24. Februar 2021, Magyar Hírlap, von IRÉN RAB
Das Gute an der Coronavirus-Epidemie ist, dass sie den Oppositionsparteien politische Munition und ein ständiges Thema für die Medien sichert. Sobald die Epidemie vorüber ist, werden die Pressemitarbeiter genügend Zeit haben, die seit dem Ausbruch gemachten sowohl professionellen als auch politischen, manipulierenden, unanfechtbaren Urteile, Behauptungen von Millionen von Virenexperten und die Theorien der Virusleugner in chronologischer Reihenfolge aufzulisten: Wir werden mächtig überrascht werden.
Vor einem Jahr, zum Zeitpunkt des Pandemieausbruchs, empfahlen Virologen – besseres hatten sie nicht im Köcher – gründliches Händewaschen und Distanz. Maske brauche man nicht, sie helfe nichts, sagten damals auch die seriösen Profis im deutschen Fernsehen, weil die Maske Mangelware war, man konnte sie nur zum Goldpreis erwerben.
Auf den internationalen Märkten brach der Kampf aus. Ich erinnere mich, dass eine chinesische Ladung in die Schweiz vom deutschen Zoll in Hamburg beschlagnahmt wurde, sie benötigten die Schutzausrüstung auch. Unsere ungarischen Aufklärertruppen nutzten unsere guten Beziehungen im Osten und mit der Hilfe des Turkrates, lieferten sie Tausende Beatmungsgeräte, die weltweit ausverkauft waren. Die Panikmache mit Hilfe der Medien hat ihren Eifer verstärkt, und natürlich der Wunsch, zu beweisen, dass der Schutz des ungarischen Lebens an erster Stelle steht. Die Entscheidungsträger wurden auch von der Opposition gejagt, da die medizinische Ausrüstung ohnehin schon vor der Pandemie eine feste Devise war, worin die neue linksliberale Führung in der Hauptstadt den Wert staatlicher Investitionen jedesmal aufrechnete. Wir erinnern uns vielleicht, wie viele Computertomografen oder Beatmungsgeräte Orbán von seinem Stadtwäldchen-Projekt oder vom Fußballstadion hätte kaufen können. Das Projekt schreitet voran, das Stadion wird gebaut und die Beatmungsgeräte wurden gekauft (woher hat die Regierung, die angeblich vom Diebstahl lebt, nur so viel Geld?).
Die Beschimpfung der Regierung schreitete wegen der Einschränkungen im Frühjahr voran, obwohl die Schliessung der Schulen einst von der Opposition gefordert wurde. Dann wollten sie die Abhaltung des Abiturs verhindern, stachelten die Lehrer dagegen auf, und dann sahen wir, dass das Abitur gut organisiert und ohne jegliche Probleme ablief. Der wirtschaftliche Rettungsschirm ist nicht adequat! – sagten diejenigen, die in ihrer Regierungszeit den Haushalt des Landes immer in letzter Minute mit Bleistift und Papier hastig zusammenstellten. Wir testen nicht genug, diese Thematik dominiert seit Monaten jede Plattform, es gibt Beispiele dafür, wie viel mehr der fortschrittliche Westen und sogar auch der Osten testen (weil sie uns inzwischen alle angeblich überholt haben)! Obwohl sich die Testexperten im Dickicht der verschiedenen Tests überhaupt nicht auskannten, beharrten sie ohne Möglichkeit der Widerrede auf ihrer jeweiligen Wahrheit. Die sorgfältig geführten offiziellen Daten der Regierung wurden als Fälschung diffammiert und die täglichen Berichte der WHO wurden nur dann akzeptiert, wenn die Vergleichsdaten mit anderen Ländern für uns ungünstig ausfielen. Ich habe noch nie in meinem Leben so viel Missgunst gesehen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein FC Bayern Fan auf einmal Anhänger von Borussia Dortmund wird, weil ihm Uli Hoeness nicht gefällt. Und jetzt, angesichts der Epidemie, sollte man unser Team, das Land, gemeinsam bejubeln.
Zum Beispiel dadurch, dass man der Pandemiebekämpfung der Regierung vertraut und sie sogar ermächtigt, die notwendigen Schritte zu tun. Zum dritten Mal haben sich die Oppositionsparteien geweigert, diesbezügliche Gesetze im Parlament zu befürworten, sie generieren im In- und Ausland Stimmung gegen die Regierung und sie visionieren ständig irgendeine Diktatur. Obwohl gerade die Verfassung garantiert, dass das nicht passieren kann, die außerordentlichen Befugnisse der Regierung gelten nur für einen bestimmten Zeitraum und nur für die epidemiologischen Entscheidungen. Das Parlament tagt fröhlich weiter, erlässt Gesetze, und die Opposition ruft Zeter und Mordio, bringt Kartoffeln ins Parlament zum Ministerpräsidenten, während die falsch informierte ausländische Presse über die Aussetzung der Rechtsstaatlichkeit doziert.
