26. April 2023 nach Hetek Univerzum von Péter Morvai
Der Papst erklärte St. Martin, der unter anderen der offizielle Schutzpatron von Frankreich ist, für eine Person mit ungarischer Abstammung. Ein Irrtum ist ausgeschlossen.
Die Äußerung vom Papst Franziskus passt in ein großangelegtes, europäisches Rekombinationsprogramm (Neuordnung). Es gibt Leute, die das wachsende Interesse des Vatikans an Ungarn, wie dass auch die für die Reise des Papstes in das Land zeigt, einer anderen, katholischen, Ungarn betreffenden Vorhersage zuschreiben.
Diese Prophezeiung stammt von dem im Jahr 2002 vom Papst Johannes Paul II. heiliggesprochenen Pater Pio. Der an seiner Hand die Stigmen Christi tragende, schon zu seinen Lebzeiten als Heilige verehrte, italienische Ordensbruder Francesco Forgione schrieb folgende Zeilen auf:
„Ungarn ist ein Käfig, aus dem einmal ein wunderbarer Vogel hinausfliegen wird. Es warten viele Entbehrungen auf sie, aber sie werden einen unvergleichlichen Ruhm in Europa erfahren. „Ich beneide die Ungarn, weil eine Glückseligkeit durch sie auf die Menschheit ausstrahlen wird. Wenige Nationen haben einen so mächtigen Schutzengel wie die Ungarn, und es wäre angebracht, dass sie stärker um seinen wirksamen Schutz für das Land bitten“
Es gibt auch Leute, die meinen, dieser wunderbare Vogel sogar ein ungarischer Papst werden könnte. Die Papstliste des irischen Bischofs St. Malachias, der im 12. Jahrhundert lebte, könnte das bestärken, wonach der nächstfolgende Papst gleichzeitig der letzte sein werde, der den Namen „Petrus Romanus“, also „der römische Peter“ tragen würde. Auf jeden Fall kann die Prophezeiung des Paters Pio die Hoffnung derjenigen zu Recht bekräftigen, die an der gestaltenden Kraft der Ungarn im Laufe der Kirchengeschichte glauben.
Viktor Orbán fuhr nach dem Wahlsieg im April 2022 zuerst in den Vatikan. Wir wissen nicht, ob er mit einer Geste im Zusammenhang mit dem heiligen Martin gerechnet hatte. Wahrscheinlich schon, weil der Botschafter von Ungarn beim Heiligen Stuhl seit 2015 Eduard von Habsburg ist, der viele herausragende, internationale Kontakte hat. Ein wichtiger Teil der päpstlichen Besuche ist die Übergabe gegenseitiger Geschenke. Die Auswahl dieser Geschenke beruht von Seiten des katholischen Oberhauptes nie auf einer Improvisation, sondern beinhaltet eine durchdachte Botschaft. Wie auch immer die Auswahl der Präsente zustande kam, bei der Übergabe einer großformatigen Bronzeplakette befleißigte sich Papst Franziskus eines ausführlichen Kommentars.„Dieses Relief habe ich persönlich in der Werkstatt des Vatikans ausgewählt.
„Es stellt den heiligen Martin dar, der im Übrigen ein Ungar ist. Ich weiß, dass Pannonien eine römische Provinz war, aber ihr seid trotzdem das Volk des heiligen Martins. Dieser zerteilte und auf die Schulter des armen Mannes gelegte Mantel symbolisiert den Dienst, den ihr für uns verrichtet. Dieser stellt die halbe Million armer Flüchtlinge dar, die ihr jetzt aufnimmt.“
sagte Papst Franziskus zum ungarischen Ministerpräsidenten. (Wir können hinzufügen, dass die Zahl der damaligen halben Million Flüchtlinge inzwischen über eine Million wegen des Hinziehens des ukrainischen Krieges angewachsen ist.)
