„Zurück in die Mongolei!“ – über das Phänomen des Ungarnhasses in Rumänien

13. Oktober 2025 MASZOL von Erika Benkő

Ich möchte dem nachgehen, welche tiefen Zusammenhänge  zwischen der Entwicklung der rumänischen Geschichtsbetrachtung und der Erscheinung des in der letzten Zeit in immer stärker werdenden Inzidenzen zuspitzenden Ungarnhasses in Rumänien bestehen.

Ich glaube, es gibt keinen einzigen Menschen unter den ungarischen Lesern, der sich bei den Kommentaren der rumänischen Nachrichtenportale an einem bestimmten Punkt nicht der Aufforderung: „Zurück in die Mongolei“ gegenübergesehen hätte, egal zu welchem politischen Thema er sich geäußert hatte. Als zweiter Satz folgt dann, dass wir gar keine Ungarn wären, denn genetisch gesehen gäbe es gar keinen Ungarn, sondern nur ungarisierte Slawen oder ungarisierte Rumänen, besonders was uns Sekler betrifft. Und überhaupt, Sekler gäbe es gar nicht und das Seklerland auch nicht.

Die verzerrte Logik dieser Argumentation interessiert niemanden, nämlich: wir sollen zurück in die Mongolei, obwohl wir keine „Hunnen“ (daher die Mongolei) sind, auch keine Ungarn, sondern ungarisch sprechende Slawen. Letztlich überschneiden sich beide Aussagen in einem Punkt: ihr habt hier keinen Platz. Obwohl ich gewöhnlich über außenpolitische Themen schreibe, möchte ich heute dem nachgehen, welche tiefen Zusammenhänge  zwischen der Entwicklung der rumänischen Geschichtsbetrachtung und der Erscheinung des in der letzten Zeit in immer stärker werdenden Inzidenzen zuspitzenden Ungarnhasses in Rumänien bestehen.

Die Geschichte als legitimierendes Werkzeug der Politik

Wir leben in einer durch die Vielfalt der Nationen komplizierten Region, die einerseits seit der Römerzeit den unterschiedlichsten Völkern Heimat gegeben hatte, die aber andererseits durch eine relativ stabile politische Dominanz der vergangenen zwölf Jahrhunderte charakterisiert war.

Diesen politischen Status quo veränderte die Einrichtung der Großmächte im 20. Jahrhundert in der Weise, dass sie die mitteleuropäische, in erster Linie die politische deutsche Dominanz, deren Teil auch das Ungarntum war, aufgelöst hatte.

Teilweise kam das französische Interesse damit zur Geltung, wodurch Rumänien als ein neulateinische Sprache sprechender, französischer Verbündete eine große Rolle im Osten zugesprochen wurde. Es ist eine Form der soziologischen Gesetzmäßigkeit, dass neue Staaten beginnen, ihre nationalen Mythen zu erschaffen, und es ist offensichtlich, dass der Vorgang  eines nationalen Aufbaus in der Anfangsphase nie rücksichtsvoll verläuft – das geschieht immer zum Schaden von irgendjemandem. Im Großen und Ganzen bestimmt dieser politische Kontext den rumänischen, geschichtlichen Ursprungmythos, der sich vorerst von der durch das Ceausescu-Regime vertieften, vergesellschaftlichten und propagierten Geschichtsbetrachtung leider nicht lösen konnte. Das ist eigentlich nichts anderes, als ein politisches Werkzeug der Legitimation für einen neuen Nationalstaat.

Wie sehr diese Tatsache zutrifft, wird dadurch untermauert, dass jegliche wissenschaftliche Initiative, die sich in eine andere Richtung bewegt und zum Beispiel mit Hilfe der geschichtlichen Sprachforschung die Ursprünge der Rumänen rekonstruieren will, mit einem hysterischen Widerspruch von Seiten der rumänisch-akadämischen Darsteller konfrontiert wird. Es gibt mehrere solche Versuche, die bekannt sind – so zum Beispiel die Annahme des Schriftstellers Dan Alexe, dass sich die rumänische Sprache auf dem Balkan durch den 1500 Jahre langen, römischen Kultureinfluss entwickelt hatte. Weiterhin stellte Dan Ungureanu als Urheber eine ähnliche geschichtlich-sprachliche Theorie auf, die besagt, dass die rumänische Sprache norditalienische Wurzel hätte, und von dort aus sich langsam in Richtung Balkan ausbreitete.

Ich brauche gar nicht zu sagen, dass sie ihre Bücher kaum publizieren können: Ungureanu konnte sein Werk zum Beispiel in Rumänien nicht herausgeben, sondern ein Verlag in Moldavien veröffentlichte es. Sie sind natürlich ständigen Angriffen ausgesetzt. Sie werden als Vaterlandsverräter, als Roesler-Epigonen bezeichnet, obwohl sie nur sachbezogene, sprachwissenschaftliche Fragen aufwarfen und sich überlegt haben, wie konnten romanisierte Gemeinden in viele Gebiete des Balkans hinkommen – von Albanien, Griechenland, Nord-Mazedonien bis nach Kroatien. Die offizielle Antwort der rumänischen Akademie auf diese Frage ist, dass die auf dem Balkan lebenden Rumänen (Istrorumänen, Meglenrumänen, Arumänen etc.), die verschiedene Dialekte der dako-rumänischen Sprache sprechen, alle selbstverständlich aus den nördlich der Donau liegenden Gebieten auf den Balkan gewandert sind – zu einem von den Leuten der Akademie nicht genannten Zeitpunkt. Doch bleiben wir bei ernsthafter Betrachtung: diese Sprachen unterscheiden sich in etwa von eineinder wie Spanisch, Italienisch oder Portugiesisch.

