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Die politische Praxis der nationalen Identität

15 Punkte des ungarischen konservativen Denkens und der politischen Praxis

10. März 2025 Mandiner von Ervin Nagy

Wir sind am Ende der klassischen Ideologiekämpfe angelangt. Wir stehen vor historischen Veränderungen. In Europa sind die „Ismen“ ausgehöhlt worden. Sie können nur noch mit Gewalt oder durch solch wesentliche Veränderungen aufrechterhalten werden, die sie nicht mehr das sein lassen, was sie mal waren. Heute kann jede Ideologie, deren Name traditionell auf „ismus“ endet, nur gegen eine pluralistische Konkurrenz aufrechterhalten werden. Und das wollen wir nicht! Wir möchten das nicht! Zumindest wir ungarischen Konservativen lehnen die Idee ab, den intellektuellen Wettbewerb hinter der Politik auszusetzen.

Diagnose

Der zeitgenössische Liberalismus als ein sich selbst verzehrendes System von Normen hat sich selbst verschlungen wie eine Schlange, die sich in den Schwanz beißt. Er hat seine Offenheit gegenüber Andersdenkenden verloren. Langfristig gesehen hat der klassische Liberalismus seine historische Aufgabe erfüllt. Er ist erledigt. Die Sozialdemokratie wurde durch das wirtschaftliche Paradigma des Neoliberalismus in die Enge getrieben und verfehlt nun, wie der Liberalismus, heute ihr ursprüngliches Ziel. Sie ist nicht für die Gleichheit. Sie ist in Wirklichkeit auch nicht links. Die Lage der Sozialisten wurde durch das allmähliche Verschwinden der Industriearbeiter hoffnungslos, aber die Verfolgung einer progressiven Agenda hat auch bei ihnen die einst wichtigen Ziele verschwimmen lassen. Schließlich wurde auch die Christdemokratie auf dem steinigen Weg durch die erzwungene Anpassung an die globalen progressiven Erwartungen und den liberalen Zeitgeist ausgehöhlt.

Was die politische Praxis betrifft, so sind die traditionellen Ideologien heute nicht mehr in der Lage, gültige Antworten auf die Herausforderungen der Globalisierung zu geben, und spielen ihre Rolle als gemeinschaftsstiftende Kraft nicht mehr.

Die Links-Rechts-Spaltung, die den politischen Raum in Europa traditionell beherrschte, wurde durch die Konfrontation zwischen föderalistischen und souveränistischen (oder globalistischen und lokalistischen) Kräften ersetzt und teilweise überlagert. Die politische Logik der neuen Ära hat somit eine ganz andere Art der Organisation von Gemeinschaften in den Vordergrund gerückt: eine Ära der Identitätspolitik ist entstanden.

Was geschieht mit dem Konservatismus?

Es stellt sich die Frage: Welche Zukunft hat das konservative Denken in diesem neuen politischen Umfeld? Der politische Wettbewerb in der westlichen Zivilisation erfährt einen dramatischen Wandel. Die grünen Bewegungen haben sich schon vor Jahrzehnten der Identitätspolitik zugewandt, und die (neo)marxistischen Denker bauen ihre Politik auf künstlich geschaffenen Identitäten auf. In ähnlicher Weise bauen die Liberalen ihre fortschrittliche Politik auf neuen, wöchentlich neu geschaffenen Identitätsgrundlagen auf, in denen die ursprünglichen liberalen Werte kaum noch erkennbar sind. Währenddessen sucht die klassische Rechte immer noch nach ihrem Platz und ihren Antworten.

Die erfrischende Wirkung der identitären Bewegungen ist unbestreitbar, aber es handelt sich meist um reine Gegenbewegungen, die nur Teilantworten bieten. Die Nostalgie für die Vergangenheit ist eine bequeme Zuflucht, aber die politischen Realitäten der Gegenwart erfordern neue Strategien des Denkens und Handelns, die über die Grenzen der klassischen Ideologien hinausgehen. Das Zeitalter der Ideologien ist vorbei, aber weder die Geschichte noch die politischen Kämpfe sind vorbei.

Was darf man nicht tun?

Die Nostalgie wird nicht ausreichen. Die akademische Attitüde des Rückblicks in die Vergangenheit wird keine erfolgreiche politische Praxis sein.

Das konservative Denken muss aus seinem dogmatischen Schlummer erwachen!

Nachdem wir das Problem diagnostiziert haben, können wir feststellen, dass konservatives Denken drei grundlegende Fehler vermeiden muss.

  • Es darf nicht zu einer Ideologie werden, denn das würde in die selbst liquidierende Sackgasse des Liberalismus führen.
  • Es darf nicht ausschließlich die Logik des globalen Neoliberalismus übernehmen, wie es die Sozialdemokratie getan hat.
  • Es muss sich vom Zwang befreien, sich der progressiven Agenda anpassen zu wollen.

Man muss einsehen: Konservatismus ist keine Ideologie, sondern eine Verhaltensform, die sich in Normen manifestiert.

