11. Juli 2023 Magyar Hírlap von IRÉN RAB
Die Anekdote, die mir gestern zum Urteil des Ulmer Landgerichts einfiel, stammt aus der Zeit des Gulaschkommunismus. Es ist nicht schön, einen grausamen Messermord mit einer Anekdote zu verbinden, aber es war nicht der Mord selbst, sondern ein vermeintlicher Moment davon, der mich an diese alte ungarische Geschichte erinnerte.
In den Tagen des real existierenden Sozialismus gab es in Ungarn eine Bildungseinrichtung – das sog. Internationale Vorbereitungsinstitut –, in der junge Menschen aus den Entwicklungsländern, welche ein besseres Schicksal verdienten (um sich dann dem sozialistischen Lager anzuschließen), auf die Teilnahme an der ungarischen Hochschulbildung vorbereitet wurden. Die jungen Menschen, die zumeist aus Afrika, aus den Arabischen Ländern, Südamerika und Vietnam stammten, wurden im Geiste des sozialistischen Internationalismus in unserer Sprache, unserer Kultur und den Fächern vorbereitend unterrichtet, die sie an der Universität benötigen werden. Es wurde ihnen ein schönes Studentenwohnheim mit dreihundert Plätzen in der Budaörsi út gebaut, jenes heute eher gespenstische Hochhaus, das auf seinen Abriss wartet.
Eines Tages nahm einer von ihnen an einer Prüfung an der Technischen Universität teil, und er wusste halt nun mal nichts. Als der Dozent ihm die Note „ungenügend“ ins Zeugnis eintragen wollte, zog er ein Messer unter seiner Jacke hervor und hielt es dem verblüfften Professor an den Hals. „Genugend“ zischte er, und der Professor gab ihm eine Drei, damit die Klinge nicht mehr an seinem Hals kitzelte. Wer weiß, was passiert wäre, wenn er sich gewehrt hätte. Der schwarze Junge war ziemlich entschlossen und vielleicht auch frustriert, dass er nicht erfüllen konnte, wozu er in dieses fremde Land geschickt worden war. Wir haben damals viel über diese Geschichte gelacht, die wahrscheinlich nicht ganz wahr war, aber auf jeden Fall wurde „genugend“ zu einem geflügelten Wort.
Kürzlich, genauer gesagt am 4. Juli 2023, verhängte das Landgericht Ulm gegen einen 27-jährigen Messermörder die schwerste Strafe, die es in Deutschland gibt: lebenslang.
Der für seine höfliche, zurückhaltende und ruhige Art bekannte Eritreer hatte an einem Adventsmorgen ein 14-jähriges Mädchen auf dem Schulweg mit 23 Messerstichen getötet und ihrer 13-jährigen Freundin lebensgefährliche Verletzungen zugefügt.
Ursprünglich wollte er die Mädchen überhaupt nicht umbringen, sie sind ihm in die Quere gekommen. Die mörderische Wut brodelte ohnehin seit einiger Zeit in ihm, er hatte das Gefühl, dass die deutschen Behörden sein Leben ruiniert haben sollen, dass sie ihm nicht das gaben, was er erwartet hätte. Sie gaben ihm zum Beispiel keinen Pass, mit dem er frei reisen konnte, nicht einmal in seine Heimat. Er wollte nämlich nach Äthiopien zurückkehren und von dort eine Frau mitbringen, um seine Isolation und sexuelle Frustration zu überwinden. „No wife-no life!“, – sagte er immer wieder. Es kam ihm nie in den Sinn, dass er, wenn er schon nach Hause geht, auch zu Hause bleiben könnte.
Am Morgen der Tat wollte er zum Ausländeramt gehen, um mit einem Messer die Aushändigung seines Passes zu erzwingen. Als er aus der Flüchtlingsheim herauskam, sah er die beiden Mädchen, die er vom Sehen her kannte, und dachte plötzlich, dass sie seine mörderischen Absichten erkannt haben könnten. Aus Angst, dass sie das Messer gesehen hatten und ihn anzeigen würden, griff er sie an. Es ist auch möglich, dass er sein Rachelust an den Mädchen ausüben wollte. Dem gerichtsmedizinischen Sachverständigen zufolge kann es sich nicht um ein Verbrechen aus Leidenschaft gehandelt haben, und eine Persönlichkeitsstörung kann ebenso ausgeschlossen werden. Ob es je einen Psychiater geben könnte, der sich traut, danach eine psychische Störung festzustellen und die unmittelbare Ursache zu erklären?
„Wie kann er sich so etwas vorstellen, dass er einen Beamten mit einem Messer zwingen, ihn mit Gewalt einschüchtern kann, damit er ihm schließlich ein offizielles Dokument aushändigt?“ – fragten sich die Deutschen erstaunt, weil sie diese Welt, ihre Handlungsmechanismen weder kennen noch verstehen.
„Genugend„, fiel mir sofort ein, auch wenn die Universitätsprüfung vor 50 Jahren nur eine unschuldige (?) Situation war, aber die Emotionen und die Mechanismen der Problemlösung haben sich im Laufe der Zeit nicht verändert. Wie kann es sein, dass ein ruhiger, fleißiger, zuverlässiger schwarzer Junge, der mit der Flüchtlingswelle 2015 nach Deutschland kam, zu einer solchen Tat getrieben werden kann? – fragt man.
