materiellen Aufwand gegenübergestellt. Da diese Bilanz negativ ausfalle, so die Studie, werde empfohlen, das Engagement in einer für die westliche Öffentlichkeit akzeptablen Weise allmählich zurückzufahren. Die jetzige Medien-Ente könnte m.E. daher ein erster Schritt in diese Richtung sein.
Hier ist der Link zu diesem hochinteressanten Beitrag: https://www.youtube.com/watch?v=v2fhEKxia-4
I find it interesting that the New York Times is so quick to absolve the United States of any involvement in the recent bombing of the Nord-Stream Pipeline, especially given the country’s history of interventionism in foreign affairs. However, I do agree that it doesn’t make sense for the U.S. to be involved in this particular situation, especially if they are not directly affected by the pipeline.
But I do wonder, why is it that the Germans are so concerned with avoiding trade with Putin and Russia? Is it purely a moral issue, or are there economic or political factors at play? And if they do choose to shut down the pipeline, what will the consequences be for their relationship with Russia and for their own energy needs?
It’s important for us to consider these questions and not simply take the media’s word for it when it comes to complex geopolitical issues.