12. Oktober 2022 Miniszterelnok.hu
Ministerpräsident Viktor Orbán hat am 10. Oktober im Rahmen des Wirtschaftsforums in Berlin eine Grundsatzrede zu den deutsch-ungarischen Wirtschaftsbeziehungen gehalten und Fragen aus dem Publikum beantwortet.
Ladies and Gentlemen!
We agreed that hopefully we will touch upon rather sensitive issues during the course of the discussion, so it would be better to speak Hungarian language on my behalf. And not to misunderstand you, it would be better to speak German language. But to start this whole discussion, may I have some remarks which are not dangerous even in English? First of all, I am very much happy to be invited here. It’s a good occasion. You know, I am here for an official visit, to see your chancellor, which has happened already. I’m happily reporting you that he is still alive, me also, so the conversation was fruitful and everybody can be happy with that. It was more than two hours and we discussed all the very difficult, complicated issues, but that was very good one, so I am very much thankful to him.
The second, which you probably should know, that every second year as a Prime Minister I came to Berlin to see the chancellor and the business community, as I did two years ago as well, and before that also in 2018. I think you can read a lot about Hungary in the German press, which is not exclusively positive on Hungary and on me personally. So may I just have some remarks that I belong to the old generation of the European politicians. I was for 16 years in opposition, and I am in power as Prime Minister 17 years. I have started to work in European politics as Prime Minister even when Helmut Kohl was the chancellor here, Jacques Chirac in France, and Tony Blair in Great Britain. So I belong to that generation. And I came from the anti-communist underground resistance movement prior to 1990, and I am member of the Hungarian Parliament for 32 years. I was elected by the very first election in 1990, so I am old-fashioned, freedom fighter and street fighter from the Hungarian political tradition, so please take me as I am. This is the situation where we are; I hope today we have a chance to have a very friendly and open discussion. Therefore, to start with my contribution, may I just immediately react on some remarks you have made on the Hungarian economy? That’s sensitive, so I will continue on Hungarian language.
Tatsächlich, 2010, als wir die Wahlen gewonnen hatten, setzten wir uns öffentlich das Ziel – und das ist wichtig –, dass es einige Gebiete der ungarischen Wirtschaft gibt, auf denen die Umformung unvermeidbar ist. Es ist nicht möglich, dass in einer Nationalwirtschaft nicht mindestens 50 Prozent des Banksektors in nationalen Händen liegen. Es ist nicht möglich, dass in einem Land nicht mindestens 50 Prozent des Energiesektors in nationalen Händen sind. Das „nationale“ kann staatlich oder privat sein, jedoch national. Ebenso in den Medien: Es ist unmöglich, dass in einem Land nicht die Mehrheit, die 50 Prozent nicht in nationalen Händen sind.
Und das hat eine Umformung notwendig gemacht. Doch habe ich 2010 genau gesehen, wie sich der Bankensektor verhalten hatte, als die Finanzkrise in 2008-2009 ausgebrochen war. Und Sie pflegen, als Geschäftsleute, zu sagen, Geld stinke nicht, was wahr ist, doch sein Eigentümer schon. Was so viel bedeutet, dass wenn es Probleme gibt, dann sorgt ein jeder zuerst für sein eigenes Land. 2008-2009 hat der Banksektor alles Geld aus Ungarn hinausgebracht, das notwendig war, um in Österreich und in Deutschland seine eigene Wirtschaft zu unterstützen, was eine legitime Sache ist, und wir haben das auch gar nicht beanstandet, jedoch ist diese Ausgeliefertheit eine unmögliche Sache. Oder stellen Sie es sich jetzt vor, wenn jene 50 Prozent des ungarischen Energiesektors, der größten Ölfirma oder der storage capacity, die es für Öl und Gas gibt, nicht in ungarischen nationalen Händen wären, wie könnte ein so kleines Land wie Ungarn in der Energiekrise bestehen? Das sind alles Dinge, die vielleicht Unannehmlichkeiten verursachen, doch eine Sache ist sicher: Mit uns kann man immer offen und ehrlich sprechen. Wenn etwas wehtut, wenn etwas nicht gefällt, unsere Tür ist immer offen, die der Herr Minister und auch meine, und man kann mit uns alles besprechen.