Im Gegensatz dazu besteht die Tatsache, dass der rumänische Staat für diese arumänischen Gemeinden sowohl im 19., als auch im 20. Jahrhundert eine massenhafte Einwanderung ins Land gewährte.

Die Wanderbewegung der arumänischen Stämme erfolgte also genau in entgegengesetzter Richtung – auch anhand des in der letzten Zeit exakt dokumentierten Bewegungsmusters.

Das Einhergehen der verzerrten geschichtlichen Betrachtung mit den extremen politischen Kräften

Die stärker werdenden, ungarnfeindlichen Inzidenzen der letzten Zeit kann man auf eine ideologische Linie zurückführen, in deren Mittelpunkt die schlimm verzerrte Geschichtsbetrachtung steht, die sich schließlich in der rumänischen Legionärsbewegung zuspitzte. Diese Ideologie grüßt leider in der Schändung des ungarischen Soldatenfriedhofs aus dem ersten Weltkrieg im Uz-Tal zurück, man kann sie aber auch bei den Misshandlungen gegenüber den Ungarn oder ebenso in der andauernden Entfernung ungarischer Merkmale aus dem Bereich der Symbolik erkennen.

Und das ist nicht nur ein politisches Vergehen der extremen Rechten, weil der Staat stillschweigend diese gegen die Ungarn gerichteten, schwer diskriminativen Taten unterstützt.

Es bedarf die stillschweigende Beteiligung des Staates, dass die Bürgermeister im Seklerland wegen der Hissung der Seklerfahne mit mehr als zehntausend Euro Strafe sanktioniert werden; es bedarf die staatliche Unterstützung der Arbeit eines komplexen Netzwerkes, das überall den ungarischen Aufschriften den Kampf angesagt hat. Der Staat nimmt manchmal den Verursacher in Schutz, wenn eine Video-Aufnahme von einer Gewaltandrohung existiert – die Rechtsprechung stellt nur mit einer gewissen Lockerheit fest, dass sie keine ethnisch motivierten Beweise bei der Verübung der Gewalttat wahrnehmen kann. Es gibt eine lange Reihe solcher Geschehnisse.

Natürlich spielt der Staat auch darin eine Rolle, dass der rumänische Geschichtsunterricht immer noch die nationalkommunistische Interpretation der Ceausescu-Ära widerspiegelt, wonach die Ungarn hier nur Eindringlinge sind und die „echten“ Ureinwohner die Nachkommen der Dakorumänen wären, die von den ungarischen „Grafen“ jahrhundertelang gequält wurden.

Der offizielle Kurs der rumänischen Geschichte dient einfach dem Aufbau der nationalen Identität, noch dazu in einer sehr anfänglichen Phase, nämlich in der Phase der Mythenerzählungen.

Dieser intensive und aggressive Ungarnhass wird solange kein Ende nehmen, bis sich der Geschichtsunterricht in diesem Land  nicht verändert, er betrachtet nämlich zur Zeit den Ungarnhass als eine legitime Reaktion auf die Geschichte und behandelt ihn als einen Teil der nationalen Identität. Dieser Erscheinung kann man nur so entgegenwirken, dass das rumänische Nationalbewusstsein nicht den Ungarn gegenüber aufgebaut wird und das rumänische Bildungswesen darauf achtet, dass die nächsten Generationen nicht zum Hass gegenüber der während der Geschichte hier niedergelassenen Minderheiten erzogen werden, sondern dass  die vielen Jahrhunderte dauernde Existenz der Minderheiten in diesem Land durch Bildung und Unterricht anerkannt und sie als wertvoll betrachtet wird.

Wir haben letztes Jahr bei den Wahlen gesehen, wie die falsch interpretierte Geschichte eine Entgleisung in die Richtung der Extremen bewirken kann. Diese Fragen wiegen schwer, sie müssten auf der allgemein-gesellschaftlichen Ebene behandelt werden und zwar möglichst bald. Das ist nicht nur im Interesse der Ungarn in Siebenbürgen, sondern auch im Interesse  der rumänischen Gesellschaft, weil sonst ein sehr großer Teil der Gesellschaft immer mehr in eine extreme Richtung abdriftet, was früher oder später als Bumerang zurückschlägt.     

MAGYARUL: https://maszol.ro/velemeny/Vissza-Mongoliaba-a-magyargyulolet-jelensegerol-Romaniaban  

Deutsche Übersetzung von Dr. Gábor Bayor 

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