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Vor der Osterauferstehung: Über die Aufdeckung von Völkermorden ohne Hass

7. April 2023 Református.hu von István Joó

Vor 45 Jahren wurde Pozsonyligetfalu (Slowakei) und seine Umgebung, das zuvor in ein Konzentrations- und Vernichtungslager für Deutsche und Ungarn umgewandelt worden war, vom kommunistischen tschechoslowakischen Staat dem Erdboden gleichgemacht. Auf Befehl von Präsident Gustáv Husák wurde auf den Gebeinen der Opfer die größte Wohnsiedlung Mitteleuropas errichtet. So können die Massengräber des von 1945 bis 1947 betriebenen Lagerkomplexes nicht mehr aufgemacht werden. 

Die Vergangenheit tauchte jedoch auf zwei Arten auf. Erstens im Dokumentarfilm Népirtás Pozsonyligetfalun/Völkermord in Pozsonyligetfalu (2020) unter der Regie von Zoltán Udvardy und Dávid Géczy und produziert von Fruzsina Skrabski.  Zweitens im letztjährigen Dokumentarbuch mit dem Titel Mit Salz bestreut, in dem Udvardy, als Urheber und Ermittler des Films, ausführlicher auf das Thema eingeht. 

Völkermord in Pozsonyligetfalu (2020) Regie: Zoltán Udvardy und Dávid Géczy

Das unermessliche Leid der Ungarn und Deutschen im historischen Oberungarn (Felvidék)am Ende des Zweiten Weltkriegs und in den Folgejahren betraf nicht nur die Umsiedlung

Es ist auch nicht übertrieben, von Völkermord zu sprechen. Ein Regiment der tschechoslowakischen Armee erschoss 500-1.500 Zivilisten dieser Volksgruppen im Lagersystem von Bratislava /Pozsony/Pressburg. Zuvor hatten Soldaten desselben Regiments 267 Deutsche und Ungarn, mit ähnlichen Methoden, im mährischen Přerov, auf halbem Weg zum Konzentrations- und Vernichtungslager hingerichtet. 

Wer Zoltán Udvardys Buch liest, welches reich an historischen Quellen und Referenzen ist und die Genres eines literarischen Werkstatttagebuchs und eines Berichts vereint, wird überzeugt sein, dass es sich um eine symbolträchtige Erzählkette handelt. Hier hat der Verfasser dieser Zeilen erst verstanden, warum die Assimilationsbereitschaft unter den Ungarn in der Slowakei immer noch so stark ist. Es ist die Angst, die die Menschen immer noch verfolgt.

Doch was ist inhaltlich neu am Film und dem Buch? „Weder in der Tschechoslowakei noch in der Volksrepublik Ungarn durfte man über Völkermorde sprechen“, beginnt Zoltán Udvardys Antwort. – Trotzdem gab es vereinzelte Nachrichten über die Massaker in Přerov und Bratislava – zum Beispiel in vereinzelten Zeitungsartikeln zwischen 1945 und 1947, in der damaligen ungarischen Presse, noch bevor die kommunistischen Diktaturen in der Tschechoslowakei und Ungarn die Macht übernahmen. Später, im Westen und nach 1989 wieder in der ungarischen Presse.  Doch das Ganze in seinem Zusammenhang zu zeigen, die Prozesshaftigkeit der komplexen Episoden darzustellen, sie zu synthetisieren, nun ja, das hat erst unser Dokumentarfilm getan, und mein Buch. 

Auch der Einsatz von investigativem Journalismus fehlte bislang; Wir jedoch gingen zum Tatort um alle Stadien der Tragödie zu durchlaufen. Wir haben mit Überlebenden und Angehörigen der Opfer gesprochen, wir haben mit Menschen auf der Straße, Anwohnern und natürlich mit jenen Forschern gesprochen, die sich des Themas leidenschaftlich angenommen haben.

VÖLKERMORD PER DEKRET

Lassen Sie uns nun die höllischen Momente für die ungarische Bevölkerung im Oberungarn/ heute Slowakei aufzeigen, die im Buch von Zoltán Udvardy beschrieben sind und kommentiert wurden. Bei all dem kommt man an Edvard Beneš nicht vorbei. 

Als Außenminister trug der Tscheche Beneš zum ungerechten Frieden nach dem Ersten Weltkrieg bei, in dessen Verlauf die im südlichen Teil der heutigen Slowakei lebenden Ungarn aus ihrem Heimatland in die Tschechoslowakei überstellt wurden. 

Mitte der 1930er Jahre wurde Beneš zweiter Präsident des jungen Nachfolgestaates, der Tschechoslowakei. Dieser wurde durch das Münchener Abkommen zwischen Hitlerdeutschland und den Westmächten kurzfristig erschüttert. Nach dem Zweiten Weltkrieg, bis zum Putsch der Kommunisten, wurde der berüchtigte Politiker wieder Präsident der neuen Tschechoslowakei. Zuvor gab es jedoch einen bemerkenswerten Wendepunkt. Nachdem Benes die Zerstückelung der Tschechoslowakei miterlebt hatte, besuchte er 1943 Moskau, um von Stalin Hilfe zu erhalten.

Als Motiv für eine Annäherung an die Sowjetunion und an die Kommunisten sieht Zoltán Udvardy folgendes an: zwischen den beiden Weltkriegen sah sich Beneš damit konfrontiert,

dass nur zwei Drittel der tschechoslowakischen Bevölkerung slawischsprachig waren; Ein Drittel der Bevölkerung bestand aus Deutschen und Ungarn,

denen man gezwungen war Minderheitenrechte zu gewähren. Nach seinem Plan sollte der neue tschechoslowakische Staat so beschaffen sein, dass darin nur eine slawische Bevölkerung lebte. Er schloss sich daher dem stalinistischen Plan an, wonach die Sowjets ihren gesamten Einflussbereich von der deutschen Bevölkerung säubern wollten (mit Ausnahme natürlich der von den Stalinisten kontrollierten deutschen Gebiete, die später als DDR gegründet wurden). Beneš wollte noch mehr, auch die Ungarn ausschalten

Deshalb plante Benes in den Weltkriegsjahren bewusst und sorgefältig die systematische und  bewaffnete Verfolgung und Vernichtung der Deutschen und der ungarischen Bevölkerung, die nach dem Krieg stattgefunden haben. Deshalb holte sich Benes von Stalin die Erlaubnis ein und die dazu notwendige militärische Ausrüstung. Benes wurde in das NKWD (Sowjetisches Volkskommissariat für innere Angelegenheiten) in Moskau eingegliedert, welches auch für Massenmorde berüchtigt war. Er baute mit den in Moskau lebenden Landsleuten wie z.B.  Ludvík Svoboda, (der nach der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 zum Präsidenten gewählt wurde), ein nachrichtendienstliches Netzwerk auf, welches bis zum Regimewechsel und vielleicht darüber hinaus ein politischer Faktor im Hintergrund des tschechischen und slowakischen öffentlichen Lebens blieb. Udvardy macht darauf aufmerksam, dass das 17. Regiment der 4. Infanteriedivision der reorganisierten tschechoslowakischen Armee, bevor es mit dem Zug nach Bratislava fuhr, um die Obhut des Konzentrationslagers Ligetfalu zu übernehmen, in Prag eine aufhetzende Rede von Edvard Beneš hörte.

Unverhohlen forderte er zur Vernichtung, der in der Tschechoslowakei lebenden deutschen und ungarischen Bevölkerung auf. Zu dieser Zeit – im Mai 1945 – hatte Beneš bereits mit dem Erlass seiner Dekrete begonnen, die die beiden ethnischen Minderheiten ihrer Rechte beraubten und sie kollektiv stigmatisierten.

DIE NIE NACH HAUSE ZURÜCKGEKEHRTEN DOBSINER

Auf dem halben Weg zwischen Pozsonyligetfalu und Bratislava hielt das Regiment eine Weile in Přerov, Mähren an. Ihr Kommando ermordete in der Nacht des 19. Juni 1945 267 Menschen. Diese Deutsch- und Ungarisch sprachigen Familien wurden zuvor, bereits während der von Hitler besetzten Slowakei nach Westböhmen deportiert, von wo sie nun unter der Aufsicht von mit Armbinden versehenen Kommissaren, wieder nach Hause geschickt wurden. Nach Hause, in die multiethnischen Städte wie Dobsina, Késmárk, Jánostelek. Aber aus einem „unerfindlichen“ Grund mussten sie nun auch angehalten, um auf den verhängnisvollen Militärzug zu warten. 

Das militärische Exekutionskommando trieb die heimkehrenden Passagiere des Zuges zu einer Anhöhe in der Nähe der Stadt, welches „schwedische Schanze“ genannt wurde, wo sie alle, nacheinander erschossen wurden. 

Zwei Jahre später, im Herbst 1947, begann die tschechoslowakische Armee mit der Beseitigung der Spuren: Sie grub das Massengrab aus, dann wurden die hingerichteten Männer in einem nicht gekennzeichneten Massengrab auf dem Friedhof von Přerov beigesetzt, und die Leichen der Frauen und Kinder wurden im nahen gelegenen Krematorium von Olmütz verbrannt. – Der Grund für die unterschiedliche Behandlung der Getöteten war, dass man die Körper von Frauen und Kindern verschwinden lassen wollte, um die Tatsache des Völkermords verschleiern zu können  – erklärt der Autor des Buches „ Mit Salz bestreut“.

– Obwohl dieser, während der kommunistischen Ära tabuisierte Mordfall, Dank František Hýbl, einem Museologen und Heimatforscher aus Přerov, der nach dem Regimewechsel auch in Militärarchiven forschte, wieder bekannt wurde, wurde das Verbrechen nicht von der international relevanten Geschichtsschreibung aufgegriffen, fügt der Autor bitter hinzu.  Der Regisseure des Dokumentarfilms und der Autor des Buches betont aber , dass der Film endlich das Eis brach: Budapest würdigte die Arbeit von Hýbl, der einst mit seinen Recherchen sein Leben im eigenen Land riskierte; Der damalige Staatspräsident Ungarns, János Áder, verlieh im Herbst 2021, dem tschechischen Wissenschaftler den Ungarischen Goldenen Verdienstorden. 

Das Blutbad in Mähren war eine Art „Übung“ vor den Völkermorden in Ligetfalu. Die am rechten Donauufer gelegene Ortschaft Pozsonyligetfalu wurde 1946, unter dem Namen Petržalka, verwaltungsmäßig an Bratislava angeschlossen. Es war typischerweise eine von Deutschen bewohnte Siedlung, ein kleinerer Teil von Ungarn und Slowaken. Während der Hitlerzeit wurde hier ein Lager für jüdische Wehrpflichtige eingerichtet, die meisten von ihnen wurden von den sich zurückziehenden deutschen Soldaten getötet, andere wurden über die österreichische Grenze vertrieben. 

Am Ende des Krieges deportierten die tschechoslowakischen Behörden die deutsche Bevölkerung von Ligetfalu nach Österreich. Dadurch war es möglich, die vor allem ungarisch sprachigen Einwohner aus Bratislava in einige der leergewordenen Häuser zwangsumzusiedeln.

DIE TEUFLISCHE „SÄUBERUNG“ VON BRATISLAVA

Zoltán Udvardy weist darauf hin: Der Zweite Weltkrieg war noch nicht zu Ende, als die zurückgekehrten tschechoslowakischen Behörden bereits mit groß angelegten ethnischen Säuberungen in Bratislava/Pozsony/Pressburg begonnen haben. Nachdem die Russen die Stadt am 4. April 1945 besetzt hatten, begannen die Slowaken am 8. April, die deutschen Einwohner von Bratislava massenhaft in das Lagersystem in Ligetfalu zu vertreiben. Sie wurden im ehemaligen Judenlager untergebracht. Ab dem 3. Mai begann auch die Massenumsiedlung von Ungarn.  

Der Schauplatz der Massenmorde von Pozsonyligetfalu war nicht in der Siedlung, sondern an deren Grenze. Neben dem jetzigen Donaubiegung gab es früher einen weiteren Flussarm um Ligetfalu, der ursprünglich eine kleine Insel mit dem deutschen Namen Engerau bildete. Im Laufe der Geschichte war diese kleine Insel, später eine Flussbiegung, von besonderer militärischer Bedeutung, da sein unterer Donauarm später versiegte. Der Besitzer dieses kleinen Areals konnte Bratislava/Pressburg/Pozsony erobern. 

Nach Trianon, zwischen den beiden Weltkriegen, rechnete die Tschechoslowakei, die Pozsonyligetfalu erst im August 1919 eroberte und annektierte, nach Hitlers Machtübernahme damit, dass das Deutsche Reich Österreich annektieren würde und Bratislava/Pressburg/Pozsony sofort in Gefahr wäre, also begannen sie Engerau/Ligetfalu zu befestigen: im Geheimen wurde ein Grabensystem gebaut. Wir erwähnen das weil sich das durch Büsche gut getarnte Grabensystem, hervorragend für die Durchführung von ethnischen Säuberungen und Hinrichtungen eignete. 

Dazu genügte lediglich, dass am 27. Juni 1945 das 17. tschechoslowakische Infanterieregiment aus Prag eintraf! Die Gemetzel begannen sofort, deren Umstände in zwei Fällen enthüllt werden konnten. Einer davon:

80 Frauen, Kinder und älteren Menschen aus dem Lager, welches für die nach Ligetfalu transportierten vertriebenen Deutschen errichtet wurde, wurden hier hingerichtet,

mit derselben Grausamkeit, die bereits beim Massaker von Přerov zu beobachten war. – Aufgrund der gut dokumentierten Informationen des Außenpolitikexperten József Szabó wurden sie noch am Tag ihrer Ankunft des Regiments in den allerersten Panzergraben geschossen.

