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Das System der Komitate in der Kommunalverfassung von Ungarn

Ungarn und seine Komitate sowie Komitatshauptstädte

7. Februar 2022, Faktenwissen über Ungarn von BENCE BAUER

Das System der ungarischen Komitate ist in Deutschland eher unbekannt. Diese nehmen sowohl
im Selbstverwaltungs- als auch im Staatsverwaltungssystem des Landes eine zentrale Rolle ein.
Ungarn besteht aus 19 Komitaten sowie Budapest, das wie ein Komitat behandelt wird.
Außerdem existieren 23 Städte mit Komitatsrecht, sog. Komitatsstädte. Diesen kommt in der
Kommunallandschaft Ungarns eine besondere Bedeutung zu. Vorliegender Beitrag gibt einen
historischen Überblick und ordnet die Komitate und Komitatsstädte in das politische System
des Landes ein.

Geschichte der Komitate

Seit der ersten Erwähnung im Jahre 1009 wird im historischen Ungarn von sog. Burgkomitaten,
im späteren auch Grafschaften oder Gespanschaften gesprochen. Diese bestanden bis zur
Machtergreifung der Kommunisten
und wurden 1950 in Komitate umbenannt. Die
Burgkomitate umfassten ursprünglich die Einheiten rund um die ersten vier Wehrburgen des
Landes, das Wort „megye“ (Komitat) lässt sich aus dem Südslawischen herleiten und bedeutet in etwa
„Grenze
,

Burgkomitat ist also die Burg mit einem begrenzten Gebiet.

Der dem Burgkomitat vorstehende Gespan oder auch Landgraf (ispán) wurde vom König ernannt und hatte neben Verwaltungsaufgaben auch die Judikatur inne. Der Untergespan hingegen wurde vom örtlichen Adel bestimmt, was auf erste Selbstverwaltungsrechte hindeutet. Erst nach dem österreichungarischen Ausgleich 1867 wurde das System reformiert, eine eigenständige Justiz entwickelt

Verwaltungskarte des historischen Ungarns, 1910

und das sich aus dem Mittelalter tradierte System der verschiedenen Verwaltungseinheiten
vereinheitlicht
. Die große Komitatsbereinigung von 1876 löste En- und Exklaven wie auch
spezifische historische Verwaltungsgebiete (wie etwa Freie Königliche Stadt, Stuhl, Bezirk,
Minderstadt) auf und statuierte 65,

ab 1881 dann 63 Burgkomitate sowie die ungarischen Küstengebiete um Fiume (heute Rijeka).

In verschiedenen Zusammenhängen wird nicht ganz zutreffend von den 64 Burgkomitaten gesprochen. Die acht Komitate des in Personalunion regierten Königsreichs Kroatien werden nicht miteingerechnet.

Trianon und die Folgen

Nach dem Friedensdiktat von Trianon vom 4. Juni 1920 verlor das ungarische Königreich mehr
als zwei Drittel seines Territoriums und große Teile seiner Bevölkerung
. Die abgetrennten Gebiete kamen zu Österreich, zur Tschechoslowakei, zu Rumänien und zum Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen. Der Friedensschluss von Trianon war für viele Generationen von Ungarn weit mehr als ein nationales Trauma; Trianon ist immer noch der Dreh- und Angelpunkt vieler soziokultureller oder politischer Überlegungen.

Mit dem Friedensvertrag wurden auch unzählige Komitate amputiert, nur noch 25 verblieben bei Ungarn. Daneben behielt das Mutterland Gebietsteile aus vormalig 17 Komitaten,

die mit der Komitatsreform im Jahre 1923 in sieben sog. „verwaltungsmäßig vorläufig vereinigte“ (vvv) Burgkomitate zusammengefasst wurden. Damals war unklar, ob es im späteren zu Gebietsrevisionen wird kommen können, außerdem wollte und konnte sich die ungarische Gesellschaft der
Zwischenkriegszeit nicht mit der Endgültigkeit von Trianon abfinden
. Aus diesem Grunde
wurden alle Komitate mit ihren Grenzen beibehalten und die bruchstückhaften Komitate an den
Randgebieten des Landes verwaltungsmäßig zusammengefasst. Die Wiener Schiedssprüche der
Jahre 1938 und 1940 sowie die Besetzung der Karpatenukraine brachten wieder einige
Landesteile zurück ins Königreich.
In deren Folge lebten alte Burgkomitate wieder auf, was mit
dem Vorrücken der Sowjettruppen 1944 aber wieder hinfällig wurde.

Nach dem Zweiten Weltkrieg

Im Jahre 1945 wurde die zwischen 1923 und 1938 bestehende Einteilung in 25 Komitate nicht
verändert, lediglich wurden die sieben vvv-Burgkomitate in die existierenden Burgkomitate
eingegliedert. Im Jahre 1950 kam es dann im Gefolge der neuen kommunistischen Verfassung
von 1949 zu einer weitreichenden Umstrukturierung.

Die Burgkomitate wurden offiziell im Komitate umbenannt, verloren fortan ganz ihren Status als Selbstverwaltungskörperschaften und waren nur noch territoriale Verwaltungsgliederungen.

Ab 1954 wurde den vier größten Städten nach Budapest, Debrecen, Miskolc, Pécs und Szeged, der Titel „Stadt mit Komitatsrechten“, ab 1971 nur noch Komitatsstadt zugebilligt, in diesem Jahr kam auch Györ
hinzu (alle Städte mussten mindestens 100.000 Einwohner haben). 1989 folgten Kecskemét,
Nyíregyháza und Székesfehérvár. Diese Komitatsstädte strahlten aufgrund ihrer gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Dimension weit über die Komitatsgrenzen hinaus.

Wende und Neuordnung: 19 Komitate und 23 Städte mit Komitatsrecht

Mit der politischen Wende konnten im Jahre 1990 die Selbstverwaltungen neu etabliert werden.
Nunmehr ist das Komitat nicht nur eine Selbstverwaltungseinheit, sondern auch eine
Gliederung der sich in den Gebietskörperschaften organisierenden Staatsverwaltung.

Der vollstandige Beitrag https://magyarnemetintezet.hu/de/forschung/das-system-der-komitate-in-der-kommunalverfassung-von-ungarn beinhaltet noch u.a. die Besonderheitein in Kompetenz und Wahlrecht, die Landeswahlkreise, die Kommunalwahlen.

Autor, Dr.Bence Bauer ist Direktor der Deutsch-Ungariuschen Institut für Europäische Zusammenarbeit

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