Es gibt keine Überraschungen in der ungarischen Wirtschaft. Wir können Ihnen genau sagen, was für mittel- und langfristige Pläne wir in welchem Sektor haben, was in dem einen Sektor geschehen wird und was in dem anderen. Auch jetzt habe ich Vereinbarungen mit zahlreichen deutschen Firmen. Ich habe eine Vereinbarung darüber, wie wir im Bereich der Telekommunikationsentwicklungen zusammenarbeiten werden. Wir haben eine Vereinbarung darüber, wie wir in der Digitalisierung zusammenarbeiten werden. Wir können den deutschen Gesellschaften mitteilen, denn wir haben bereits mit ihnen Gespräche geführt, wie wir mitihnen bei der Umstellung auf das grüne Energiesystem kooperieren werden, welche jene Gebiete sind, auf denen wir die deutschen Gesellschaften geradezu erwarten, damit sie gemeinsam mit uns die Modernisierungsprogramme verwirklichen. Es mag also
Schwierigkeiten geben, doch ist eine Sache sicher: Nichts ist verborgen, man kann mit uns über alles reden und wir geben Ihnen auf alles eine ehrliche Antwort.
Meine Damen und Herren!
Natürlich ist, hier vor Ihnen stehend, die Versuchung für mich groß, lange zu reden, denn
Sie sind Deutsche und ich bin Ungar, nicht wahr, wir betrachten die Welt von verschiedenen Orten aus, deshalb sehen wir sie auch auf unterschiedliche Weise, und es gibt keine spannendere intellektuelle Sache, als zu vergleichen, wie ein Deutscher die Welt sieht und wie sie ein Ungar sieht.
Dies wirft äußerst viele Themen auf. Geschichte: Wann standen wir Seite an Seite auf der falschen und der richtigen Seite der Geschichte, wann standen wir uns gegenüber, was war gut, was war schlecht, was sind Ihre wirtschaftlichen Interessen, längerfristig und strategisch, welche sind die unseren, wie wir diesen Krieg sehen, welche Auswirkung das auf die deutsche Wirtschaft besitzt? Es gibt zahllose äußerst spannende Fragen, über die ich lange sprechen müsste, und die Versuchung ist auch groß, doch jetzt muss ich kurz reden, da ich 25 Minuten bekommen habe. Danach wird es ein Gespräch geben, und wenn Sie die von mir umgangenen Fragen zur Sprache bringen möchten, dann stehe ich Ihnen zur Verfügung; auch in diesen Fragen werde ich Ihnen sagen, was wir, Ungarn, denken.
Jetzt werde ich aber über anderes sprechen, grundlegend über einige Grundfragen der deutsch-ungarischen Zusammenarbeit. Die erste Sache, die zu erzählen ich für wichtig halte, ist, dass die deutsch-ungarische wirtschaftliche Zusammenarbeit in erster Linie nicht wirtschaftliche Grundlagen besitzt. Selbstverständlich besitzt sie eine finanzielle Grundlage, rationale Kalkulation, Profitertrag und Profiterwartung, doch ist die Grundlage der deutsch- ungarischen Zusammenarbeit kultureller Natur. Natürlich kennen wir nicht die gesamte deutsche Welt, denn Ihre Welt ist gewaltig. Was wir kennen, ist das, was näher zu uns liegt. Wir kennen die bayerische Welt und die schwäbische Welt. Und ich muss sagen, wenn Sie einen Ungarn fragen, was er über die Deutschen denkt, was er über die Schwaben und die Bayern denkt, dann wird ein Großteil der Ungarn Ihnen ein positives Bild zeichnen und wird sagen, dass es nicht nur profitabel ist, mit den Deutschen zusammenzuarbeiten, sondern es ist gut, mit den Deutschen zusammenzuarbeiten. Ich gehöre zu der Generation, die man noch so erzogen hatte, dass man uns sagte: „Wenn Du über etwas wissen willst, was das ist, dass ‚es in Ordnung ist‘, dann geh‘ nach Deutschland, denn dort ist es in Ordnung.“ Deshalb gibt es ein äußerst positives Vorurteil zu einem Teil aus historischen Gründen und zum anderen Teil wegen Ihrer kulturellen Leistung.
Ungarn ist vielleicht das einzige Land außerhalb Deutschlands, wo der in Ungarn lebenden, großen deutschen Minderheit der deutschsprachige Unterricht vom Kindergarten bis zur Universität zur Verfügung steht.
