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Entschließung zum Europäischen Geschichtsbewusstsein

15. Februar 2024 Magyar Nemzet von Áron Máthé

Wir sind in einen riesiegen Kessel geraten, wo die verschiedenen Völker und Nationen gekocht und gerührt wurden, und die kommunistischen Alchimisten warteten mit Geduld auf das Ergebnis: einen in marxistische Ideologie getränkten russisch sprechenden Sowjetmenschen, ohne Nation.

Vor  achtzig Jahren wurde in der Zeitung „ A Nép“ (Das Volk) in  Máramarossziget (Sighet Maramatiei/Maramureschsigeth ) ein Artikel „Brief aus dem Karpatenvorland“ veröffentlicht, der über den erfolgreichen Wiederaufbau und über die großartige Produktion in diesem – damals sowjetischen – Landesteil erzählt. Der Author schreibt wie folgt:

„Ich möchte nicht weiter in der unsicheren Atmosphäre leben, die vom  Irredentismus gegeneinander kämpfender, chauvinistischer Regierungen geschaffen wurde. Ich möchte ein freier Bürger der mächtigen Sowjetischen Volksrepublik sein und nicht weiter das faschistische, kapitalistische Joch tragen“

Wieso zitieren wir hier diesen Text ? Am 17. Jan. 2024 hat die Plenarsitzung des Europäischen Parlaments den eigens iniziirten Bericht Nr. P9—TA(2024)0030 über die „Entschließung zum Europäischen Geschichtsbewusstsein“ akzeptiert. Die Stellungnahme des EP basiert auf dem Bericht des Ausschusses für Kultur und Bildung.

Was steckt hinter dieser bürokratischen Aktennummer? Nichts anderes, als ein Versuch, die Auslegung der Vergangenheit in die korrekte Richtung zu steuern, wie wir es im Bericht auch lesen können. Ich möchte Ihnen einige Textabschnitte der Entschließung bekannt machen, die – obwohl in „eurokratischen“ Sprache geschrieben –  wir auch verstehen. Fangen wir also an!

  • in der Erwägung, dass das historische Gedächtnis zu einem erheblichen Grad subjektiv ist, da die Wahl dessen, woran erinnert werden soll, und die Interpretation der Vergangenheit zwangsläufig Werturteile erfordern“  und
  • in der Erwägung, dass interdisziplinäre Ansätze und Kontextualisierung wesentliche Elemente historischer Bildung sind, die mit den Programmen für unionsbürgerliche Bildung sowie mit Austausch- und Mobilitätsprogrammen verknüpft werden müssen“  und
  • „die Förderung eines kritischen Geschichtsbewusstseins über Grenzen hinweg mithilfe von Bildung und anderen Mitteln von zentraler Bedeutung dafür ist, dass die Europäerinnen und Europäer ihre Vergangenheit verstehen und bewältigen, sich zuversichtlich mit der Gegenwart auseinandersetzen und auf eine gemeinsame Zukunft hinarbeiten können“  und
  • „die unterschiedlichen und oft widersprüchlichen Geschichten der europäischen Nationen und Staaten alle Bemühungen, sich mit der Geschichte auf politischer Ebene auseinanderzusetzen, zu einem schwierigen und potenziell gefährlichen Unterfangen werden lassen“ und
  • Wir stellen „ einen Aufruf dazu dar , gemeinsam auf demokratische und inklusive Gesellschaften in der Union und weltweit hinzuarbeiten; „ und
  • Das EP „bringt seine Besorgnis darüber zum Ausdruck, dass in Europa – zwischen West- und Osteuropa, aber auch zwischen Ländern und Nationen, die dem gleichen Teil des Kontinents angehören – nach wie vor ein latenter Wettbewerb verschiedener Erinnerungsrahmen und Erinnerungskulturen besteht, die zum Teil nicht miteinander vereinbar sind; betont, dass alle europäischen Länder sowohl gemeinsame als auch unterschiedliche Erfahrungen besitzen, die Teil der gemeinsamen europäischen Geschichte sind“ und
  • Das EP “fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, diejenigen Freiheiten, die derzeit insbesondere aufgrund von Fällen des Missbrauchs von Gesetzen über das Gedenken gefährdet sind, unter anderem mithilfe des Rechtsstaatlichkeitsmechanismus der EU zu schützen“  und
  • Das EP  „fordert die Mitgliedstaaten auf, die derzeitigen Lehrpläne und Lehrmethoden so zu aktualisieren, dass der Schwerpunkt von der nationalen auf die europäische und globale Geschichte verlagert wird und dem supranationalen Verständnis der Geschichte mehr Raum eingeräumt werden kann, insbesondere, indem eine Betrachtung der Geschichte aus verschiedenen Perspektiven zugelassen wird und entsprechende Lehrstile gefördert werden, die Reflexion und Diskussion über die Vermittlung von Wissen begünstigen ,“  und
  • Das EP „fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, unter anderem im Rahmen der Arbeitsgruppe „Gleichstellung und Werte“ des europäischen Bildungsraums an Ergebnissen zu arbeiten, die sich speziell auf die Entwicklung eines europäischen Geschichtsbewusstseins beziehen, und gemeinsam ein „EU-Handbuch“ für Aktivitäten im Rahmen des Lernplans zu entwickeln, das gemeinsame Leitlinien und unparteiische Fakten und Zahlen für die Vermittlung der europäischen Geschichte enthält;“  und
  • Das EP „ist der Ansicht, dass Chauvinismus, Geschlechterstereotypen, Machtasymmetrien und strukturelle Ungleichheiten tief in der europäischen Geschichte verwurzelt sind, und bedauert das Fehlen eines ausreichend multikulturellen und geschlechtersensiblen Ansatzes bei der Vermittlung von Geschichte; hält es für wichtig, sich mit der Marginalisierung von Frauen und anderen unterrepräsentierten gesellschaftlichen Gruppen in der Geschichte auseinanderzusetzen, und fordert die Mitgliedstaaten auf, dies in den nationalen Lehrplänen stärker zu berücksichtigen;“
  • Und noch eine Zitat, die für sich selbst spricht: „Geschlechtsspezifische, weltanschauliche und auf ethnischer Zugehörigkeit beruhende Ungerechtigkeiten, …sind seit vielen Jahrhunderten Teil der europäischen Geschichte..“

