13. August 2021
Der slowenische Ministerpräsident Janez Janša, der derzeit den Vorsitz im Rat der Europäischen Union innehat, bezog Stellung im aktuellen Rechtsstreit zwischen Polen und den europäischen Institutionen. Das Interview mit der polnischen Nachrichtenagentur PAP, wurde am Donnerstag, den 5. August, vom konservativen Portal wPolityce.pl veröffentlicht.
Viele verstehen die Besonderheit der mitteleuropäischen Länder nicht
Ausgehend von den slowenischen Erfahrungen im jugoslawischen Kontext verwies Herr Janša zunächst auf die Schwierigkeiten Westeuropas – und insbesondere der Brüsseler Elite –, die Situation in Ost- und Mitteleuropa vollständig zu verstehen:
„Viele in Brüssel und anderswo haben keine historische Erinnerung an die totalitäre Ära und das damalige Justizwesen. Das bedeutet jedoch nicht, dass es keinen Totalitarismus gab und dass wir nicht vor bestimmten wichtigen Herausforderungen stehen. […]
Viele verstehen die Geschichte, die kulturellen und politischen Besonderheiten der Länder, die der EU nach 2004 beigetreten sind, nicht, und einige sehen nicht einmal die Notwendigkeit, sie zu verstehen.
Dadurch können sie die tatsächliche Situation nicht wirklich verstehen.“
Das EU-Recht steht nicht über den nationalen Verfassungen
Weiter ging er auf die aktuelle Frage ein, ob das EU-Recht Vorrang vor den nationalen Verfassungen habe oder nicht: „Das EU-Recht steht über dem nationalen Recht, aber es geht nicht über die Verfassung eines Mitgliedstaates hinaus.
Kein EU-Organ hat das Recht, einem Mitgliedstaat etwas aufzuerlegen, was gegen dessen Verfassung verstößt.
[…] Die jüngsten Entwicklungen in Bezug auf die Spannungen bei der Einhaltung des EU-Rechts sind besorgniserregend und erfordern eine ernsthafte und verantwortungsvolle Reaktion der Staats- und Regierungschefs aller Mitgliedstaaten. […] Als Land, das die EU-Ratspräsidentschaft innehat, will Slowenien nicht Teil der neuen Spaltungen in Europa sein, was auch immer die Ursachen sein mögen. Ich denke, die meisten EU-Mitgliedstaaten teilen diese Ansicht. In der Geschichte hat es zu viele solcher Spaltungen gegeben.
Europa muss vor allem ein Raum der Freiheit bleiben
Abschließend betonte der slowenische Ministerpräsident, warum sich die Europäer darauf konzentrieren sollten, was sie eint, und nicht darauf, was sie trennt:
„Unser Ziel ist ein vereintes, freies und mit sich selbst versöhntes Europa.
Ein Europa, das in der Lage ist, diesen Raum von Freiheit und von hohen Standards für den Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten auf seine Nachbarn auszudehnen. Denn je größer dieser Raum wird, desto sicherer und wohlhabender werden wir sein.“
Übernommen von Visegradpost
Janes Janza (1958-) Ministerpräsident Sloweniens 2004-2008, 2012-2013, 2020- . Seit 1993 Vorsitzender der Slowenische Demokratischen Partei (SDS)