FÜNFUNDNEUNZIG SCHÜSSE AUF DEN HÜGEL

Die andere Fall: neunzig junge ungarische Burschen die zum Militär einberufen waren (Paramilitär), die aus den amerikanischen Gefangenenlagern des besetzten Deutschlands entlassen wurden und von den Amerikanern an die sowjetischen Truppen in Österreich übergeben wurden. Von den Sowjets wurden sie zum Grenzposten Ligetfalu eskortiert, wo sie in die Hände der Soldaten des 17. Infanterieregiments, die das Lagersystem bewachten, fielen. 

Die slowakischen Soldaten folterten die 12- bis 16-jährigen ungarischen Kinder, die auf eine schnelle Heimkehr gehofft hatten, und eskortierten sie dann zu einer der Befestigungen des ehemaligen Festungssystems, wo sie alle hingerichtet haben. 

Die Bewohner der Häuser in Ligetfalu hörten nur entfernte Serien von Maschinengewehrschüssen. Genau so wie die Leute in der Hauptstadt. So wie der berühmte Pressburger Schriftsteller Grendel Lajos in seinem letzten Buch angesichts der Massenmorde bezeugt, die in der Siedlung unterhalb der Stadt stattfanden und von denen nie mehr gesprochen wurde. (Das Buch „Gefallene Engel“ wurde 2017 veröffentlicht.) Udvardy spricht über die Hauptverantwortlichen. Eduard Kosmel erteilte den Befehl für die Massenerschießungen in Ligetfalu; Er wurde 1947 vor Gericht gestellt, aber in zweiter Instanz freigesprochen1969 wurde er zum stellvertretenden Stabschef der Vereinigten Streitkräfte des Warschauer Pakts ernannt. 

Die meisten Archivrecherchen über den verbrecherischen Fall Ligetfalu führte auf ungarischer Seite, der Diplomat József Szabó aus dem Mutterland durch. Udvardy nutzte viele Daten des Experten und die von ihm rekonstruierten Zusammenhänge in der Film Dokumentation. Zuvor hatte ein Arzt aus der Slowakei, Kálmán Janics, ein mutiges, in der Schweiz veröffentlichtes Buch über das Schicksal der Ungarn in der Slowakei geschrieben: Hier wird zum ersten Mal die Tragödie der neunzig ungarischen Jungsoldaten erwähnt, die in Ligetfalu massakriert wurden. 1978 erschien das Buch „Jahre der Heimatlosigkeit“ mit einem Vorwort von Gyula Illyés.

VERSÖHNUNG IST NUR MIT JESUS MÖGLICH

Das Thema ist nach wie vor hochsensibel. Eine Gruppe slowakischer Intellektueller verhinderte die Präsentation des Dokumentarfilms in den Schulen in der Slowakei, Russland und Frankreich, obwohl dies möglich gewesen wäre, weil der Film in der Dezember-Runde 2020 des monatlich in Eperjes und Trenčín abgehaltenen EduFilm-Festivals den Preis für den besten Dokumentarfilm gewonnen hatte. Dieselbe Gruppe verhinderte auch, dass der ungarische Dokumentarfilm bei einem Prager Filmfestival antrat. Andere Demonstranten drückten ihre Missbilligung aus und übten Druck auf die Jury des Ungarischen Filmfestivals 2021 aus; Schon damals lautete der Vorwurf, dass die Macher mit ihrem Film Unwahrheiten verbreiten und Hass schüren würden.  Dennoch erhielt der Film den Hauptpreis des Festivals in der Kategorie Kurzdokumentarfilm. 

Auf unsere Frage, wie wir, christliche ungarische Zuschauer und Leser diese bedrückenden Aufklärungswerke aufarbeiten könnten, verwies der Autor auf Jesus Liebesgebot der Vergebung

und auf folgende Beobachtung. Als in der am Hinrichtungsort errichteten Bratislavaer Wohnsiedlung gedreht wurde, reagierten die slowakischen Bewohner freundlich auf die Tatsache, dass sie von einer ungarischen Fernsehgesellschaft aufgesucht wurden. Und diejenigen, die davon erfuhren, dass es dort, wo sie lebten, einst Massenhinrichtungen gab, haben diese historischen Ereignisse einstimmig verurteilt.

Warum haben wir den Film gemacht und warum habe ich das Buch geschrieben? Wir wollten diesen unschuldig getöteten Menschen Leben einhauchen. Die Kommunisten haben nicht das letzte Wort, wir haben ihren Opfern schon ein wenig Gerechtigkeit widerfahren lassen,

wir haben mit unserer Ermittlungsarbeit die Wahrheit Gottes behauptet, der kein Gott des Hasses, sondern der Liebe ist.

MAGYARUL: https://www.reformatus.hu/egyhazunk/hirek/feltarulo-nepirtasokrol-gyuloletmentesen/

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