Die deutsche Minderheit verfügt über eine parlamentarische Vertretung, die durch die in Ungarn lebenden Deutschen gewählt wird. Ganz gleich, ob dies positiv ist oder nicht, doch ich merke an, der Vertreter arbeitet auch gut mit der regierenden Mehrheit zusammen. Also sind die Fundamente der deutsch-ungarischen Zusammenarbeit viel tiefer, als dass sie irgendeine politische Kampagne, von Fall zu Fall auftretende Nichtübereinstimmung in wirtschaftlichen Fragen zerstören könnte. Deshalb ist es so, wie es der vor mir Sprechende sagte, in Ungarn verdienen 300 tausend Familien ihr Brot an Arbeitsplätzen, die zu deutschen Firmen gehören. Und 6.000 deutsche Firmen kommen auf ihre Rechnung in Ungarn.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Als wir 2010 in die Regierungsverantwortung zurückkehrten, waren das 2008-2009 wegen der globalen Finanzkrise äußerst schwierige Zeiten. Seitdem sind zwölf Jahre vergangen. Die Welt schreitet seitdem von Krise zu Krise. Und die wichtigste Sache, die im Übrigen auch mir das größte Selbstvertrauen verleiht, wenn ich hier, vor Ihnen, spreche, ist, dass wir seit 2010 aus jeder Krise gestärkt hervorgegangen sind. Wir sind stärker aus der Finanzkrise hervorgekommen, als wir in sie hineingegangen waren. Wir sind stärker aus der Migrationskrise hervorgegangen als wir hineingegangen waren. Wir sind stärker aus der
COVID-Krise hervorgekommen als wie wir hineingegangen waren. Ich muss sagen,
wenn Sie sich die Zahlen genau ansehen, dann werden Sie wenige europäische Länder finden, die mit den Krisen so gut umgegangen sind, wie dies Ungarn getan hat.
Was ist der Grund dafür? Das hat politische Gründe. 2008-2009 gab es in Europa eine große Diskussion, welchen Charakter die Finanzkrise besäße. War dies eine konjunkturelle Krise oder eine, die Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft zeigende, strukturelle Krise? Und die meisten europäischen Länder sagten, dies wäre eine konjunkturelle Krise, so ist der Kapitalismus: Manchmal gibt es Tiefen, manchmal gibt es Höhen, doch am Ende würden sich die Dinge ausgleichen. Ich habe diese Deutung niemals akzeptiert. Ich habe aus der Krise von 2008-2009 die Lehre gezogen, dass dies eine strukturelle Krise war, hinter der die Tatsache steckt, dass wir mit den aufstrebenden
asiatischen Ländern nicht werden Schritthalten können und Europa wird kontinuierlich an dem Teil des GDP-s der Welt verlieren, der auf es entfällt, es wird an Märkten verlieren und wird im technologischen Wettbewerb verlieren, wenn wir nicht Dinge ändern. Deshalb haben wir 2010 die richtige Antwort gegeben: Eine tiefgreifende strukturelle Reform, und wir haben die ungarische Wirtschaft dementsprechend auch ganz umgeformt.
Wir sind aus dem Grund relativ krisenresistent, denn Ungarn hat nach 2010 ein ungarisches Modell ausgebaut. Dies nehmen jene natürlich, die es nicht befolgen, immer mit Misstrauen auf. Wenn Du etwas anderes machst als die anderen, werden – da alle davon überzeugt sind, es selbst richtig zu machen – jene misstrauisch beobachten, die es anders machen. Und
wir haben ein ungarisches Modell sowohl in der Gesellschaftspolitik als auch in der
Wirtschaftspolitik aufgebaut. Das ungarische Modell ist ein gesellschaftspolitisch konservative, an den Zeitraum von Bundeskanzler Kohl erinnernde, christdemokratische Gesellschaftspolitik. Das ist eine auf Arbeit basierende Gesellschaft.
Wir gebrauchen niemals den Begriff der „welfare society“, das hört sich für uns äußerst verdächtig an, denn ein jeder würde gerne in der „welfare“ leben, die Frage ist nur, wer dafür das Geld produziert. Und die „welfare“ ist eine verdächtige Sache, in der es darum geht, dass auch der, der nicht arbeitet, Geld bekommt, was wir nicht mögen, deshalb errichten wir lieber anstelle der „welfare society“ die „workfare society“.
In Ungarn steht die Arbeit im Mittelpunkt, deshalb gibt es in Ungarn die Arbeitslosenunterstützung – auf ganz seltene Weise – für drei Monate. Für drei Monate! Und wenn jemand nach drei Monaten keine Arbeit findet, muss er zur kommunalen Selbstverwaltung gehen, die ihm Arbeit gibt. Diese finanziert der Staat und der Lohn beträgt die Hälfte des Minimallohns. Und wenn jemand von dort auf den Markt gehen kann, dann erhält er den Minimallohn. Als wir mit der Regierung 2010 anfingen, hatten wir 300 tausend
Menschen, die seit längerer Zeit auf Unterstützung waren als drei Monate, und da haben wir gesagt, man muss in diese kommunale Arbeit gehen. Heute gibt es weniger als 80 tausend, und den Unterschied hat der Markt aufgesogen, sie arbeiten bereits auf dem Markt. 2010 lag die Beschäftigungsrate in Ungarn irgendwo um die fünfzig und einige Prozent, und es arbeiteten 3 Millionen 600 tausend Menschen.
Heute liegt die Beschäftigungsrate um 75 Prozent und es arbeiten 4 Millionen 700 tausend Menschen. Das ist nicht Wirtschaftspolitik, das ist Gesellschaftspolitik:
Wo setzt Du die Akzente, auf die „welfare“ oder die „labour“? Und wir setzen den Akzent auf die Arbeit und wir sind der Ansicht, dass die „welfare“ dann das Ergebnis der Arbeit sein wird. Nicht die Arbeit ist das Ergebnis der „welfare“, sondern das Ergebnis der Arbeit ist die „welfare“. Das ist unsere Annäherung.
Die zweite wichtige Sache in dem ungarischen Modell ist, dass es ein auf der Familie basierendes Modell ist. Das ungarische ist ein individualistisches Volk. Die Freiheit ist für die Ungarn äußerst wichtig, darüber hat auch der vor mir Redende gesprochen. Wir sind bereit fürdie Freiheit zu sterben. Es ist auch nicht schlecht für sie zu leben, doch am besten können wir für sie sterben. Der Ungar ist also individualistisch. Doch im Kopf des Ungarn ist die Familie am wichtigsten. Individualistisch und familienzentrisch.
Deshalb steht im Mittelpunkt unserer Gesellschaftspolitik die Familie, die traditionelle Familie, auf die Weise, wie das bei Ihnen bis 2017 der Fall war, jene juristische Lage gibt es in Ungarn.
Und aus dem GDP wendet man in Ungarn am meisten für die Unterstützung der Familien auf.
Das ist sehr schwierig zu finanzieren, es ist sehr schwer, dies auf gerechte Weise zu tun, doch wir geben den Familien grundlegend an Arbeit geknüpfte Steuererleichterungen, wir finanzieren die Familien über die Arbeit. Wir geben also keine Versorgung des Typs „welfare“, sondern wir finanzieren die Familien über Steuererleichterungen durch Arbeit, doch im Mittelpunkt steht die Familie und deren Sakrament, aus dem man keinen Spaß, keinen Witz machen darf, sondern man muss es ehren.
Die dritte wichtige Sache in unserer Gesellschaftspolitik ist, dass wir auf den nationalen Stolz aufbauen. Ich weiß, dass dies in Deutschland, wenn es auf diese Weise ausgesprochen wird, so eine verdächtige Sache ist, doch wie ich das erwähnt habe, wir sind unterschiedlich und wir betrachten die Welt von unterschiedlichen Orten aus. Für einen Ungarn bedarf es einiger Dinge zum Leben. Man muss eine Mutter, einen Vater und Nationalstolz besitzen. Wenn eines davon fehlt, dann kann der Ungar nicht auf der Welt leben. Für uns gehört also der Nationalstolz zu den wichtigsten Dingen und unsere Gesellschaftspolitik baut auch darauf ausgesprochen auf. Und wir wünschten uns, dass der Nationalstolz der Ungarn sich immer mehr auf die Leistung gründet. Die Geschichte ist eine schöne Sache, wir besitzen eine fantastische Geschichte, wir besitzen gute Charakterzüge, auch das ist sehr gut, unsere Sprache ist unnachahmlich, doch am besten ist es, wenn unser Nationalstolz auch eine Leistungsgrundlage besitzt.
Und der sich auf Leistung gründende Nationalstolz ist ein wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaftspolitik.
