Suche

Familienpolitikerin als Staatspräsidentin Ungarns kandidiert

21. Februar 2022 Cicero von Alexander Marguier

Mit Katalin Novák soll erstmals eine Frau Präsidentin Ungarns werden – die Opposition schäumt zwar, aber die Orbán-Vertraute weiß um ihre Beliebtheit als Familienpolitikern

Katalin Novák ist so ziemlich das exakte Gegenteil von dem was man sich unter einer verbiesterten Rechtspopulistin vorstellen könnte: Die 44-Jährige ist freundlich, zugewandt, lacht gern und ist schon viel herumgekommen in der Welt. Dennoch schäumten ihre politischen Gegner förmlich über, als Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán sie kurz vor Weihnachten für das Amt der Staatspräsidentin nominierte. Sie sei noch „weniger qualifiziert” als der aktuelle Amtsinhaber János Áder, um ein Gegengewicht zum Regierungschef zu bilden, empörte sich etwa Péter Márki-Zay, der Kandidat der vereinigten Opposition und Herausforderer Orbáns bei den im April bevorstehenden Parlamentswahlen. Dass die Spitze der regierenden Fidesz-Partei sich auf Novák festgelegt habe, folge der simplen Erkenntnis,dass man

im konservativ geprägten Ungarn mit einer Frau im höchsten Staatsamt

glaube auftrumpfen zu müssen.

Zwei Punkte an diesem harschen Urteil sind unbestritten: Katalin Novák ist eine Frau. Und sie genießt das unbedingte Vertrauen des mit einer gewissen Neigung zum Absolutismus herrschenden Fidesz-Vorsitzenden, dessen Parteivize sie schon im Jahr 2017 wurde, Aber ähnlich wie in Deutchland fällt auch in Ungarn dem Staatsoberhaupt die Aufgabe zu, die „Einheit der Nation” zum Ausdruck zu bringen und gewissermaßen über den Kleinklein des politischen Tagesgeschäfts zu schweben. Novák, Mutter von drei Kindern, hat mehrfach beteuert, dieser Rolle gerecht werden zu wollen – trotz allen Argwohns, der ihr aus der Opposition entgegengebracht wird.

Tatsächlich ist die Ritterin der französischen Ehrenlegion, die ihre politische Karriere im ungarischen Außenministerium begann, bei ihren Landsleuten weit über die Grenzen ihrer eigenen Partei hinaus durchaus populär. Und das liegt an Nováks Maßnahmen, die sie bis zuletzt als Familienministerin in die Wege geleitet hatte, um insbesondere jungen Paaren den Kinderwunsch zu ermöglichen. Babygeld, Steuerermäßigungen, Kita-Ausbau, finanzielle Unterstüzung beim Wohnungskauf und etliches mehr:

Kaum ein anderes Land leistet so viel staatliche Beihilfe wie Ungarn, um durch konsequente Familienförderung dem anhaltenden Bevölkerungsrückgang entgegenzutreten.

„Kinder statt Migration” könnte man diese Strategie gegen den demografischen Wandel verkürzt nennen. Von der angestrebten Gesamtfruchtbarkeitsrate in Höhe von durchschnittlich 2,1 Geburten je Frau ist man zwar in Ungarn noch weit entfernt. Aber eine Trendwende scheint erreicht.

Katalin Novák wäre die erste Frau im Präsidialamt, ihre bevorstehende Wahl durch die Parlamentsabgteordneten gilt als sicher. Zwar war für ihre künftige Amt ursprünglich der als polternder Nationalist berüchtigte Parlamentspräsident László Kövér vorgesehen, der aber lehnte angeblich ab. Die nun Auserwählte lächelt mit all ihrem Charme den Makel der Nachnominierung weg: daß sie auf  internationalem Parkett besser ankommt als der provokative Kövér, steht ohnehin außer Frage. Zumal sie diplomatisch erfahren ist, in Paris studiert hat und neben Französisch, Englisch und Spanisch auch fließend Deutsch als Fremdsprache beherrscht. Letzteres ist einem Aufenthalt im Taunus geschuldet, wo sie als junge Mutter mit ihrem Mann lebte, der anderthalb Jahre lang für die EZB in Frankfurt tätig war,

Als ungarische Staatspräsidentin wird Novák zwar nicht über große Exekutivmacht verfügen; zu ihren wichtigsten Befugnissen zählen dann etwa das Recht auf Gesetzesinitiative und zur Parlamentsauflösung. Aber es gilt als sicher, dass sie auf die eine oder andere Weise ihre familienpolitische Agenda auch als Staatsoberhaupt fortsetzen wird, Zum Thema Demografie befragt, sagte die studierte Ökonomin unlängst gegenüber dem Nachrichtenportal Index.hu: „Was ich in Westeuropa sehe, ist, dass Politiker fatalistisch die Zukunft akzeptieren.

Man dürfe das Ziel nicht aufgeben, „dass junge Menschen einen Sinn und Schönheit in der Gründung einer Familie finden”.

Während im sich progressiv wähnenden Westen solche Sätze mitunter schon als reaktionär empfunden werden dürften, lässt sich Novák vom linken Zeitgeist nicht beirren. „Das Haus der europäischen Konservativen wurde leerer und leerer, die verbliebenen Bewohner wagten bis jetzt selbst untereinander kaum das offene Wort”, konstatierte sie vorigen April in einem Beitrag für die Welt. An selbstbewusstsein mangelt es ihr jedenfalls nicht: Die Staaten Mitteleuropas seien als EU-Mitglieder längst erwachsen geworden, lautet ihr Credo – und dass man auf Belehrungen von außen gut verzichten könne.

Worauf es ihr ankommt im aktuellen ost-westlichen Ringen um die Deutungshoheit in Europa? Katalin Novák hat dafür ein deutsches Wort parat: „Augenhöhe”.

Alexander Marguier ist Chefredaktuer von Cicero

2 Kommentare

    1. „Endlich ein Artikel, der sachlich und nicht voreingenommen ist! Wie lange bleibt die Chefredakteurin im Amt?“

      Ich bitte um Nachsicht, ich habe natürlich den Chefredakteur gemeint, eh jemand noch auf den Gedanken käme, ich möchte Herrn Marguier etwas unterstellen…..

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert