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Sterne von Eger, 1552

31. März 2024 Auszug aus dem Roman „Sterne von Eger“ von GÉZA GÁRDONYI

„Ich schwöre, dass ich Blut und Leben für Vaterland und König, für die Verteidigung von Burg Eger weihe. Weder Kraft noch List sollen mich einschüchtern, weder Geld noch Versprechungen mich irremachen...“

Dann erhob sich Dobó. Er setzte sich den vergoldeten Helm auf und legte den Hauptmannsmantel aus rotem Samt um die Schultern. Die linke Hand am Säbel, begann er in ruhigem Ton:

„Liebe Freunde und Mitverteidiger! Ihr habt die Mauern gesehen und kennt nun auch die Kräfte, die sie bergen. In dieser Burg wird das Schicksal des uns noch verbliebenen Teils unserer Heimat entschieden.“

Im Saal war es still. Die Augen waren auf Dobó geheftet.

„Fällt Eger, dann können auch Miskolc und Kassa nicht mehr widerstehen. Die kleinen Burgen schüttelt der Türke vom alten Stamm ab wie Nüsse vom Bum. Dann gibt es nirgends Widerstand mehr, und die Geschichte kann Ungarn in das Buch der Toten eintragen.“

Er sah mit düsterem Blick im Kreise umher und setzte seine Ansprache fort:

„Der Mauern liegt nicht im Stein, sondern in den Herzen der Verteidiger. In Szolnok sollten gedungene Söldner die Festung halten. Aber nicht diese, sondern der Sold, den sie zu bekommen hatten, lag ihnen am Herzen. Hier gibt es nur fünf deutsche Büchsenmeister, die aber sind tüchtige Männer. Hier verteidigt jeder das Vaterland und setzt, wenn es sein muss, Blut und Leben dafür ein Und niemals sollen die kommenden Geschlechter sagen könne, dass ihre Vorfahren, die im Jahre 1552 hier gelebt haben, den Namen Ungar nicht verdienten.“

Durch das Fenster fielen jetzt Sonnenstrahlen in den Saal. Sie beschienen die Waffen an der Wand und die auf Stangen ruhenden Harnische. Auch der goldene Helm des Hauptmanns funkelte. Gergő stand neben Dobó. Er blickte zum Fenster, dann schirmte er das Licht von den Augen ab, um sein Hauptmann ansehen zu können.

„Ich ließ euch rufen“, sagte Dobó noch, „damit ihr alle in euch geht. Wem die eigene Haut teurer ist als die Zukunft der Nation – die Tore stehen noch offen. Ich brauche ganze Männer. Lieber wenige Löwen als viele Hasen. Wem das Herz vor dem kommenden Sturm erzittert, dr verlasse den Saal, bevor ich weiterspreche; denn nun müssen wir auf die Verteidigung der Burg schwören.“

Dobó blickte seitwärts und wartete, ob sich jemand rührte. Im Saal war Stille. Keine bewegte sich. Neben dem Kruzifix standen zwei Wachskerzen. Der Page zündete sie n. Dobó sprach weiter:

„Wir müssen beim heiligen Namen Gottes – ihr mir und ich euch – schwören, uns an folgende Punkte zu halten.“

Er nahm einen Bogen Papier vom Tisch und las:

„Erstens: Was immer für eine Botschaft von den Türken kommen möget, wir nehmen sie nicht an, sondern verbrennen das Schreiben ungelesen vor den Augen des Burgvolkes.“

„So sei es!“ klang es im Saal.

„Zweitens: Sobald die Türken die Burg umzingeln, rufe niemand etwas hinaus; was sie auch immer hereinschreien mögen, sie sollen keine Antwort darauf erhalten, weder eine gute noch eine schlechte.“

„So sei es!“

„Drittens: Nach Beginn der Belagerung soll es keine Ansammlungen geben, weder drinnen noch draußen. Nicht zu zweit und nicht zu dritt darf geflüstert werden.“

„So sei es!“

„Viertens: Die Unterbefehlshaber dürfen nicht ohne Wissen der Leutnante und die Leutnante nicht ohne Wissen der beiden Hauptleute über die Truppen verfügen.“

„So sei es!“

Eine rauhe Stimme neben Fügedy sprach dazwischen? „Hier möchte ich etwas hinzugefügt wissen.“ Der Sprecher war Hegedűs, Serédys Leutnant. Er war rot im Gesicht.

„Lass hören!“ rief man ihm vom Tisch aus zu.

„Ich schlage vor, dass die beiden Hauptleute ihre Verfügungen jeweils im Einvernehmen mit den Leutnanten treffen, sooft von den Leutnanten oder auch nur von einem in Sachen der Verteidigung oder bei einer anderen wichtigen Verfügung eine Beratung beantragt wird.“

„Für die Zeit der Kampfpausen während der Belagerung nehme ich das an“, sagte Dobó.

Einverstanden!“ erscholl es im Chor. Dobó lies weiter:

„Der letzte Punkt: Wer von der Übergabe der Burg spricht, danach fragt, darauf antwortet oder in irgendeiner Weise die Preisgabe de Burg fordert, sei des Todes!“

„Er sterbe!“ riefen die Offiziere mit leuchtenden Augen. „Wir ergeben uns nicht! Wir sind keine Söldner! Wir sind keine Szolnoker!“ tönte es von allen Seiten.

Dobó nahm den goldenen Helm ab, strich sich über das graue Haar, dann winkte e den Geistlichen heran. Pfarrer Bálint stand auf. Er nahm das kleine silberne Kruzifix vom Tisch.

„Schwöre mit mir! sprach Dobó.

Alle im Saal Anwesenden streckten die zum Schwur erhobene Hand.

„Ich schwöre…“ erklang es in feierlichem Gemurmel. – „dass ich Blut und Leben für Vaterland und König, für die Verteidigung von Burg Eger weihe. Weder Kraft noch List sollen mich einschüchtern, weder Geld noch Versprechungen mich irremachen. Von der Übergabe der Festung werde ich mit keinem Wort sprechen und kein Wort darüber anhören. Ich werde mich weder innerhalb noch außerhalb der Burg ergeben. Vom Beginn bis zum Ende der Belagerung unterwerfe ich mich dem Befehl meiner Vorgesetzten.“

Alle wiederholten den Eid einstimmig.

„Und jetzt schwöre ich selbst“, sagte Dobó mit aufleuchtenden Augen. „Ich schwöre, dass ich all meine Kraft der Verteidigung der Burg und des Landes widme, alle meine Gedanken und jeden Tropfen meines Blutes. Ich werde alle Gefahren mit euch teilen. Ich schwöre, dass ich die Burg nicht den Heiden überlassen, dass ich weder diese noch lebend mich selbst dem Feinde überantworte!“

Alle Säbel blinkten. Wie aus einem Munde erscholl der Ruf:

„Wir schwören! Wir schwören! Wir schwören wie unser Hauptmann!“

Quelle: Géza Gárdonyi: Sterne von Eger. Corvina, 9. Auflage 297-300. Übersetzt von Mirza Schüching

Das ist der bekannteste Jugendroman in Ungarn, eine Pflichtliteratur für alle Schüler. Im Mittelpunkt der Handlung steht die Heimatsliebe. Der Roman handelt von einer reinen Liebe und zugleich von einem der bewegtesten Abschnitte in der Geschichte des gegen die türkische Invasion kämpfenden ungarischen Volkes im 16. JH.

Bildquelle: Bertalan Székely: Die Frauen von Eger

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