Und schließlich ist es eine wichtige Sache in unserer Gesellschaftspolitik, dass es bei uns keinen Multikulturalismus gibt. Die ungarische Gesellschaft ist also nicht multikulturell. Ich weiß, das hört sich für ein deutsches Ohr merkwürdig an, denn hier gibt es eine multikulturelle Gesellschaft, was eine progressiv-liberale Vorstellung ist, die wir respektieren, aber nicht teilen. Also bei uns ist das anders. In Ungarn wenden wir in den meisten gesellschaftspolitischen Fragen keine progressive, sondern eine traditionelle Annäherung an. Soviel über die gesellschaftspolitischen Grundlagen des ungarischen Modells.
Und das ungarische Modell besitzt auch eine wirtschaftliche Grundlage. Das erste und wichtigste ungarische Modellelement in der Wirtschaft ist das niedrige Steuerniveau. Wir denken, die hohe Steuer tötet die Wirtschaft und tötet auch das Motivationssystem. Es ist gut, wenn die Menschen viel verdienen. Sie arbeiten viel und verdienen viel, und der Staat nimmt ihnen wenig weg, deshalb sind unsere Steuern niedrig.
Wir sind das einzige Land der Welt, in dem es eine wahrhaftige „flat tax“ bei der „income tax“ gibt. Das einzige!
Auch woanders gibt es ähnliche Dinge, aber überall gibt es eine Zerozone, bei uns gibt es sie nicht; das ist „flat“, eine vollkommene „flat tax“. Unsere Körperschaftssteuer ist niedrig: 9 Prozent. Und bei uns gibt es keine Erbschaftssteuer, weil wir meinen, dass das Erben eine Familienangelegenheit ist, damit hat der Staat nichts zu tun. Wenn für den in einer Familie entstandenen Besitz alle gearbeitet haben, die Mitglieder der Familie sind, dann kann man dies von ihnen nur deshalb nicht wegnehmen, weil die Älteren in einer Familie sterben und darauf eine Steuer erhoben wird. Das wäre in unseren Köpfen nicht richtig.
Und was am wichtigsten ist, wenn wir über Gleichheit reden, dann wollen wir nicht den Output regulieren, sondern den Input. Dies bedeutet, dass wir nicht – wie Ingenieure der Gesellschaft – vorschreiben wollen, wie es Gleichheit in einer Gesellschaft geben soll, wer reich sein darf und wie groß der Unterschied sein darf, sondern
wir wollen beim Input sagen, wenn Du eine Chance erhältst, wenn Du lernst, wenn Du eine Qualifikation erreichen willst, wenn Du einen Arbeitsplatz suchst, da muss man gleiche Chancen geben, doch von da ankönnen wir nicht garantieren, dass die gleichen Chancen ein jeder genauso nutzen wird.
Ja, es ist sogar gut, wenn es nicht allen gleich ergeht. Der Unterschied ist wichtig. Auch der Unterschied im Besitz ist wichtig, denn das motiviert den Menschen zu noch mehr Arbeit. Das soll man nicht ausmerzen, sondern man muss es zur Kenntnis nehmen und akzeptieren. Deshalb sind wir auf der Seite des Inputs, auf der Seite der Chancen Anhänger der Gleichheit, jedoch auf der Seite des Outputs sind wir das nicht, dort sind wir viel mehr Anhänger der Unterschiede, wir möchten eine „merit-based society“ sehen.
Über Ungarn, das ungarische Modell sollte man noch wissen, dass wir das 5. am ehesten „high-tech“-Land der Welt sind. Es ist wichtig, über Ungarn und das ungarische Modell zu wissen, dass wir aufgrund der Bevölkerungszahl das 95. Land der Erde sind und hinsichtlich des Exports sind wir auf der Erde die 35. Wir sind die 10. offenste Wirtschaft der Welt. Der GDP-Anteil des Exports ist der 10. höchste in der Welt. Wir sind eine der komplexesten Wirtschaften der Welt. Wenn man betrachtet, woraus das GDP entsteht, aus welchen Zweigen, misst man dies mit Hilfe des Komplexitätsindexes, und
obwohl Ungarn klein ist, ist es aber kein monokulturelles Land, sondern eines der zehn komplexesten Länder.
