10. März 2021 Budapester Zeitung von JAN MAINKA
Viele Deutsche und Ungarn engagieren sich in dem festen Bewusstsein, dass es wichtig und sinnvoll ist, sich für ein besseres Miteinander einzusetzen.
In Ungarn lebende Deutsche sind – großteils ehrenamtlich – zu diesem Zweck in einer Vielzahl an Organisationen aktiv. Sie tun dies aus innerem Antrieb. Einfach weil es ihnen Ungarn wert ist, sich nach Kräften für dieses schöne Land einzusetzen, und weil das deutsch-ungarische Miteinander noch viel Entwicklungspotenzial bietet.
Empörung über die diffamierende Behandlung
Es ist aber nicht nur eine dankbare, lohnenswerte Sache, sich für Ungarn zu engagieren. Das Pro-Ungarn-Engagement vieler Deutscher speist sich zugleich aus der Empörung über die diffamierende Behandlung, die Ungarn durch weite Teile der deutschen Politik und Mainstream-Medien zuteilwird.
Ein Grundproblem der deutsch-ungarischen Beziehungen ist, dass jene, die aus hautnahem Erleben und eigener Anschauung wissen, wie Ungarn wirklich ist, kaum eine Stimme haben. Wohingegen jene, die sich mittels Massenmedien Gehör verschaffen, über so gut wie keine eigenen Ungarn-Erfahrungen verfügen.
Oft tragen sie nur weiter, was ihnen von oppositioneller Seite oder regierungskritischen NGOs als „Wahrheit“ über Ungarn zugetragen wurde. Der Opposition und den NGOs ist dabei kein Vorwurf zu machen. Sie machen einfach nur ihre Arbeit und nutzen dabei natürlich jedes hingehaltene Mikrophon, um ihre Botschaften loszuwerden.
Verantwortungslose Verbreitung eines realitätsfernes Ungarnbildes
Sehr wohl aber müssen sich deutsche Politiker und Medienvertreter den Vorwurf gefallen lassen, sich in der Ferne aus diesen selektiven Versatzstücken und gemäß ihrem ideologischen Bauplan
realitätsferne Ungarnbilder nicht nur zu basteln, sondern sie auch verantwortungslos zu verbreiten.
Inzwischen sind sie so sehr von ihren abstoßenden Schöpfungen überzeugt, dass sie sich anmaßen, aus diesen ganz reale Forderungen, etwa nach dem Entzug von Ungarn zustehenden EU-Geldern abzuleiten.
Ihre Besessenheit, Ungarn zu züchtigen und erziehen, treibt immer absonderlichere Blüten:
Kürzlich wurde bekannt, dass die aus Steuergeldern finanzierte Deutsche Welle Sendungen in ungarischer Sprache plant, um damit wie einst im Kalten Krieg auf Ungarn einzuwirken. Was für eine Überheblichkeit!
Überheblich und unverfroren
Um sich die Unverfrorenheit dieser geplanten ideologischen Einflussnahme zu vergegenwärtigen, braucht man sich nur einmal vorzustellen, was passieren würde, wenn Ungarn auf die Idee käme, einen deutschen Informationskanal zu starten, um den Deutschen etwa in Sachen Grenzschutz, Familienpolitik oder Nationalstolz Nachhilfeunterricht zu erteilen.
Was für einen Aufschrei würde allein schon der laut geäußerte Gedanke an ein derartiges Vorhaben auslösen! Zu Recht! Missionierung unter Partnern sollte allein schon der gegenseitige Respekt verbieten!
Wegen der immer größeren Entkopplung von ungarischer Realität und künstlich erzeugten Negativbildern über Ungarn haben all die deutsch-ungarischen Initiativen, von denen ein kleiner Teil in dieser Ausgabe erwähnt und gewürdigt wird, mehr denn je eine Existenzberechtigung.
Wir betrachten es als ehrenvolle Aufgabe, diesen Aktivitäten mit der Budapester Zeitung auch weiterhin eine mediale Plattform zu bieten.
Der Autor, Jan Mainka ist Chefredakteur und Herausgeber der Budapester Zeitung https://www.budapester.hu/meinung/ungarn-deutschland-die-realitaetsanwaelte/
Zeichnung: Theo Mainka, „Friedliche deutsch-ungarische Landschaft und ein Roth-Specht.“
Ein Kommentar
Danke, Herr Mainka, für diesen hervorragenden Artikel! Ich kann jedes Wort darin voll unterschreiben, da ich zu den Deutschen gehöre, die das Glück hatten, wenigstens einzelne Ungarn sehr gut kennenzulernen.
Wie Sie sagen, liegt die Verantwortung für die Störung des deutsch-ungarischen Verhältnisses bei den Politikern und Medienvertretern, die ihre Wahrnehmung allein auf die Perspektive der ungarischen Opposition gründen. Dahinter steht das Phänomen, daß man allgemein nur wahrnimmt, was man wahrzunehmen bereit ist. Von verantwortlich handelnden Journalisten sollte man erwarten, daß sie diese Bereitschaft bei sich selbst ständig überprüfen und zu erweitern trachten. Genau das geschieht nicht mehr, seit in Deutschland „Haltungsjounalismus“ als Parole ausgegeben wurde. Das heißt nichts anderes, als daß die linksliberale Haltung der Regierenden und der wie sozialistische Blockparteien agierenden angeblichen Oppositionsparteien Grüne, Linke und FDP einen Meinungskorridor geschaffen hat, jenseits dessen alles als böse gilt und verteufelt werden muß. Die deutschen Medien haben sich selbst also prinzipiell gleichgeschaltet und auf Linie gebracht.
Treffend ist auch Ihr Wort „missionieren“. Aus meiner Sicht wird hier auf geradezu fundamentalistische Weise eine Ersatzreligion propagiert mit dem Credo Diversity, Gender Mainstreaming, wesenhafte Gleichheit aller Menschen und Rettung des Planeten. Wer das Bekenntnis dazu nicht in allen Punkten ausspricht, wird als Ungläubiger oder Ketzer verfolgt wie ein Kuffar oder ein Renegat vom IS: wenigstens symbolisch „Kopf ab!“, möglichst vor laufender Kamera.