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Vor Parlamentswahl in Ungarn: Karácsony verzichtet auf Kandidatur

9. Oktober, 2021, Tagesschau mit nötigen (roten)Ergänzungen aus erster Hand

Budapests Oberbürgermeister Karácsony hat sich aus dem Rennen um die Spitzenkandidatur der Opposition bei der Parlamentswahl 2022 zurückgezogen. Ihm wurden gute Chancen für einen Sieg gegen Ministerpräsident Orbán vorausgesagt.

In der ersten Vorwahl-Runde war er Zweiter: Trotzdem zieht sich Gergely Karácsony nun aus dem Rennen um die Spitzenkandidatur der Oppositionsparteien für die ungarische Parlamentswahl 2022 zurück. „Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass Viktor Orbán im Amt bleiben wird, wenn ich mich nicht zurückziehe“, so Karácsony. [Ergänzung: Er war der Ministerpräsident Kandidat von drei Miniparteien: der Parbeszéd (Dialog), der MSZP (Sozialistische Partei) und der LMP (Grüne) Die drei Partein hatten insgesamt 8% nach der Wahlumfrage in September.]

Im Frühjahr 2022 wählt Ungarn ein neues Parlament. Um nicht erneut gegen die Regierungspartei Fidesz von Ministerpräsident Orbán zu verlieren, will die Opposition dieses Mal gemeinsamen Kandidaten in den Wahlkampf schicken. Sechs Parteien von linksliberal bis konservativ [d.h. bis der rechtsradikalen JOBBIK] gehören zu dem Bündnis, das Orbán die Mehrheit abringen will.

Für die zweite Runde qualifiziert

Ich glaube daran, dass Péter Márki-Zay die Opposition zu vereinen und zum Wahlsieg zu führen vermag“, so Karácsony. Márki-Zay ist Bürgermeister der Stadt Hódmezővásárhely und war als konservativer Kandidat in die Vorwahl gegangen. [Bemerkung: Er ist ein umstrittener Politiker, ohne Partei. Er wird von seiner eigenen Bewegung unterstützt. Die MMM ist eine Zivilorganisation, deshalb kann sie durch Spenden von NGOs und Stiftungen finanziert werden.]

In der ersten Vorwahl-Runde des oppositionellen Parteienbündnisses unterlagen beide Kandidaten der Konkurrentin Klara Dobrev. Sie erhielt 34 Prozent der Stimmen, Karacsony 27 Prozent und Marki-Zay 20 Prozent. Alle drei qualifizierten sich für die zweite Runde der Vorwahl ab Sonntag, 10. Oktober.

Die beiden Unterlegenen bezweifeln jedoch, dass Dobrev die Wahl gegen Orban letztendlich gewinnen kann. Sie ist Vizepräsidentin des EU-Parlaments und mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten Ferenc Gyurcsány verheiratet. Gyurcsány hatte 2006 in einer geheimen parteiinternen Rede eingeräumt, die Wähler belogen zu haben. Als das an die Öffentlichkeit gelangte, gab es gewalttätige Unruhen.

[Ergänzung: Über die Unruhen hat Gyurcsány gesagt: lassen wir sie protestieren, einmal werden sie sich langweilen und gehen nach Hause. Aber am Nationalfeiertag, 23. Oktober 2006 hat die Polizei nach seinem Befehl die feiernden Menschen brutal angegriffen. Das vergisst man in Ungarn nicht. Das auch nicht, dass die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Klára Dobrev ganz eng zu der kommunistischen Nomenklatur gebunden ist, sie ist die Enkelin des kommunistischen Poilitikers, Antal Apró (1913-1994]. Apró gehörte zur obersten Führung der Ungarischen Kommunistischen Partei von 1945 bis zur Wende, also zur Auflösung der Partei, 1989. Er arbeitete daran, den sowjetischen Kurs in Ungarn einzuführen. Apró beaufsichtigte nach der Revolution 1956 persönlich den Schauprozess gegen den Ministerpräsidenten, Imre Nagy und dessen Mitstreiter. Als ob in Deutschland die Enkelin von Goebbels oder von anderen Mitstreitern der Nationalsozialisten als Bundeskanzlerin kandidiert wäre.]

Karácsonys Rücktritt könnte Dobrevs Position bei der zweiten Vorwahlrunde schwächen. [???] Eine Woche lang hatten Karácsony und Márki-Zay darüber verhandelt, wer von den beiden sich zurückziehen soll. Obwohl Márki-Zay nur Drittplatzierter in der ersten Runde war, bestand er darauf, dass nur er gegen Viktor Orbán gewinnen könne, weil er linke und konservative Ungarn überzeugen könne.

Orbáns Partei Fidesz hält gemeinsam mit der rechtspopulistischen KDNP [eine Christdemokratische Volkspartei!!!] seit 2010 eine Zweidrittelmehrheit im ungarischen Parlament. Im April 2011 beschlossen sie eine neue Verfassung, in der auch das Wahlrecht zugunsten der Regierungsparteien verändert wurde. [Die Verfassung, also das Grundgesetz Ungarns wurde mit zweidrittel Mehrheit des ungarischen Parlaments verabschiedet. Das Wahlrecht bevorzugt die jeweilige Gewinnpartei]

Weitere Ergänzungen zum Thema:

Der Rücktritt von Karácsony ist eine Blamage für die Unterstützer. Er gab ca 500 Millionen HUF, also 1,5 Millionen Euro für seine Kampagne aus, obwohl seine Partei nur 600 Mitglied zählt. Sein Rücktritt ist eine Blamage  für die (EU) Politiker*innen als auch die ganze, auch deutschsprachigen Presse, die ihn als chancenreicher Ministerpräsident-Kandidat und Herausforderer von Viktor Orbán gefeiert haben! Einige Bespiele:

„Ungarn: Orbáns gefährlicher Gegner – Gergely Karácsony: Der Mann, der die Ungarn wieder zusammenführen will“ (Süddeutsche Zeitung)

„Dieser Mann will den mächtigen Viktor Orban stürzen! (t-online)

„Der Anti-Orbán aus Budapest – Gergely Karácsony will bei der Wahl 2022 den Langzeitpremier Viktor Orbán herausfordern. (Kurier)

 Usw. usf.: „Alle für Karácsony, eigentlich ALLE gegen Orbán.“ Die FAZ, Merkur, derStandard, Die WELT, mdr und alle deutsche TV-Sender  haben ihn im voraus gejubelt.

Bildquelle: https://hvg.hu/360/20210915_Helyhalaszok

3 Kommentare

  1. Nun endlich ist dieses Affentheater vorbei. Karacsony trat zurück, obwohl zwei Tage früher hat er noch laut verkündet: ich werde nicht zurücktreten, ich trete sogar einen Schritt vorwärts!
    Als er aber die Unterstützung der Partei ‚Momentum‘ verlor, blieb ihm nichts anderes übrig, als schämenhaft die Flinte ins Korn zu werfen!
    Tagelang haben wir zuschauen müssen, wie die zwei „Verbündeten“ einander umarmend die gemeinsame Zukunft visioniert haben und einig waren bis auf eine Kleinigkeit:
    Wer wird im Duo das Sagen haben, wer wird Ministerpräsident? Je näher rückte,aber der Wahltag, umso dringender wurde die Frage: wer reisst das Lenkrad zur Seite in den zwei gegeneinander rasenden Autos. Karacsony erwies sich als schwächer, und Freitag gab seinen Rücktritt mit weinender Stimme bekannt……

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