Es geht darum, bewährte Werte zu bewahren und von einer Generation an die nächste weiterzugeben und gleichzeitig in der Lage zu sein, sich an eine sich rasch verändernde Welt anzupassen.

Dazu brauchen die Konservativen eine eigene Identität. Eine, die Sicherheit und Wohlstand für die Gemeinschaft und Identifikationspunkt für den Einzelnen bietet.

Die Stärke des konservativen Denkens und der konservativen Politik liegt daher in der Rückbesinnung auf die nationalen Wurzeln.

Jede Nation hat ihren eigenen Konservatismus, aber sie müssen sich, um die Herausforderungen der Zeit zu meistern zu können, vernetzen und dabei die Eigenheiten der anderen respektieren.

Diese Art der konservativen Zusammenarbeit kann die Kohäsion der westlichen Zivilisation gewährleisten, die durch einen gemeinsamen Willen, gemeinsame Werte, Tugendorientiertheit und jüdisch-christliche Moral zusammengehalten wird.

Antworten

Das konservative Denken bietet lokale Antworten auf globale Herausforderungen. Es lehnt die Abschaffung der Unterschiede zwischen Männern und Frauen ab, baut auf den Respekt vor Tugenden und Leistung und glaubt, dass die Zukunft Europas auf dem Christentum beruht. Es lehnt die Verlockungen von Utopien ab und verwirft moderne Ideologien, welche die Freiheit einschränken, sei es der Neoliberalismus oder der Woke-Marxismus.

Es schafft eine autonome nationale Kultur, die sich auf der Grundlage der Vergangenheit erneuern kann, während sie sich progressiven Bestrebungen widersetzt.

Und da wir Ungarn sind, wie könnte die Schlussfolgerung sonst lauten?

15 Punkte Vorschlag

1. Anstelle grenzenloser Selbstverwirklichung müssen wir Gemeinschaften aufbauen, die Sicherheit bieten und dem Gemeinwohl dienen, und damit können wir Raum und Zeit bewohnen.

2. Wir glauben, dass wir weder im Osten noch im Westen der Geschichte stehen dürfen, sondern wir müssen uns in einer sich verändernden Weltordnung auf die ungarische Seite stellen. Wir suchen daher lokale Antworten auf globale Fragen.

3. Wir lehnen Uniformität ab.

4. Wir lassen nicht zu, dass die Grenzen zwischen Mann und Frau, Mutter und Vater, Kind und Erwachsenem aufgehoben werden.

5. Wir glauben, dass Gerechtigkeit nicht auf Gleichheit beruht. Wir glauben, dass das Wesen der Gerechtigkeit auf Tugend und Leistung beruht, d.h. jedem nach seinem Verdienst.

6. Des Weiteren glauben wir auch an die klassischen Tugenden. Loyalität, Mut, Gerechtigkeit. An harte Arbeit. An Respekt, Ehre und Verantwortung.

7. Wir lehnen den Zweckoptimismus der Aufklärung und die ziel- sowie endlose Progression ab.

8. Wir glauben nicht, dass man die Natur kennenlernen und bezwingen könnte, aber wir schützen die geschaffene Welt.

9. Wir glauben, dass Europa entweder christlich sein wird oder gar nicht. Ohne die Zehn Gebote und die Lehren Jesu verlieren wir den Kompass für die großen Entscheidungen des Lebens, und deshalb verteidigen wir die jüdisch-christliche Kultur.

10. Wir verneinen die Utopien, die Fieberträume der Nazis und Kommunisten. Wir lehnen die heutigen freiheitsbeschränkenden Ideologien, die heutige Form des Liberalismus, den heutigen Kult der grenzenlosen Freiheit sowie die Cancel-Kultur des Woke-Marxismus ab.

11. Unser Ideal ist ein stabiles Ungarn. Wir wollen uns nicht dem Westen anpassen, wir messen uns nicht an den politischen Linken, wir wollen die neoliberale Hegemonie ihrer Nachhut brechen.

12. Wir halten Stabilität und Ordnung für wichtiger als die unendliche Ausdehnung der individuellen Freiheiten ohne Grenzen.

13. Unser wichtigstes Ziel ist die Schaffung von Frieden und Sicherheit.

14. Wir schaffen unsere eigenen Muster, wir interpretieren neu, was in der Vergangenheit bereits funktioniert hat, d.h. wir leben nach unseren eigenen Regeln! Auf diese Weise lassen wir den Zwang zur Anpassung an eine progressive Agenda hinter uns.

15. Schließlich: Wir wollen unsere eigene nationale Kultur schaffen! Eine Kultur, deren Kernidentität wir selbst definieren.

MAGYARUL: https://mandiner.hu/belfold/2025/01/nem-kerunk-az-eroszakos-izmusokbol-es-a-vilagszomorito-progressziv-praxisbol-a-magyar-konzervativ-gondolkodas-es-politikai-gyakorlat-15-pontja

Autor, Ervin Nagy war Philosoph, Publizist, Lehrer, Mitarbeiter des Instituts für das 21. Jahrhundert. Er starb am 1. Februar 2025

Deutsche Übersetzung von Dr. Andrea Martin

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