Und schließlich ist der Grenzschutz auch Teil unserer Wirtschaftspolitik. Dies hört sich im ersten Augenblick vielleicht sonderbar an, doch ist der Schutz der Grenze gegen Migranten in der Hinsicht eine wirtschaftliche Frage, denn weil wir ein offenes Land sind, brauchen wir eine „free-trade zone“, die Schengen ist. Wenn Schengen nicht geschützt ist, wenn die Außengrenzen der EU nicht geschützt sind, wird der Binnenmarkt zusammenbrechen, und das ist schlecht für Ungarn. Wir verteidigen also in erster Linie unsere Grenzen, und eröffnen deshalb keinen Korridor über Österreich nach Deutschland, durch den die Migranten ruhig hindurchspazieren könnten, dies machen wir nicht, weil wir dadurch Schengen niederreißen und den einheitlichen Markt zerstören würden.
Deshalb bauen wir lieber einen Zaun, stellen einen Grenzschutz auf und verteidigen den Binnenmarkt, ohne den die ungarische Wirtschaft nicht funktionieren könnte.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Soviel über die Vergangenheit und das ungarische Modell. Sprechen wir über die Gegenwart und die Zukunft! Was ist die größte Herausforderung? Die größte Herausforderung ist heute für uns, dass nach unserer Auffassung dem gesamten europäischen Kontinent eine große Rezession droht. Wir können darüber reden, warum das so ist: Energiepreise, die völlige Zerstörung der russisch-deutschen, der europäisch-russischen Kooperation, es gibt viele Dinge, wegen derer diese Rezession, wie ich das sehe, am Horizont herauszieht. Und es ist die Frage für die Ungarn, wenn es eine globale Rezession auf europäischer Ebene geben wird und wir auf dem gleichen Markt sind, ob wir dann in der Lage sind, eine lokale Ausnahme herzustellen.
Wie kann man von der Rezession verschont bleiben und dasWirtschaftswachstum aufrechterhalten? – das ist die große, die eine Million Dollar Frage für die ungarische Politik. Ist es für Dich, einem Land mit zehn Millionen Einwohnern, auf einem einheitlichen Markt, auf dem allen die Rezession droht, möglich, trotzdem von diesem Rezessionsumfeld verschont zu bleiben? Das ist die große Frage. Jetzt kann ich Ihnen natürlich nicht sagen, dass wir die Antwort besäßen. Ich wäre glücklich, wenn ich jetzt hier in meiner Tasche einen Blueprint, eine Skizze hätte, wie man das machen müsste. Doch eine Sache weiß ich mit Sicherheit:
Wenn wir eine lokale Ausnahme sein wollen, dann müssen wir den Akzent auch weiterhin auf die Entwicklung, die Investitionen und die technologische Innovation setzen.
Und deshalb wollen wir ein Krisenmanagement durchführen, in welchem Krisenmanagement der Akzent auf den Investitionen ruht. Das haben wir auch während COVID getan. In Europa hat man beinahe überall Propellergelder, Helikoptergelder verteilt, grundlegend um den Verbrauch aufrechtzuerhalten und um den Menschen sozial zu helfen. Wir haben nicht dies getan. Wir haben grundlegend die COVID-Krise auf die Weise überlebt und wir werden deshalb in diesem Jahr ein Wachstum zwischen 5-6 Prozent haben und hatten im vergangenen Jahr 7 Prozent, weil wir unser gesamtes Geld während der COVID-Krise in die Investitionen gelegt haben. Wir sagten den Firmen, darunter auch den deutschen Firmen: „Entwickelt, entlasst die Menschen nicht und wir geben Euch dazu Geld, arbeiten wir zusammen und das wird für alle gut sein.“ Wir verkündeten so ein Programm und haben unter den Akteuren der Wirtschaft sehr viel Geld verteilt, doch die Investitionen mussten innerhalb eines Jahres funktionieren. Wir haben damit im April 2020 begonnen und im April 2021 erschienen diese Zahlen bereits im Wachstum der Wirtschaft, und in den Zahlen dieses Jahres umso mehr. Wir denken also an etwas Ähnliches, wie man Ungarn von der Bedrohung der gegenwärtigen Rezession fernhalten könnte. Hierfür sehe ich Chancen.
Warum sehe ich eine Chance? Woraus wird das Defizit entstehen? Woraus wird die Rezession entspringen? Die Rezession wird deshalb entstehen, über die hohen Energiepreise hinaus, weil die für das Funktionieren der Wirtschaft wichtigste Sache in vielen europäischen Ländern verlorengehen wird. Dieses Wort, diese Sache, über die ich spreche, nennt man Sicherheit.
