20. Dezember 2022 Budapester Zeitung
In Europa, so auch in Ungarn, beginnt die Weihnachtszeit traditionell am ersten Advent. Die vierwöchige Adventszeit gilt seit dem 7. Jahrhundert als Vorbereitung auf Heiligabend. Lange galt die Zeit vor Weihnachten hier als Fastenzeit. Diese ist auch die reichste und vielfältigste Zeit, was die Volkstraditionen angeht. Das liegt daran, dass die Ungarn ihre alten Bräuche und viele Elemente ihres heidnischen Glaubens beibehalten haben. Aberglauben, Magie, Volksbräuche waren mit den christlichen religiösen Vorschriften gut integriert und oft mit ihnen verschmolzen.
Der Luzientag: Von Liebeszaubern und Zwangsurlaub für Frauen
Der ungarische Volksglaube kennt rund um die Weihnachtszeit einige Besonderheiten, wie etwa den St. Luzien-Tag (ung.: Luca Napja) am 13. Dezember. Dieser Tag galt seit Einführung des Gregorianischen Kalenders als kürzester und dunkelster Tag des Jahres. Deshalb fanden an diesem Tag Fruchtbarkeits- und Liebesbräuche statt. Junge Mädchen versuchten zum Beispiel herauszufinden, ob sie nächstes Jahr heiraten werden, und wer ihr künftiger Ehemann würde. . Auch wurde am Luzientag der besondere Luzien-Weizen gesät – wenn er einen langen Stiel bekam, konnte man mit guter Ernte rechnen. Besonders bemerkenswert ist das „Arbeitsverbot“ für Frauen am Luzientag. Die Frauen sollten die Arbeit deshalb ruhen lassen, um dadurch die Produktivität der Hühner zu steigern.
Praktiziert wird bis heute allerdings der Brauch des Luzien-Stuhls. Diesem Brauch folgend sollte jeder Mann am 13. Dezember damit beginnen, einen Stuhl aus unterschiedlichen Holzarten zu bauen. Der Stuhl musste am 24. Dezember fertiggestellt werden, woher auch die ungarische Redewendung stammt: „Das dauert so lange wie der Luzien-Stuhl.“ Wer sich um Mitternacht an Heiligabend in der Kirche auf den Stuhl stellte, konnte der Volksglaube nach erkennen, wer unter den Anwesenden eine Hexe sei. Manch ein ungarischer Ehemann soll dabei seine eigene Ehefrau erkannt haben.
Das Hirtenspiel: Eine Hommage an das ungarische Hirtentum
Ein Brauch, der sich – vor allem in ländlichen Gegenden Ungarns – bis heute gehalten hat, ist das Hirten– oder auch Krippenspiel von Kindern und Jugendlichen. Ähnlich der deutschen Variante des Sternsingens, ziehen sie von Haus zu Haus und bieten ihre Darbietung der Weihnachtsgeschichte gegen eine kleine Spende an. Damit werden zum Beispiel Bedürftige und Notleidende unterstützt. Charakteristisch ist dabei, dass nicht etwa die Heiligen Drei Könige im Mittelpunkt der Geschichte stehen, sondern einfache Hirten. Verwundern sollte dies in einem Land, das wie Ungarn jahrhundertelang von umherziehenden Hirten geprägt wurde, eigentlich nicht. Auch die Tatsache, dass dieser stolze Berufsstand, in einem kleinen Land wie Ungarn nicht weniger als fünf eigene Hirtenhund-Rassen hervorgebracht hat, zeigt, wie tief verwurzelt das Hirtentum in Ungarn ist.
„Regölés“ – eine heidnische Zauberei
Vom Tag nach Weihnachten bis zum Neujahrstag zogen die Dorfbewohner von Haus zu Haus, machten Geräusche mit Dudelsäcken und Trommeln, grüßten und wünschten den Hausbewohnern Reichtum und Glück. Die Beschwörungsformeln „Hej regö rejtem“ wurden ursprünglich von den Schamanen gesprochen, die die Macht hatten, die in Worten ausgedrückten Wünsche in die Tat umzusetzen. Diese Woche mit ihrem heidnischen Ritual wurde im Mittelalter auch „Teufelsfest“ genannt, weil die Menschen bis zum Exzess aßen und tranken.
Die Zauberei „regölés“ ist eine unserer wertvollsten Traditionen.
