Der ungarische Künstler, János Nádasdy arbeitet in jener Sozialhaftung von Kunst, in der immer wieder auch das Engagement für den Menschen und das Gemeinwesen sichtbar wird. Die Austellung seiner Werke ist in der Galerie vom Zufall und Glück in Hannover bis zur Mitte Jänner 2023 zu sehen.
Der 1939 in Ungarn geborene Künstler, János Nádasdy verließ nach dem gescheiterten Aufstand 1956 sein Land. Er trat eine Odyssee an, die ihn um den halben Erdball bis zum Montevideo/Uruguay führte, wo er an der dortigen Kunsthochschule seine in Budapest begonnenen Studien fortsetzte. Wegen politischer und sozialer Unruhen verlässt er Südamerika und kehrte 1962 nach Europa zurück. Er ließ sich in der niedersächsischen Hauptstadt nieder, wo er sein Studium der freien Grafik und der freien Malerei an der Werkkunstschule zu Ende führte. János Nádasdy lebt und arbeitet in Hannover.
Hinter diesem sehr summarischen Lebenslauf verbirgt sich eine Biografie, in der der Wille zur Kunst immer entscheidendes Motiv war. Eine Biografie aber auch, in der die Politik für lebensentscheidende Veränderung sorgte und für eine konfliktuelle Manövriermasse, die Blick und Handeln des Künstlers bis zum heutigen Tag bestimmen. Ein Künstler dieser Generation und mit solchem Lebenslauf taugt wenig zum Anhänger eines l’art pour l’art, zum Vertreter einer künstlerischen Kunstpraxis
Nádasdys Leben wurde von der ungarischen Geschichte des 20. Jahrhunderts geprägt. Krieg, Diktatur, Revolution, Flucht, Emigration, politische und soziale Unruhen in Ungarn, in Europa, in Süd-Amerika, Im kommunistischen Ungarn galt er als Klassenfeind, im Ausland, im Exil blieb er immer ein Ungar, immer eine Aussenseiter. Sein Leben war immer im Niemandsland.
Er lebte 66 Jahre fern von seiner Heimat und blieb doch in jedem Teil seines Wesens ungarisch, in seiner Denkweise, in seiner Sensibilität, in seinem menschlichen Charakter. Das prägende Erlebnis seines Lebens war die Revolution 1956 und alles, was die Revolution bedeutete: der Aufstand eines gedemütigten Menschen, einer gequälten Gemeinschaft gegen die Gewalt. Diese Erfahrung begleitete sein Leben und beeinflusste seine Kunst. Er lernte, dass weder der Terror, der den menschlichen Geist bedroht, noch die mit heuchlerischem Eifer verkündeten falschen Versprechungen und auch ihre Vertreter einen Augenblick lang toleriert werden dürfen.
Die Freiheit des Einzelnen und der Gemeinschaft geht in totalitären Machtspielen verloren. Die Freiheit des Künstlers hingegen bleibt immer in der Themenwahl, in den Ausdrucksformen. Nádasdy ist ein experimenteller Künstler. Er war mit keiner künstlerischen Strömung verbunden, er ließ sich in keinen Ismus einordnen. Er ist nicht an Stilfragen interessiert. Er hat immer ein zeitgemäßes Thema für die Grundidee gefunden, die sich durch seine Kunst zieht, und er hat die richtige Form für das Thema entwickelt und damit experimentiert. Er malte Bilderzyklen, in denen er hartnäckig das Motiv wiederholte, das die Teile des Zyklus zusammenhält, wie in einem Musikstück.
„In meiner Arbeitsweise wende ich mich häufig sehr unterschiedlichen bildnerischen Verfahren und Materialien zu“, erklärt János Nádasdy. „Im Mittelpunkt meiner künstlerischen Aufmerksamkeit stehen inhaltlich die durch Menschen verursachten Deformationen in der modernen Gesellschaft. Meine Arbeiten sind mir von der Idee und von der Form her wichtig und vom Geist her, der aus der Arbeit kommt. Aber auch von einer gesellschaftlichen Position her, die ich im politischen Meinungsfeld als Künstler vertrete.”
Ich wollte immer zeichnen, sagt Nádasdy, und das hat er auch getan. Auch wenn er sich andere künstlerische Ausdrucksformen, wie die Kunstaktion, die Collagè, das Aquarelle, den Siebdruck suchte – zur Zeichnung kehrte er immer wieder zurück. Er ist ein starker Zeichner, das zeigen nicht nur die präzisen, aber nicht unterkühlten Augenblicke aus dem Operationssaal, wo er als Künstler bei Herzoperationen dabei sein durfte.
Es sind packende Bilder. Packend sind viele seine Arbeiten: das titelgebende Bild „Niemandsland“ aus dem Jahr 1973, auf dem ein bunt zugewachsenes Gleis ins Nichts zu führen scheint.
Die Bunkerbilder basieren auf eine Reise nach Dänemark in den 1970er Jahren. Die vom Krieg übrig gebliebene Betonbunker, die im Sand versinken – rief Erinnerungen an die Brutalität aus den Tiefen des Bewusstseins hervor. Die Bilder der Bunker bieten aber auch Hoffnung: wie die ehemaligen Kriegsobjekte im Sand des Strandes versinken, so werden auch die Spuren der Gewalt aus dem Gedächtnis der Menschen verschwinden.
Oder der Zyklus „Parade – Budapest 1956„, der zwischen 2003 und 2006 gemacht wurde und besteht aus 30 Bildern. Diese Bilder basieren auf denselben zwei konstanten Motiven. Ein sowjetischer Offizier, der seine Waffe schwingt, und eine rasende Gruppe von Aufständischen auf dem Dach eines Lastwagens.
Besondere Bekanntheit erlangte Nádasdy in Hannover bei seinen „Entrümpelungsaktionen“ der Leine. Der zusammengepresste Schrott derartigen Aktionen hat seinen festen Platz als Kunst am Fluss beim Flohmarkt gefunden. Im Jahr 1970 protestierte er gegen irgendetwas beim „Experiment Straßenkunst.“ Der Streit damals ist vorbei, verweht und fast vergessen. Er hat sich auch eingesetzt, dass Hannover einen „Kurt-Schwitters-Platz“ bekommt. Heute ist kaum unvorstellbar, dass Kurt Schwitters in Hannover erst durchgesetzt werden musste. Nádasdy, der Ungarn hat daran mitgewirkt.
Der 83-jährige Künstler zeigt in der Galerie vom Zufall und Glück in Hannover einen Ausschnitt seines breit gefächerten künstlerischen Schaffens. Er hat viel getan, viel angefangen, vielleicht hat er sich auch ein bisschen verzettelt. Aber Umwege gehen kann eben auch nur, wer unterwegs ist.
Quellen: Ronald Meyer-Arlt (HAZ), Irén Rab (Ausstellungskatalog Berlin) Michael Ströber (Niemandsland)