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@Ungarn ist anders

7. August 2023 Facebook-Seite von Boris Palmer

Der Enfant Terrible der deutschen Grünen, Boris Palmer (der kürzlich aus der Partei ausgetreten ist) besuchte Ungarn und nahm an einer Veranstaltung des Deutsch-Ungarischen Instituts des Mathias Corvinus Collegium (MCC) teil.

Der Kern Palmers Botschaft war die gegenseitige Verurteilung des anderen durch einen echten und unvoreingenommenen Gedankenaustausch zu ersetzen,– um zu erfahren, was auf der anderen Seite ist.

Auf seiner FB-Seite schreibt er folgendes:

„In meinem dichten Gesprächsprogramm habe ich eine Chance erhalten, die Kritik an Ungarn und die Ungarn besser zu verstehen. Ich finde, wir werden dem Land mit unseren ziemlich einfachen schwarz-weiß-Sortierungen nicht gerecht. Die Kritik hat so gut wie immer einen wahren Kern, aber sie übersieht zu viel.

Ein Beispiel: Auf den ersten Blick sortiert man die Ungarn in Putins Lager ein, weil es beim Boykott nicht recht mitmachen will und den Schweden die Mitgliedschaft in der NATO verweigert. Auf den zweiten Blick sieht man, dass die Abhängigkeit vom russischen Gas eher größer ist als bei uns, es gibt zum Beispiel nur ein Kohlekraftwerk in Ungarn, und die EU konnte keine Alternativen anbieten. Eine Küste hat das Land nicht und so viel Geld wie Deutschland für Energiesubventionen auch nicht. Der Ablehnung der NATO-Mitgliedschaft ging voraus, dass die Schweden den Rauswurf der Fidesz aus der konservativen Fraktion im Europaparlament betrieben haben und eine Reihe von Abgeordneten nun schlicht beleidigt ist, während die Türkische Regierung die Ungarn ziemlich hofiert. Alles nicht schön, aber eben doch komplexer als wir in der Regeln wahrnehmen.

So ist es auch mit der Familienpolitik. Ich habe Zsofia Nagy-Vargha getroffen, Staatssekretärin im Familienministerium. Politik für mehr Kinder kann man in Deutschland nicht mehr machen. Das klingt irgendwie nach Mutterkreuz und Eingriff in die Autonomie der Frauen. Wenn, dann geht das bei uns nur durch Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Aber wie wir wissen sind die Ergebnisse in Deutschland da noch nicht überzeugend.

Ungarn geht sehr viel weiter. In den ersten sechs Monaten nach der Geburt eines Kindes erhält man 30% MEHR Elterngeld als man zuvor Gehalt bezogen hat. Es soll der Familie besser gehen, wenn sie ein Kind bekommt. Das müsste man bei uns mal nur denken! Und wenn eine Frau ein Kind bekommt, zahlt sie bis sie 30 Jahre alt wird keine Steuern. Das soll des Alter der Erstgebärenden senken, damit sie später weitere Kinder bekommen können. Wer vier Kinder hat, ist lebenslang von der Einkommensteuer befreit. Kinderbetreuung und Krippe ist im ganzen Land kostenlos. Und nach der Corona-Krise bekamen alle Eltern einen Steuerbonus zum Ausgleich der geleisteten Mehrarbeit.

Klingt alles aus deutscher Sicht irgendwie eigenartig, jedenfalls so weit weg, das man sich kaum vorstellen kann, eine Partei bei uns würde das alles vorschlagen oder gar beschließen.

In Ungarn geht das, weil die große Mehrheit sich wünscht, dass das kleine Volk mehr Nachwuchs hat.

Ist das alles falsch und verrückt, nur weil es einem nationalen Selbstverständnis folgt, das bei uns nicht mehr satisfaktionsfähig ist und von der AfD diskreditiert wird?“

Quelle: Facebook-Seite von Boris Palmer

3 Kommentare

  1. Sehr erfreulich dass auch mal positives über Ungarn berichtet wird. Ich lebe auch in Ungarn und bin es leid ständig einseitige negativ Berichterstattung durch Medien und Politiker über Ungarn ertragen zu müssen.
    Dank an Boris Palmer einer der wenigen Politiker mit Hirn und Anstand

  2. Das sind, soweit sie Ungarn betreffen, wahrlich wohltuende Worte.

    Allein Palmers Schlußsatz möchte ich korrigieren: Das nationale Selbstverständnis ist in Deutschland in den Augen des politisch-medial-kulturellen Komplexes nicht mehr satisfaktionsfähig, und eben deswegen wird die AfD, die es in mutiger Weise nach Kräften zu stützen versucht, notorisch von denselben Akteuren ähnlich diskreditiert wie die ebenso mutige und überdies, anders als die AfD bislang, gottlob auch noch erfolgreiche ungarische Regierung.

  3. Es ist äusserst erfreulich, dass es noch einige solche Politiker (die Mehrzahl ist sogar fraglich) in Deutschland gibt,
    die ihre Normalität nicht verloren haben und Mut haben ihre Meinung öffentlich kundzugeben. Das ist eine tapfere Tat, wir alle wissen, was müssen sie dafür ertragen. Ich schliesse mich an den Kommentar von Dr Gubitz an, es war sicherlich ein Schreibfehler und von Herrn Palmer genauso gemeint.

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