Berechenbarkeit und Sicherheit. Und dreierlei Sicherheit ist notwendig in den kommenden Jahren: politische Sicherheit, Energiesicherheit und physische Sicherheit.
Wenn ich über politische Sicherheit spreche, so kann ich Ihnen sagen, dass wir eine handlungsfähige Regierung sind, wir besitzen eine Zweidrittelmehrheit im Parlament. Das ungarische System ist also äußerst stabil. Ich sage es in Klammern: Ungarn ist das einzige Land, das seit 1990 kein einziges Mal vorgezogene Wahlen abgehalten hat. Jedes gewählte Parlament hat seine vier Jahre ausgedient. Sie sind hierin recht gut, aber selbst bei Ihnen ist es vorgekommen, dass es früher Wahlen gegeben hat, als dass die vier Jahre abgelaufen wären. Doch in Ungarn hat immer jedes Parlament seine vier Jahre absolviert und jede Regierung hat es gemacht. Sie können also darin sicher sein, dass im vor uns liegenden Zeitraum die politische Sicherheit und die politische Stabilität, da wir über die Zweidrittelmehrheit
verfügen, zur Verfügung stehen.
Das zweite ist die physische Sicherheit. Wir werden sicher noch darüber sprechen, doch wissen Sie vielleicht,
dass allein ich unter den Ministerpräsidenten mit der Stimme des Friedens rede. Alle anderen europäischen Ministerpräsidenten sprechen mit der Stimme des Krieges:
Wie man Putin besiegen muss, wie die Ukrainer siegen werden, wie man den Krieg gewinnen muss, wie man noch mehr und noch mehr Energie in den Krieg investieren muss. Meine Annäherung ist eine ganz andere. Ich glaube nicht an diesen Krieg, dem wird nichts Gutes entspringen, hieraus werden nur Dinge hervorgehen. Deshalb ist meinerAnsicht nach der Friede notwendig. Und Ungarn wird sich in keinerlei Konflikt verwickeln,wir liefern auch keine Waffen in die Ukraine – hierüber werden wir dann sicherlich reden –, und Ungarn wird mit Sicherheit die Insel des Friedens sein. Was sich auch immer im kommenden Zeitraum ereignen sollte. Die physische Sicherheit wird also in Ungarn im kommenden Zeitraum zur Verfügung stehen, wie auch immer sich der Krieg gestalten wird.
Und die dritte Sicherheit ist die Energiesicherheit. Heute ist die Situation die, dass wir über Gasreserven für sechs Monate verfügen. Wenn also morgen Früh kein einziges Molekül mehr käme, auch dann können wir die ungarische Wirtschaft sechs Monate lang so betreiben, als wenn nichts passiert wäre, unsere „storage capacity“, wie man das so sagt, ist sehr groß, und wir holen kontinuierlich einen Großteil des Gases grundlegend aus Russland durch die noch nicht in die Luft gejagte südliche Pipeline, nachdem Nord Stream bereits beschädigt ist und der Gastransport durch die Ukraine auch erliegt. Wir haben also Energie und wir schalten auch unser Nuklearkraftwerk nicht ab, ganz im Gegenteil: Wir verlängern jetzt seine Laufzeit noch für Jahre und wir errichten auch ein neues Atomkraftwerk, mit dessen Hilfe wir mittel-
und auch langfristig die Energieversorgung in Ungarn sichern können.
Ich kann also unseren deutschen Freunden,
ich kann Ihnen sagen, in den kommenden Jahren wird Ungarn ein Land sein, in dem es politische Sicherheit, physische Sicherheit und auch Energiesicherheit geben wird.
Ich möchte Sie also dazu ermuntern, die Zusammenarbeit mit uns so weiterzuführen, wie Sie das in den vorhergegangenen Jahren getan haben. Natürlich sind auch die Ungarn nicht vollkommen. Es ist traurig, aber ich muss gestehen, dass es so ist, wir sind nicht vollkommen, doch eine Sache ist sicher: Wer mit uns kooperiert, der hat einen Vorteil daraus. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg dazu!
Ich danke Ihnen, dass Sie mich angehört haben!
Ein Kommentar
Hier spricht die einzige Stimme der Vernunft, die in diesen Tagen von Regierenden in der EU zu vernehmen ist. Was gäbe ich darum, aus dem Berliner Grusel-Kabinett auch nur annähernd Vergleichbares zu hören!