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„Nur für eine Nacht“ – Klagelied von Leiden und Sterben der Soldaten

30. März 2023 Művelődés von KÁROLY SZŐCS

In Memoriam Géza Gyóni

Das Gedicht ”Nur für eine Nacht” beklagt das Leiden und Sterben von Soldaten und ist zugleich auch eine Anklage an die Adresse der zuhause gebliebenen Maulhelden, Querulanten, Nutznießern des Krieges, sowie den sogenannten ”Nebelfressern”. Das Ge­dicht wiegelt aber nicht auf: es bleibt beim ”Herrgott halt ein und sei gut” und ”zu Christus betend” – und trotzdem fesselt es und nimmt uns in seinen Bann. Es ist ein aus einer ausweglosen Lage in be­mes­sener Kadenz vorgetragenes Klagelied derer, die sich ihrem Schicksal ergaben, um ihre Rolle nach dem Ehrenkodex der patriotischen Pflichterfüllung – wo­nach man für Kaiser, König und Vaterland nur ehren­voll oder ehrlos sterben könne – zu Ende zu spielen. Das Ehrenvolle für das Vaterland – worüber man meist irreale und romantische Vorstellungen hatte – ließ aber keine Alternative zu.

Przemysl war – nach Verdun und Antwerpen – die drittgrößte, am besten ausgestatteten und modernsten Festung des damaligen Europas, die wichtigste Festung der Österreich-Ungarischen Monarchie im Ersten Weltkrieg. Ihre Lage verschaffte dem Besitzer eine sehr sichere Position in Galizien. Die russische Armee nahm die Festung Przemysl am 17. September 1914 unter Belagerung. Nach mehr als 6 Monate lang dauernder Belagerung sah sich am 28. März 1915 der Kommandant General Hermann Kusmanek ge­zwun­gen zu kapitulieren, also die Festung auf­zugeben:

2 593 Offiziere und 117 000 Soldaten – mehr­heitlich ungarischer Regimenter – fielen in russische Gefangenschaft. Die k.u.k. Monarchie erlitt ihre größte militärische Niederlage des Krieges. 

Der Dichter, Géza Gyóni (1884-1917) zog sich mit patriotischer Begeisterung die Soldatenuniform an. Seine Gedichte vom Herbst 1914 sind noch mit kriegerischem Pathos ge­schrie­ben, sehr bald aber, im November 1914, war die Kriegsbegeisterung spurlos verflogen, und es klingen in ”Nur für eine Nacht!” mit melancholischer Stimme all´die Gräuel und Leiden des Krieges auf. Letzte Station seines Lebens wurde das Kriegsgefangenenlager im sibirischen Krasnojarsk (Rotes Ufer – Großstadt am Ufer von Jenissei, in Sibirien ), wo er körperlich und seelisch gebrochen, an seinem 33. Geburtstag starb.

Gyóni Géza: Csak egy éjszakára! Előadja Gáti Oszkár

NUR FÜR EINE NACHT

Nur für eine Nacht schickt her mir all jene
Zänker, Nörgler, der Parteien Kampfeshähne.
Nur für eine Nacht:
Die sich ewig brüsten, dass sie nie vergessen,
Während wir Kanonenfutter bilden unterdessen,
Fern von der Heimat in den Schützengräben liegen
Und die blei’rnen Todesschwalben um uns fliegen.
 
Nur für eine Nacht schickt her mir, die da fluchen,
Dort, wo Balken brechen, stets nur Splitter suchen,
Nur für eine Nacht:
Wenn Granaten grässlich heulen auf den Strecken,
Heldenleichen blutgetränkte Erde decken,
Wenn die Kugel leuchtet von des Feindes Schusse,
Rot sich färbt das Wasser in dem Weichselflusse.
 
Nur für eine Nacht schickt her mir all jene,
Die durch Geiz und Wucher wurden zur Hyäne.
Nur für eine Nacht:
Wenn die Recken am Vulkan im Schlachtenraume
Fortgewirbelt werden wie das Blatt vom Baume;
Wenn die Krieger stürmen mit dem Bajonette,
Das Geschoss versengt zum kohligen Skelette.
 
Nur für eine Nacht kommt von den Wirtshausbänken,
Um an eurer Mutter Herzenspein zu denken.
Nur für eine Nacht:
Zittern würdet ihr vor Kälte, schmerzlich jammern;
Hilfesuchend euch an eure Heil’gen klammern;
Möcht verzweifelt, reuig in die Brust euch schlagen
Und zerknirschten Herzens zu dem Heiland klagen.
 
Güt’ger Himmel, was soll alles ich noch geben,
Welche Sühne für mein nacktes Leben?
Alle würden sie beteuern:
Dass vom sündenvollen Leben sie nun lassen,
Weil sie klar erst hier die Allmacht Gottes fassen,
Würden gegen unser Blut auch nicht mehr schüren,
Wollt‘ für eine Nacht nur sie mal zu uns führen.

Przemysl, im November 1914
Deutsche Übersetzung von Karl Somló (Wien, 1918)

MAGYARUL/ANGOLUL: Kár­oly Szőcs: In memoriam Gyóni Géza http://www.muvelodes.ro/index.php/Cikk?id=400

 

 

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