Zum Weihnachten
In Ungarn sind es die „SZALONCUKOR„ (dt.: Salonzucker), die in ihren farbenprächtigen Verpackungen an Bonbons erinnern und hierzulande zu Weihnachten gehören, wie der Sekt zu Silvester. Ursprünglich wurden diese Schokopralinen mit ihren unterschiedlichen Füllungen – von Marzipan, über Fruchtgelee bis hin zu Schokocreme – selbst hergestellt. Sie sind in Seidenpapier verpackt und schmücken als süße Versuchungen die ungarischen Weihnachtsbäume. Der Name „Salonzucker“ geht übrigens auf die Tradition der feinen Gesellschaft zurück, den Weihnachtsbaum im Salon aufzustellen.
Eine weitere süße Versuchung, die beim ungarischen Weihnachtsfest nicht fehlen darf, sind die „BEJGLI“ (dt. Beigel oder Beugel). Das Rezept dieser süßen Teigrollen mit Mohn- oder Nussfüllung wird häufig von Generation zu Generation weitergegeben und immer weiter verfeinert. Obwohl der Ursprung der bejgli nicht eindeutig geklärt werden kann, gilt es als sehr wahrscheinlich, dass diese Tradition aus dem deutschen Raum stammt. In Schlesien sind ähnliche Formen dieses Gebäcks seit dem 14. Jahrhundert nachweisbar. Diese Teigrollen schmecken den Ungarn nicht nur zu Weihnachten – auch zum Osterfest werden sie gerne verzehrt. Im ungarischen Volksglauben verheißt vor allem die Mohnrolle gutes: so soll sie zu einer langen und guten Ehe beitragen.
Hier ein Rezept für die ungarischen bejgli: http://www.kuechengoetter.de/rezepte/beigli-44316.
DIE FISCHSUPPE: Doch auch ein anderer Berufsstand ist in Ungarn sehr beliebt – der des Fischers. Wie sonst ließe sich erklären, dass man auf ungarischen Festtafeln an Heiligabend nicht etwa Geflügel vorfindet, sondern Fisch, der Klassiker des ungarischen Weihnachtsfestes.
In Ungarn symbolisiert nichts mehr das traditionelle Weihnachtsessen, wie das „halászlé“ (dt.: Fischsuppe oder wörtlich: „Fischersuppe“). Diese Suppe, die aus dreierlei Fischsorten gekocht wird, nämlich Karpfen, Barsch und Wels, ist sehr deftig und – wenn wundert´s in Ungarn – recht scharf. Im Anschluss an diesen Klassiker, der eigentlich schon als Hauptspeise durchgehen würde, wird der zweite Gang serviert. Auch der zweite Gang besteht aus Fisch, vor allem aus gebratenem oder panierten Karpfen oder Zander.
Die starke Symbolkraft des Fisches für das ungarische Weihnachtsfest wird noch dadurch verstärkt, dass der Volksglaube auch hier die eine oder andere Prophezeiung bereithält. So sollen etwa die Fischschuppen viel Geld bringen. Die schnelle Beweglichkeit des Fisches soll sich indes auf die Familie übertragen, die den Fisch verzehrt – auch sie soll sich im nächsten Jahr stetig vorwärts bewegen. Für einen guten Fang im nächsten Jahr legt der Fischer an Heiligabend ein Fischernetz unter den Festtagstisch.
Wenn auch Sie nun Lust bekommen haben, von den vielen positiven Nebeneffekten des Fisches zu profitieren, finden Sie hier ein Rezept für eine traditionell ungarische Fischsuppe: http://www.mamas-rezepte.de/rezept_Ungarische_Fisc…
Eine weitere Delikatesse, die sich zur Weihnachtszeit in Ungarn – und auch in Siebenbürgen – finden lässt, sind die KRAUTWICKEL (ung.: töltött káposzta). Auch um diese, aus eingelegten und fermentierten Krautblättern, zusammen mit einer Reis-Hackfleisch-Mischung zubereitete Speise, ranken sich, abhängig von Region, Kultur und Religion, verschiedene Mythen.
Vor allem in Siebenbürgen beanspruchen gleich mehrere Ethnien, die ersten gewesen zu sein, die diese festlichen Wickel zubereitet hätten. Die Ungarn kennen demnach die „töltött káposzta“, die Siebenbürger Sachsen das „gefealt Krokt“ und die Rumänen die „Sarmale“. In Mittel- und Osteuropa kennen auch Russen, Polen und Ukrainer diese Tradition. In Österreich nennt man sie „Krautrouladen“, in Deutschland sind sie unter „Kohlrouladen“ bekannt.
