Bildquelle: (artwork Hrag Vartanian/Hyperallergic)
9. April 2021 Mandiner, von MÁTYÁS KOHÁN
Deutsche Welle, Radio Freies Europa, Russia Today, CGTN: sie alle sind staatliche Propagandamedien, ob man das wahrhaben möchte oder nicht. Sie sind bloße Werkzeuge einer soft power-Außenpolitik.
Das deutsche öffentlich-rechtliche Medienimperium, Deutsche Welle kommt nach Ungarn – eine Fernsehsendung auf Ungarisch werden sie zwar nicht produzieren, dafür wird es aber einen YouTube-Kanal und eine Facebook-Seite geben. Die Medienpartner, die DW-Materialien nachdrucken dürfen, sind bereits auserwählt worden.
Selbstverständlich nur unabhängige Medien, genauso wie die DW selbst: 24.hu, ATV, hvg.hu, Telex.
Dies macht schon am Anfang deutlich, was von der Unabhängigkeit übrig bleiben wird, die der zu 100 Prozent staatlich dotierten DW per gesondertem Deutsche-Welle-Gesetz vorgeschrieben ist.
Wir werden dieses Jahr mit hochkarätiger, unabhängiger Berichterstattung regelrecht überschwemmt: Radio Freies Europa sendet seit September vergangenen Jahres auf Ungarisch, „als Reaktion auf den steilen Rückgang der Pressefreiheit im Lande”, wie es in ihrem Manifest steht. Ihre Redaktion wurde aus den Reihen von Index, Magyar Narancs und Pesti Hírlap belegt, einer ihrer Journalisten, György Kerényi arbeitete vorher als Kommunikationschef der Ungarischen Sozialistischen Partei. Ihr Budget wird zur Gänze vom Kongress der Vereinigten Staaten durch die Globale Medienagentur der Vereinigten Staaten (USAGM) bereitgestellt. Ihre Unabhängigkeit ist offenbar total.
Wenn in Ungarn ein staatlicher Energiekonzern Werbungen in einer teils marktfinanzierten Wochenzeitung kauft, wird das betroffene Medium dadurch gleich zum staatlich staffierten Propagandablatt
– Deutschland und die Vereinigten Staaten sind jedoch mit der Aufklärung mittlerweile soweit, dass sie auch mit hundertprozentiger, unmittelbarer staatlicher Dotierung und Mitgliedern des linken Medien-Establishments unabhängige Berichterstattung leisten können.
Deutschland und die Vereinigten Staaten treiben das gleiche Spiel rund um die Erdkugel wie China und Russland: sie bauen eine staatliche Propagandaanstalt auf.
Der schöne RT ist das arabisch, spanisch, deutsch, französisch und englisch sprechende globale Kabelfernsehen des russischen Staates, Teil des Rossija Sewodnja-Medienimperiums, das mehrere Fernsehsender, Presseagenturen (Ruptly, Sputnik) und Nachrichtenportale besitzt. Ihr Motto lautet: „Question More!” – „Mehr hinterfragen!”. Das reimt sich sehr gut auf das Credo der Deutschen Welle – „Made for Minds”, „Für den Verstand geschaffen” – und ist auch vom Slogan des globalen chinesischen Sprachrohrs CGTN – „See the Difference”, „Merke den Unterschied” – nicht weit entfernt.
Denn im Prinzip sind weder Radio Freies Europa noch die Deutsche Welle anders als sie, der staatliche Propagandaexport funktioniert rund um den Globus gleich: er stellt sämtliche Medien außer sich selbst als verzerrend und lügnerisch dar und vermittelt die Botschaft, dass sich kluge Leute aus ihm informieren – und dass die Anderen Schafe sind, die sich mit Propaganda füttern lassen, wenn sie überhaupt Mehrzeller sind.
Deutsche Welle, Radio Freies Europa, Russia Today, CGTN: sie alle sind staatliche Propagandamedien, ob man das wahrhaben will oder nicht.
Sie sind bloße Werkzeuge einer soft power-Außenpolitik, Mitwirkende der Bewusstseinsindustrie, maßgefertigte Tools für die Verunstaltung der öffentlichen Meinung.
Selbstverständlich kann es uns nicht schaden, zu wissen, wie Moskau, Berlin oder Washington über die Welt denkt. Die staatliche Propagandamaschine wird jedoch niemals das, als das sie sich ausgibt, nämlich ein unabhängiges Medium und Treuhänderin der Pressefreiheit.
Wir werden uns nicht einreden lassen, dass die Deutsche Welle unabhängig ist, die ungarische konservative Presse hingegen Propaganda. Wir werden uns auch nicht einreden lassen, dass die russische Propaganda Propaganda ist, die amerikanische hingegen objektive Presse.
Wir werden uns nicht mal einreden lassen, dass die böse Propagandaanstalt mancher böser Staaten die öffentliche Meinung boshaft beeinflussen will, das schöne Deutschland jedoch nur eine gute Zeitung für die bedürftigen, unwissenden Ungarn schreiben möchte.
Entweder gibt es Propaganda oder es gibt keine, und entweder mögen wir sie oder wir mögen sie nicht. Es gibt keinen Mittelweg, keine Teufel und keine Engel – und erst recht kein westliches Privileg.
Propaganda ist Propaganda.
Lesen Sie den Artikel im ungarischen Original: Kohán Mátyás: A propaganda az propaganda – Berlintől Moszkváig | Mandiner
2 Kommentare
Herr Kohán, trifft den Nagel in allen Punkten auf den Kopf! Ergänzend merke ich an, daß selbst meiner traditionell linksliberal eingestellten Gattin auffällt, daß in ihrer Süddeutschen Zeitung immer wieder großformatige Anzeigen stehen, die für die Politik der Bundesregierung werben. Wenn in derartigen deutschen Zeitungen Unterstellungen verbreitet werden, die ungarische Presse sei von der Regierung gelenkt, handelt es sich also um Steinwürfe aus dem Glashaus. Und ich möchte nicht auf RT deutsch verzichten, das in manchen Bereichen mich mit genau der Information versorgt, die von den deutschen „Qualitätsmedien“ entweder unterschlagen oder aus völlig einseitiger Perspektive verzerrt dargestellt wird. Um ein ganzes Bild zu gewinnen, brauche ich auch Blogs wie Tichys Einblick, unzensuriert.at, Reitschuster etc. und nicht zuletzt seit nunmehr schon einigen Wochen ungarnreal.de. Dafür an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön und Vergelt’s Gott!