27. Mai 2022 UNGARN heute
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán hat in einem Schreiben an den Präsidenten des Europäischen Rates, Charles Michel, vorgeschlagen, das jüngste Sanktionspaket der Europäischen Union gegen Russland bei der nächsten Ratstagung nicht auf die Tagesordnung zu setzen.
Es sei „sehr unwahrscheinlich, dass vor dem Sondergipfel des Europäischen Rates am 30. und 31. Mai eine umfassende Lösung gefunden werden kann“, schrieb der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán in einem Brief an EU-Ratspräsident Charles Michel nach einer gemeinsamen Videokonferenz am Dienstag. Laut Orbán würden die Sanktionen gleich zu schwerwiegenden Unterbrechungen der ungarischen Energieversorgung führen und die Energiesicherheitsinteressen des Landes untergraben.
Die Sanktionen würden die Spritpreise um 55- bis 60-Prozent ansteigen lassen und das zu einer Zeit, in der die Energiepreise bereits ein 40-Jahres-Hoch erreicht haben. Weder die ungarischen Haushalte noch die ungarische Wirtschaft könnten einen solchen Preisschock verkraften.
Der ungarische Regierungschef nannte es zugleich „kontraproduktiv“, das sechste Sanktionspaket gegen Russland auf dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs zu diskutieren, solange es keinen Konsens gebe.
Ungarn ist immer noch stark von russischen Energieimporten abhängig, obwohl umfangreiche Investitionsprojekte zur Diversifizierung der Energiequellen und -routen des Landes dazu geführt haben, dass der Anteil Russlands an den ungarischen Lieferungen von über 90 Prozent im Jahr 2010 auf 64 Prozent im Jahr 2021 gesunken ist.
„Aufgrund unserer geografischen Lage ist der Ausstieg aus der russischen Versorgung nicht möglich, ohne dass wir unsere Raffineriekapazitäten komplett umstellen müssen, was auch verstärkte und beschleunigte Investitionen in unsere Energieinfrastruktur und eine rasche Umstellung auf umweltfreundliche Technologien erfordert“ betonte Orbán weiter.
Der Premierminister wies auch darauf hin, dass die meisten Investitionen nicht auf Marktbasis finanziert werden können, so dass Sanktionen die Umwidmung nationaler Ressourcen in überflüssige fossile Investitionen erfordern würden, während die dafür vorgesehenen EU-Mittel nur „auf dem Papier“ zur Verfügung stünden.
Er sagte, dass es zwar ermutigende Anzeichen seitens der Europäischen Kommission gegeben habe, dass der REPowerEU-Plan eine zufriedenstellende Lösung für die Probleme bieten würde, „aber der am 18. Mai vorgestellte Plan geht nicht speziell und umfassend auf die ernsthaften Bedenken ein, die wir vorgebracht haben“.
Nach der Interpretation der ungarischen Regierung sollte eines der Hauptziele des REPowerEU-Plans darin bestehen, die Abhängigkeit der EU von russischen fossilen Brennstoffen rasch zu verringern. Was die Sicherheit der Ölversorgung betrifft, so umfasst der Plan die Modernisierung der Raffinerien für Erdölprodukte, die Erweiterung der Kapazität der bestehenden Infrastruktur und die Beseitigung bestehender Engpässe, so der Premierminister.
Für die am stärksten betroffenen Mitgliedstaaten, die nicht an der Küste liegen, ist jedoch kein Finanzrahmen vorgesehen. Es gibt auch keine Hinweise darauf, wie und wann der dringende Investitionsbedarf zum Ersatz des russischen Öls finanziert werden soll.
Der Premierminister sagte auch, der REPowerEU-Plan berücksichtige nicht die unterschiedlichen Energiebedürfnisse der Mitgliedstaaten, die sich aus ihren verschiedenen Energiemixen ergeben.
„Wir sind davon überzeugt, dass eine klare Unterscheidung zwischen dem kurzfristigen Investitionsbedarf zur Verringerung der russischen Energieabhängigkeit und dem längerfristigen Bedarf für den Übergang zu erneuerbaren Energien getroffen werden muss“ schrieb er und betonte, dass dies für einige Mitgliedstaaten wie Ungarn von entscheidender Bedeutung sei, da beides nicht gleichzeitig erreicht werden könne, ohne eine ernsthafte Bedrohung unserer Energiesicherheit.
Orbán erklärte, dass die Einbeziehung der EU-Fazilität für Konjunkturbelebung und Krisenbewältigung (RRF) in den REPowerEU-Plan „ernste Probleme für Ungarn“ aufwerfe, da die Möglichkeit, RRF-Darlehen zur Verringerung der Energieabhängigkeit zu nutzen, nicht für alle Mitgliedstaaten gleichermaßen zugänglich sei.
Der ursprüngliche Verteilungsschlüssel der RRF-Sonderfazilität, mit dem die Mitgliedstaaten unterstützt werden sollten, die am stärksten von den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie betroffen sind, würde in Wirklichkeit bedeuten, dass Mittel von den Mitgliedstaaten abgezogen werden, die sie am dringendsten benötigen, schrieb er.
Orbán wies darauf hin, dass Ungarn die ersten fünf Sanktionspakete der EU gegen Russland unterstützt und mit der Europäischen Kommission zusammengearbeitet habe, um eine Lösung für die Probleme im Zusammenhang mit dem sechsten Paket zu finden.
„Wir sind entschlossen, die Verhandlungen mit einem pragmatischen und ergebnisorientierten Ansatz fortzusetzen. Ungarn ist nicht in der Lage, das sechste Sanktionspaket zu akzeptieren, bevor keine Lösung für seine Probleme gefunden sind.“
Der Premierminister sagte, dass es „angesichts der Schwere“ der ungelösten Probleme „sehr unwahrscheinlich“ sei, dass vor der Sondertagung des Europäischen Rates am 30. und 31. Mai eine umfassende Lösung gefunden werden könnte. Die Lösungen müssen vor den Sanktionen kommen
„Ich bin davon überzeugt, dass eine Diskussion des Sanktionspakets auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs ohne Konsens kontraproduktiv wäre“, sschrieb Orbán und argumentierte, dass dies nur die internen Spaltungen hervorheben würde, ohne eine realistische Chance zur Lösung der Differenzen zu bieten.
„Es muss unsere Priorität bleiben, die Einheit der Europäischen Union zu bewahren“
schloss Orbán sein Schreiben.
Quelle: http://miniszterelnok.hu , UNGARN heute
Ein Kommentar
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