Es war bisher auch bekannt, dass der im 4. Jahrhundert lebende Bischof, der heilige Martin, in der Stadt Savaria, die der Vorgänger der heutigen Stadt Szombathely war, im späten Römischen Reich geboren wurde. Deshalb ist in der Stadt der Kult des heiligen Martins, der auch in den letzten Jahren aus bedeutenden, staatlichen Quellen unterstützt wurde, bis zum heutigen Tag lebendig. Es ist auffällig, dass es früher im Zusammenhang mit der Abstammung von Martin die Möglichkeit eines ungarischen Bezuges nicht entstanden ist. Nicht zuletzt deshalb, weil die ungarische Landnahme erst nahezu sechshundert Jahre nach dem Tod des Bischofs erfolgte, und selbst Attilas Hunnen ein gutes halbes Jahrhundert später in den Karpatenbecken gekommen waren.
Man könnte nun herumraten, ob der Vatikan irgendwelche, bisher der Öffentlichkeit nicht vorgestellte, geschichtliche Belege darüber besitzt, dass Ungarn bereits im 4. Jahrhundert – also vor mehr als sechszehnhundert Jahren – in Pannonien lebten.
Wenn das wahr wäre, dann müsste man die ungarische Frühgeschichte grundlegend umschreiben.
Vorerst aber erscheint wahrscheinlicher, dass der Ausspruch „Ihr seid das Volk des heiligen Martins“ eher ein Teil der europäischen Strategie des Vatikans – und innerhalb derer die Strategie gegenüber Ungarn – ist. Der Aufmerksamkeit des Vatikans konnte nämlich kaum entgangen sein, dass die drei staatlichen Hauptwürdenträger, also der Staatspräsident, der Ministerpräsident und der Parlamentspräsident, seit dem Systemwechsel das erste Mal alle evangelisch-reformierte Christen sind. Die auf ihre geschichtliche Priorität mit Vorliebe beharrende katholische Kirche hat bisher schon die vor der Reformation existierenden Heiligen mit ungarischem Bezug mit großer Ehrfurcht behandelt. Sie betrachtete den heiligen Adalbert, den Bischof von Prag, der im Jahr 997 den Märtyrertod starb, als Ersten in dieser Reihe. Nach der Legende soll er auch den ungarischen Staat tatsächlich gründenden heiligen Stephan getauft haben, dessen Nachfolger selbst als getaufte Christen
die Souveränität der Nation gegenüber Rom jahrhundertelang bewahrt hatten.
Jetzt haben aber die für den katholischen Standpunkt empfänglichen Journalisten die Botschaft des Papstes sofort aufgegriffen, womit er die geschichtlichen Ursprünge der Ungarn bis zum Römischen Reich hinausschob.
Der heilige Martin soll ein ungarischer Mensch gewesen sein, kein Heide, kein Slawe, nicht keltisch oder alttürkisch, auch kein Petschenege und nicht einmal finnisch-ugrischer Abstammung, sondern ein Ungar, der im 4. Jahrhundert lebte und dessen Menschlichkeit schon in seiner Jugend zur Legende wurde.
Der letztlich deshalb Bischof der französischen Stadt Tours wurde, und ab dem Jahr 976 der Schutzheilige von Ungarn, sowie ab dem 3. Republik auch der Schutzpatron Frankreichs ist.
Die Worte des Papstes besitzen eine große Bedeutung und beinhalten auch eine große Verantwortung. Die Bedeutung des durch den Papst gegebenen Auftrages besteht darin, dass die Existenz des Ungarntums im Karpatenbecken bis zum Ende des 3. Jahrhunderts zurückreicht, und wenn jemand das genau überlegt, dann erschaudert man davon. Die Verantwortung bedeutet so viel, dass unser Christentum eine mit dem heiligen Martin begonnene, bereits siebzehnhundert Jahre alte Mission wäre. Das ist eine riesige Verantwortung und eine große Last. Mit dem Satz des katholischen Oberhauptes über dem zerteilten Mantel ist sein Dank unmissverständlich und das Geschenk dessen auch würdig.
Zurückgehend bis auf die Zeit des heiligen Stephans wurde die ungarische Anwesenheit und die ungarische christliche Mission ab da um sieben Hundert Jahre erweitert. Dank Papst Franziskus besteht nun die Möglichkeit, dass man eine universelle, kirchengeschichtliche Person in die Reihe der ungarischen Heiligen einfügt, die gleichzeitig ein gesamteuropäisches Symbol ist.