Wenn wir die „eurokratisch formulierten“ Texte in die Umgangsspreche übersetzen, erfahren wir,

So wird unser König, der Heilige István/Stefan ein Massenmörder, Shakespeare ein einfacher, toter Weisser , die Kreuzritter von Bouillon Gettfried die Vorläufer der Zionisten, die die Palestinänser unterdücken. Die Fokussierung auf die europäische und globale Geschichte anstelle der nationalen Geschichten bedeutet, dass die nationalen Gemeinschaften  ihrer größten verbindenden Kräfte: der gemeinsamer Erzählungen und Erinnerungen, der  Verehrung gemeinsamer Helden, der Trauer um gemeinsame Opfer beraubt werden können.

Das  „Reflexion und Diskussion über die Vermittlung von Wissen begünstigt werden“ bedeutet, dass EU Bürger ohne jegliches gemeinsames Wissen dem Windgang der Media ausgeliefert sind. Last, but not least , bedenklich ist die Vision, dass sich das EP eine globale Berufung  zur weltweiten Förderung „demokratischer und inklusiver Gesellschaften“ anmaßt. 

Überträgt man die Übersetzung auf das modische, vereinfachte Vokabular unserer Zeit,

Mit anderen Worten: die Beraubung der nationalen Gemeinschaften ihres Rechts zur Selbstbestimmung, eines weiteren Teils ihrer Souveränität. Und was hat es mit dem sowjetischen Beispiel auf sich?

Es wurde oft betont, daß der Vergleich der Europäischen Union mit der Sowjetunion ein Sakrileg ist. Es stimmt, dass die Völker des Kontinents derzeit weitgehend in Wohlstand leben, und es stimmt auch, dass die politische Gewalt der sowjetischen Welt hier auch nicht präsent ist.

Natürlich gibt es Massendemonstrationen, bei denen die Vernichtung des Gegners gefordert wird, es herrscht eine gewisse kafkaeske Undurchsichtigkeit, in der Politik wird das geschriebene Recht immer mehr durch „europäische Werte“ d.h. Pseudo-Rechtmäßigkeit, (leninistische Normen?) ersetzt, und es herrscht ein Gefühl der ideologischen Mission.

Aber noch einmal: Was hat die Sowjetunion damit zu tun? Der ehemalige sowjetisch-russische Oppositionsaktivist Vladimir Bukovsky schrieb eine Broschüre mit dem Titel EUSSR – die sowjetischen Wurzel der europäischen Integration“. Natürlich sollte auch erwähnt werden, dass sein Mitautor (Pavel Stroilov) eine zweifelhafte Figur war, und es stimmt auch, dass die meisten der im Buch veröffentlichten Dokumente aus Gorbatschows Zeit vielmehr die Bestrebung der Sowjetunion in das „Europäische Haus“ reinzukommen und dessen linkisch-sozialistischen Charakter zu gestalten.

Deshalb möchte ich vielmehr auf etwas anderes hinweisen, und zwar auf die Formulierung des großen ungarischen Bürgerrechtlers in Transkarpatien, Sándor Milován, aus der Breschnew-Zeit:

Den Sowjets ist es nich gelungen. Es wird auch jetzt nicht gelingen.

Autor, Dr. Áron Máthé ist Historiker, stellvertretender Vorsitzender des Komitees des nationalen Gedenkens (Nemzeti Emlékezet Bizottság)

Deutsche Übersetzung: Barnabás Zólyom

MAGYARUL: https://magyarnemzet.hu/velemeny/2024/02/szovjet-tipusu-atneveles-az-ep-ben

Ein Kommentar

  1. Eine „kritische Geschichte EU-ropas “ , beginnend mit der Gründung erster Vorläuferorganisationen bis zur Agenda 2030 und die Projekte darüber hinaus, sollte unbedingt hinzugefügt oder besser: entgegengestellt werden . Dabei muss die Entwicklung der imperial-absolutistisch-totalitären Tendenz der EU-kratie im Hinblick auf Unterwerfung und Disziplinierung der Mitgliedsstaaten besonders thematisiert werden, ebenso die Einflüsse übergeordnet-supranationale Organisationen auf die EU und deren Abhängigkeit von jenen, z. B. in der „Corona-Zeit “ oder der gegenwärtigen geopolitischen Situation .

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