Was würde geschehen, wenn die ungarische Regierung nach französischem, österreichischem oder gar deutschem Vorbild keine zeitlich begrenzten Befugnisse hätte? Und was wäre, wenn die Gemeindeversammlungen ausnahmslos von Bürgermeistern mit außergewöhnlichen Befugnissen nach dem Gesetz und zu wichtigen Themen wie dem jährlichen Budget der Hauptstadt in Höhe von 400 Milliarden Forint regulär abgehalten würden und der Oberbürgermeister aufgrund der Epidemie nicht alleine entscheiden würde. Ich möchte Ihnen nicht über die anderen Entscheidungen berichten, die er mutterseelenalleine getroffen hat, ohne die Generalversammlung des Stadtparlaments einzuberufen.
Und jetzt gibt es die Impfhysterie. Es ist seit langem bekannt, dass die natürliche Herdenimmunität, welche Schweden lange proklamierte und probierte, nicht funktioniert, sie ist langsam und bringt zahlreiche Opfer mit sich. Man muss die künstlich hervorgerufene Immunität erreichen, also das Durchimpfen der Bevölkerung. Endlich ein Thema, worauf sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union einigen könnten! Gemeinsam sind wir ein größerer Markt, wir haben bessere Chancen, sagte die Kommission, dann begann sie, wie üblich, die Papiere hin und her zu schieben, damit die Verteilung, die Geldmittel, also die Entscheidung, wenn auch langsam, aber in einem demokratischen Superrechtsprozess getroffen werden kann.
Die Gesundheitskommissarin der Kommission ist die zyprische Psychologin Stella Kyriakides. Es ist nicht ihre Schuld, dass ihr dieser Bereich deswegen zugeteilt wurde, weil das Gebiet der Gesundheitsversorgung 2019 nicht besonders wichtig schien, es gehörte nicht zu den sechs Prioritäten der gewählten Kommission für diese Amtszeit. Vor anderthalb Jahren waren die grüne Politik, die Digitalisierung, die Rechtsstaatlichkeit und die Demokratie um jeden Preis noch wichtiger. Na ja, den Kampf für die Rechtsstaatlichkeit haben sie auch während der Pandemie nicht aufgegeben, für sein Weiterleben ist Ungarn das Virus. Die Komissionsmitglieder sind in der Regel Spezialisten in ihrem „Fachgebiet“, wie Völkerkundlerin Jourova als die oberste Rechtsstaatlichkeitsbeauftragte, sowie Kyriakides für das Gesundheitswesen. Inkompetenz ist überall ausgesprochen modisch: bei uns ist ein vom Werkzeugmacher zum Soziologen avancierter Lajos Kórozs Vorsitzender des Ausschusses für Wohlfahrt (d.h. Gesundheit).
Komissionspräsidentin von der Leyen glaubt, dass das transnationale Pandemiemanagement uns helfen kann, aus der Krise herauszukommen: „Wir werden die Grundlagen für eine stärkere europäische Gesundheitsunion schaffen, in der 27 Länder zusammenarbeiten, um Krisen zu verhindern, uns auf sie vorzubereiten und zu reagieren“, sagte sie und übergab diese Aufgabe der armen Kyriakides. Die wenige hunderttausend Seelen zählende Republik der griechischen Zyprioten wurde sehr aufgewertet, seitdem ihre EU-Kommissarin mit solch wichtigen organisatorischen und entscheidungspolitischen Aufgaben betraut ist. In Bezug auf die Reaktionszeit ist sie südlich langsam, es ist wahrscheinlich das Gewicht der Verantwortung, das auf ihren Schultern lastet. Aus diesem Grund wurde wohl der Kauf des Impfstoffs lange überlegt, während die Hersteller die Vakzine an diejenigen verkauft haben, die zuerst bezahlten.