Wie kann es sein, frage ich, dass er nach sieben Jahren immer noch nicht in der Lage war, sich in die Gesellschaft zu integrieren, kein Deutsch gelernt, keinen Beruf erlernt hat, ein Teilzeithilfsarbeiter war, nach sieben Jahren immer noch in einer Flüchtlingsunterkunft lebte und von einer äthiopischen Frau träumte.
Seine psychischen Probleme wurden von einem Psychologen auf deutsche Art behandelt, d.h. ohne Empathie. Nach seiner Tat versuchte er, Selbstmord zu begehen, aber auch das gelang ihm nicht.
Der Mord hat die Gemüter erregt. Illerkirchberg ist ein überwiegend katholisches Dorf mit fünftausend Einwohnern in Baden-Württemberg. Im Rahmen des deutschen Quotengesetzes für die Verteilung von Flüchtlingen nahm auch Illerkirchberg die geforderte Anzahl von meist jungen Männern auf. Im Jahr 2019 vergewaltigten vier dieser Männer ein 14-jähriges Mädchen im Flüchtlingsunterkunft. Die Täter sind inzwischen auf freiem Fuß, einer von ihnen wurde gerade von der französischen Polizei nach Deutschland zurückgeschickt. Sein Flüchtlingsantrag war bereits abgelehnt worden, aber er wird nicht abgeschoben, weil Afghanistan kein sicheres Land ist. So irrt der Afghane in einem Europa ohne Grenzen umher, bis die latente Spannung oder unterdrückte Männlichkeit in ihm wieder zum Vorschein kommt.
Die Mitarbeiter des Amtes sind schockiert über die ursprüngliche Absicht des Angreifers. Jetzt fordern sie Schutzausrüstung, kugel- und messerfestes Glas für die Schalter. Oder sie werden nachsichtiger und stellen unter Missachtung der Vorschriften Papiere und Genehmigungen aus, die nicht ordnungsgemäß sind, d. h. sie geben „genugend“, anstatt mit ihrem Leben für die Einhaltung der europäischen Ordnung zu bezahlen.
Das Opfer selbst ist Tochter einer türkischen Familie mit Migrationshintergrund. Sie ist bereits in Deutschland geboren und sozialisiert worden. Die Eltern haben einen offenen Brief an die örtliche Gemeinschaft geschrieben. „Kein noch so großer Groll und keine noch so große Wut sind es wert, unseren gemeinsamen Frieden zu opfern“, und sie bitten darum, dass ihre Situation nicht von der Politik missbraucht wird. Die Flüchtlingsunterkunft ist zum Abriss verurteilt, ihr Gelände soll mit Salz bestreut bzw. mit Grassamen aufgefüllt werden, damit ein Park entsteht, ein Park der Versöhnung.
Seltsam, dies gerade in einer Zeit der schweren Unruhen in Frankreich zu hören. Hätte der türkische Vater in seinem Schmerz und seiner Hilflosigkeit auf den eritreischen Angreifer eingestochen oder
hätte jemand anderes, etwa ein Polizist, auf ihn geschossen, wäre die Hölle los gewesen und eine ähnliche Welle von Migrantenunruhen wie in Frankreich wäre durch Deutschland geschwappt. Stattdessen predigen die christlich gesinnten Einheimischen Versöhnung, Verzeihen und glauben weiterhin an eine gute Aufnahmepolitik
und daran, dass jeder auf der Welt das Recht auf ein besseres und schöneres Leben in Europa hat.
Dennoch vermute ich, dass die schnelle und harte Verurteilung in diesem Fall eine Folge der französischen Unruhen war. Es musste Härte gezeigt werden, ein hartes Durchgreifen der Behörden und der Justiz, das ist das Einzige, was hilft. Schlussendlich könnte sich die Gewalt womöglich auch in Deutschland ausbreiten, die französische Grenze ist nur 200 Kilometer von Illerkirchberg entfernt.
Autorin, Dr. phil Irén Rab ist Kulturhistorikerin
Deutsche Übersetzung: Dr. Andrea Martin
MAGYARUL: https://www.magyarhirlap.hu/velemeny/20230710-harmas-egy-gyilkossag-margojara
Ein Kommentar
Vom ersten bis zum letzten Wort zutreffend und Wahr! Es ist leider so, dass die meisten dieser Migranten in einer anderen Kultur, mit anderen Werten und Zielen aufgewachsen sind, als wir und demnach unfähig sind sich in unsere Gesellschaft zu integrieren. Es gibt bei uns auch „schwarze Schafe“, jedoch in Europa wird Respekt, Toleranz jedem in die Wiege gelegt und von klein auf mit der Erziehung beigebracht. Das ist der Fehler unserer Migrationspolitik, da diese Läute immer versteckte Agression in sich tragen und eine latente Gefahr bedeuten! Den Läuten sollte vor Ort, in ihrer Heimat grholfen werden (Politik, Untrstützung etc.) und nicht mit großen Sprüchen das Blaue vom Himmel versprechen, dass bei uns alles Gut wird!