Doch zum weihnachtlichen Brauchtum gehören diese kleinen und äußert schmackhaften Krautwickel vor allem in Mittel- und Osteuropa, so auch in Ungarn. Hierhin haben sie die Osmanen als eine Art kulinarische Hinterlassenschaft mitgebracht. Aufgrund des hohen Vitamin-C-Gehalts von Kraut, erfreute sich dieses osmanische Erbe vor allem in der kalten Winterzeit großer Beliebtheit. Das gefüllte Kraut kommt in Ungarn vor allem in den ersten Weihnachtsfeiertagen auf den Tisch und wird, so weiß jedes Kind, von Tag zu Tag besser. Den einzigartigen Duft von warmen Krautwickeln, der zur Festzeit aus ungarischen Küchen strömt, verbinden viele Ungarn mit Familie und Weihnachten.
Um die „töltött káposzta“ nachzukochen, brauchen Sie nur etwas Geduld und Liebe zum Detail. Hier geht’s zum Rezept: http://www.kochbar.de/rezept/283331/Ungarische-Kra….
Der geweihte Wein: Gegen Halsschmerzen und für gute Laune
Nachdem der Heiligabend und die ersten beiden Weihnachtsfeiertage in Ungarn vorbei sind, findet am 27. Dezember der Johannistag statt. Viele Familien, vor allem in ungarndeutschen Dörfern, lassen an diesem Tag ihren Wein weihen, weshalb auch von der Weinweihe gesprochen wird. Der Überlieferung nach, sollte vom frisch geweihten Wein getrunken werden, damit man im nächsten Jahr keine Halsschmerzen bekommt. Auch goss man den geweihten Wein mit der Hoffnung in die gefüllten Fässer zurück, dass es im darauffolgenden Jahr wieder eine reiche Weinernte geben werde. In manchen Regionen Ungarn glaubt man auch, dass der geweihte Wein magische Kräfte besitzt und kranke Menschen und Tiere heilen könne. Gute Laune macht er allemal.
Die Silvesterfeier: Um Mitternacht wird´s den Ungarn warm ums Herz
Bevor das neue Jahr anbricht, feiert man auch in Ungarn gerne eine ausgiebige Silvesterparty. Begleitet von Knallern und Böllern wird so das neue Jahr willkommen geheißen und sich „BÚÉK“ gewünscht. BÚÉK ist die Abkürzung von „Boldog Új Évet Kivánok“ und bedeutet so viel wie „Frohes Neues Jahr“. Wenn Sie planen, Silvester inmitten von Ungarn zu feiern, dann wäre es vielleicht nicht verkehrt, die erste Strophe der ungarischen Nationalhymne zu lernen. In Ungarn wird um Mitternacht die Nationalhymne gesungen. Für kurze Zeit hält jeder Ungar inne, gedenkt dem Vaterland, dem einst großen ungarischen Königreich und bestärkt mit inbrünstigem Gesang den Text der Hymne – als Ungar habe man schon genug gebüßt, für Vergangenes und Kommendes. Segne Herr die Ungarn mit frohem Mut. Und das tut er, denn im Anschluss an die Nationalhymne wird fröhlich weitergefeiert.
Der erste Tag des Jahres: Faulheit wird bestraft!
Nach dem rauschenden Fest ist am 1. Januar in Ungarn Vorsicht geboten. Sie sollten nicht zu viel Zeit darauf verwenden, die nächtliche Feier auszukurieren oder sich den halben Tag im Bett zu wälzen. Dem ungarischen Volksglauben nach werden Sie nämlich das ganze Jahr über das tun, was Sie am ersten Tag des Jahres tun. Faulheit, Antriebslosigkeit oder Trunkenheit sollten also tunlichst vermieden werden. Dagegen empfiehlt es sich, an diesem Tag möglichst viele Linsen mit gebratenen Ferkel zu essen – denn die Linsen bringen, ähnlich den Fischschuppen, viel Geld und das Ferkel bringt viel Glück im neuen Jahr.
Ein letzter Tipp des Jahres sei Ihnen an dieser Stelle mit auf den Weg gegeben: Essen Sie am 1. Januar unter keinen Umständen Geflügel!! Der Verzehr von jeglicher Form von Geflügelfleisch soll das Glück im nächsten Jahr von Ihnen praktisch abprallen lassen.
In diesem Sinne: Áldott/boldog karácsonyi ünnepeket és BUÉK!!!
nach dem Artikel der Budapester Zeitung, vom J. 2016
Bild: Die schönste Krippe Ungarns, 2020
Ein Kommentar
Karácsonykor – 24-én – (régen) a böjt miatt ették a halat. A hal maradt…