Viktor Orban hat unterdessen erneut die europäische Solidarität umgangen und ein Abkommen mit den Russen und den Chinesen geschlossen, damit die ungarische Bevölkerung so schnell wie möglich, vorzugsweise bis Ostern, durchgeimpft werden kann. Das Impfen ist keine Pflicht, nur wer will, wer registriert oder sich betroffen fühlt, kann sich impfen lassen. Ich habe mich auch angemeldet, und ich habe meine erste Spritze bekommen, den Sputnik, den ich haben wollte. Laut meinen Bekannten habe ich die Anweisungen des Ministerpräsidenten befolgt und sie haben mir eine gute Reise auf der Lenin-Putin-Route gewünscht. Als ich von der Impfung zurückkehrte, hörte ich im Fernsehen, dass die Demokratische Koalition (eine postkommunistische Oppositionspartei) den russischen Impfstoff nicht zulassen würde, um ihre Wähler zu schützen, zumindest dort, wo sie kommunale Befugnisse hat. Unterdessen drängen Merkel, Macron und wer auch sonst immer die verantwortliche Zyprerin, sie solle endlich mit Putin, mit den russischen Herstellern, mit irgendjemandem verhandeln, weil der Impfstoff auf dem EU-Markt Mangelware ist.
Ich sehe, dass wir der Welt wieder einen Schritt voraus sind. Auch wenn viele Leute es zu Hause nicht mögen, sollten sie ruhig in der Welt herumschauen, wie es dort um den Gesundheitsschutz steht? Wie überbelastet das Gesundheitssystem vielerorts ist, an manchen Stellen sogar funktionsunfähig, die Impfungen stocken, es gibt keine richtigen Informationen. Das Geld geht aus, die gesellschaftliche Akzeptanz sinkt, die Menschen sind undiszipliniert, epidemiologische Vorschriften werden nicht eingehalten, Proteste werden organisiert. Die Regierungen sind machtlos und ergreifen unter dem Druck der Bevölkerung widersprüchliche und halbherzige Maßnahmen. Wenn die Berufswiederständler hier zu Hause das alles sehen und wissen könnten, wären sie glücklich, hier zu leben. In Ungarn, wo bis auf einige pseudolinke Auftritte Ruhe herrscht, die Mehrheit der Bevölkerung sich kooperativ und diszipliniert verhält, weil wir gelernt haben, dass das die einzige Lösung in einer Katastrophe ist.
Ich wage gar nicht daran zu denken, was passieren würde, wenn plötzlich die über Gebühr kritische Opposition sich mit der Epidemie selbst auseinandersetzen und das Schicksal des Landes und dessen Bürger im Wohnzimmer der Gyurcsánys entschieden werden müsste?
https://www.magyarhirlap.hu/velemeny/20210224-transznacionalis-oltashiszteria
Übersetzung von Dr. Andrea Martin
Autorin Dr. phil. Irén Rab, Kulturhistorikerin
3 Kommentare
Ich schätze die Artikel der Autorinl sonst immer sehr, aber Nobelpreisträger oder Direkoren von Krankenhäusern für Infektionskrankheiten, die Publikationen der amerikanischen Meldebehörde CDC, der britischen Regierung, sowie die genannten Daten zu den Toten und den furchtbaren Nebenwirkungen als falsche Informationen darzustellen, ist moralisch fahrlässig. Nur weil die Autorin selbst für eine Impfung entschieden hast, bedeutet das nicht, dass die Frage an sich nicht selbst höchst komplex sei. Wir haben in der EU nun mal 54500 schwere Nebenwirkungen, die lassen sich nicht wegwischen. Genausowenig wie die Tatsache, dass Impfungen zwar „noch“ freiwillig sind, man trotzdem aber mit einem Impfpass winkt, der eine gesellschaftliche Segregation vorbereitet, so wie das in Israel bereits der Fall ist. Diese Dialektik sollte man nicht einfach übersehen wollen. Und dann diese doch vereinfachte Form von „links“ und „rechts“ – ich bitte! Die berechtigte Kritik an der Impfpolitik lässt sich doch wohl nicht auf eine politische schwarz-weiß Struktur reduzieren. Ich bin selbst eine FIDESZ Wählerin und verstehe gerade darum diese fast zwanghafte Idee, dass jeder sich auf Teufel komm raus ( ob er es verträgt oder nicht!) nun impfen lassen müsste – quasi alternativlos – überhaupt nicht. Jeder Mensch hat das Recht frei zu wählen, so wie es die Autorin getan hast ! Es ist ein medizinisches Fakt, dass keine bisher entwickelte Impfung zu hundert Prozent schützt und dass wir bei dieser Impfung noch nicht einmal wissen, ob sie etwas bewirkt. Denn die Antikörper im Reagenzglas bedeuten nicht, dass „in vivo“ der Schutz auch tatsächlich so funktioniert. Und nun die Warner einfach lächerlich zu machen und über die Impfopfer wortlos hinwegzuschreiten- sorry das geht moralisch nicht.