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Ostern bei den Ungarndeutschen

8. April 2023 Ungarndeutsches Kultur- und Informationszentrum von István Mayer

Ungarndeutsche“ nennt man allgemein die Nachfahren der einst in mehreren Wellen zu verschiedenen Zeiten ins Karpatenbecken eingewanderten Deutschen. Eine Volksbefragung im Jahr 2011 ergab eine Zahl von 132.000 Personen, die als ihre nationale Zugehörigkeit Deutsch angaben, sowie 32.000 Ungarn, die als ihre Muttersprache Deutsch angaben. 96.000 Ungarn gaben an, zu Hause deutsch zu sprechen.

Was fällt einem zu Ostern ein? Vielleicht der Osterhase, oder das Bespritzen der Mädchen am Ostermontag. Nun, dass der Hase die Ostereier bringt, stammt wahrscheinlich von einem Missverständnis, und das Bespritzen ist nur seit einigen Jahrzehnten bei den Ungarndeutschen üblich.

Dass Hasen normalerweise keine Eier legen, weiß jeder. Es gibt aber einen Vogel, dessen Name ähnlich klingt: das Haselhuhn, ein Verwandter vom Perlhuhn. Wie man den Vogel und das Kaninchen verwechseln konnte, ist auch den Volkskundlern nicht klar. Da aber Hasen, wie bekannt, ausgesprochen fertil sind, wurden sie auch Symbol der Fruchtbarkeit und der Erneuerung, was zu einem Frühlingsfest ganz gut passt.

Ostern, das Fest der Auferstehung Jesu Christi, ist der Höhepunkt des kirchlichen Jahres. Die Fastenzeit selbst ist eine 40 Tage lange Vorbereitung darauf, aber in deren letzten Woche, in der Karwoche beschleunigen sich die Ereignisse. Am Palmsonntag werden die Weidenkätzchen geweiht. Dem Volksglaube nach besitzen diese Zweige Heilkraft, und was noch besser klingt, sie schützen auch vor den Hexen. In mehreren ungarndeutschen Regionen schrieb man diesen auch eine Schutzkraft gegen Sturm- und Hagelschaden zu.

Die Passion Christi begann mit dem letzten Abendmal am Gründonnerstag. Die ungarndeutschen Sitten sind auch mit Essen verbunden. Wie der deutsche Name des Tages besagt, soll an diesem Tag Grünes, also Gemüse, Salat und Ähnliches gegessen werden. Am Gottesdienst fliegen die Glocken nach Rom, das heißt, es wird bis zur Auferstehungsmesse am Karsamstagabend nicht geläutet. Statt Glocken und Klingel werden in der Zwischenzeit Ratschen benutzt. In manchen Dörfern gingen Schulkinder durch die Straßen um die Uhrzeit zu verkünden bzw. zum Gebet zu rufen. Für ihr Dienst erhielten sie Eier. Dieser Brauch wird z.B. in der Branau in Liptód/Litowr immer noch gepflegt.

Karfreitag ist ein Tag der Stille. Dieser ist einer der zwei Tagen, an dem nach den kirchlichen Geboten gefastet werden muss und kein Fleisch gegessen werden darf. Es werden keine vollständigen Messen gehalten, sondern nur eine gekürzte Liturgie, in der die Konsekration der Hostie fehlt.

Die Zeremonien am Karsamstag beginnen mit der Feuerweihe. Parallel dazu wurde in vielen ungarndeutschen Ortschaften Osterfeuer gelegt, in Westungarn wurde darin eine, den Verräter Judas symbolisierende Holzpuppe verbrannt. Ähnliche Sitten gab es auch in Hajós/Hajosch und Kakasd/Kokosch. In der Branau brachte man ein bisschen Holzkohle vom Feuer nach Hause, mit der man in der Walpurgisnacht Kreuze an die Tür gegen Hexen zeichnete.

Neben dem Feuer hatte das Osterwasser auch eine besondere Bedeutung. Fließendes Wasser ist nach der Auferstehungsmesse effektiv gegen Hautkrankheiten und Sonnensprossen, aber es bringt im Allgemeinen Glück, Schönheit, Gesundheit und Stärke. Um die gute Ernte zu sichern, lohnte es sich auch, beim Wiederkehr der Glocken die Obstbäume zu schütteln.

Ostersonntags wurden die Speisen geweiht, selbstverständlich auch die Schinken und die Ostereier. Letztere wurden traditionell mit Zwiebelschalen braun gefärbt.

Die Zeit des Hasen kam erst am Ostermontagmorgen: er legte die bunten Ostereier in die an den vorigen Tagen vorbereiteten geschmückten Nesten. Wie viele Andere, symbolisieren auch Eier die Fruchtbarkeit. In Südungarn wurde der Hase von den Kleinkindern mit Lied oder Spruch gerufen. In einigen Ortschaften kam der Hase bereits in den letzen Tagen der Fastenzeit, so war es zum Beispiel in Elek. Ostergeschenke bekamen die Kinder nicht nur von dem „Hasen”, sondern auch von den Pateneltern.

Es gab zahlreiche Sitten bezüglich der Ostereier, von denen wir hier nur das Eierrollen erwähnen. Dabei wurden die Eier von einem Hügel gerollt, und dessen Ei nicht zerbrach, war der Gewinner. Weit bekannt war auch das Eierwerfen mit Geld. Dies geschah wie folgt: Der eine Partner hielt mit seinem Daumen und Zeigefinger ein Ei fest, der andere warf mit einem Geldstück nach dem Ei. Wenn das Geldstück im Ei steckenblieb, so gehörte das Ei dem Werfer, wenn nicht, so gehörte das Geld dem Besitzer des Eis. Bei Eierspecken hielt jeder Partner ein Ei in seiner zur Faust geballten Hand. Dann stießen beide mit der Spitze der Eier so lange aufeinander, bis die Schale eines Eis zerbrach. Das beschädigte Ei gehörte dem Sieger. Der Emmausgang erhielt den Namen davon, dass zwei Jünger den auferstandenen Jesus auf dem Weg nach Emmaus trafen. Beim Emmausgang besuchte man in einigen Orten die Verwandten in den Nachbardörfern – anderswo die eigenen Weinkeller. In Bóly/Bohl, in der Branau ist dieses Fest auch heute ein wichtiges Ereignis.

Das im ganzen Ungarn übliche Bespritzen (Schitte, Ouspretze, Spritsn) mit Parfüm oder Wasser war früher bei den Ungarndeutschen nicht bekannt; dieser Brauch verbreitete sich erst in den letzten Jahrzehnten.

Heute werden – Gott sei Dank – viele dieser Sitten der Ungarndeutschen wiederbelebt.

István Mayer

https://www.zentrum.hu/de/2015/04/ostern-bei-den-ungarndeutschen-2/

Quelle: Zur Volkskunde der Ungarndeutschen. Zusammengesteltt von Éva Márkus. Bp. 2010.

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