Der Kult des heiligen Martins ist bereits heute eine der wichtigsten Säulen und ein Sinnbild der europäischen Einheit, welche das Römische Reich mit der Europäischen Union verbinden. Er ist gleichzeitig ein Symbol für die militärische Kraft und für den Frieden, der erste Heilige, der als Soldat das Schwert mit dem Kreuz getauscht hatte.
Seinen Kult kräftigt noch zusätzlich das geschichtliche Zusammentreffen, dass der Erste Weltkrieg am Tag des heiligen Martins, also am 11. November 1918, zu Ende ging. Die Orte der Aufenthalte von Martin umspannen den ganzen Kontinent und die Europäische Kommission erklärte den über fünftausend Kilometer langen, über 11 Ländern verlaufenden Sankt-Martin-Pilgerweg von Szombathely bis zum französischen Tours zum offiziellen europäischen Pilgerweg. Auf Latein: „Via Sancti Martini“. Ein wichtiger Teil des Pilgerweges in Ungarn verläuft im Hinterland des Plattensees und berührt zwischen Keszthely und Veszprém zahlreiche Ortschaften, unter anderen Sümeg, Tapolca-Disztel, Szigliget und Balatonudvari. Das Motto für diesen Wegabschnitt ist: „der unter uns wandernde Sankt Martin“.
Wie wurde der in der Römerzeit als Ort des Isis-Kultes zählende Savaria eine christliche Pilgerstätte?
Die an der Bernsteinstraße gelegene Ortschaft, heute Szombathely und mit römischem Namen Savaria, wurde vom Kaiser Claudius gegründet. Hauptsächlich römische Veteranen lebten hier, später wurde die Stadt zum religiösen Mittelpunkt von Pannonien.
Anfangs hatte nicht das Christentum, sondern viel mehr der Isis-Kult große Popularität in Savaria. Hier kann man den großen, für die Verehrung der Göttin Isis errichteten, religiösen Komplex finden. Die Ruinenreste sind heute noch sichtbar. Von den auf der ganzen Welt bekannten Isis-Tempeln war dieser der drittgrößte.
Im Jahr 316 nach Christus, wurde Martin geboren, der nach dem altchristlichen Biographen Sulpicius Severus in Savaria das Licht der Welt erblickte und später im italienischen Ticino aufwuchs. Nach den Angaben dieses Schriftstellers bekam der als Heilige verehrte Bischof in seinem Traum ein Zeichen, dass er geführt von seiner religiösen Geisteshaltung seine Heimat und seine Eltern aufsuchen sollte, die noch im Heidentum verharrten. Nach den Aufzeichnungen konnte Martin seine Mutter aus der Irrlehre des Heidentums befreien und sie taufen. Dieser Szene wurde mit einer Statue gedacht, die bis heute in Szombathely zu sehen ist. Nach der Überlieferung steht die nach Martin benannte Kirche an der Stelle seines Geburtshauses.
Die im 8. Jahrhundert an die Macht gekommene, karolingische Dynastie wählte Martin zu ihrem Schutzpatron, und als Karl der Große Savaria aufsuchte, fand er an der Stelle der jetzigen Martinskirche einen Friedhof mit urchristlichen Überbleibseln. 860, also noch vor der Landnahme durch die Ungarn, erwähnt eine Urkunde, dass man in Savaria eine Kirche zu Ehren des heiligen Martins weihte. In Szombathely, in der unmittelbaren Nachbarschaft der St. Martin Kirche, befindet sich ein Friedhof, wo sich die Vornehmen der Stadt bis zum 18. Jahrhundert begraben ließen. Den Brunnen, aus dem der heilige Martin das Wasser zu der Taufe seiner Mutter entnahm, erwähnt auch eine Urkunde aus dem Jahr 1361 im Zusammenhang mit einem Gut.
Die ungarische Regierung erklärte das Jahr 2016 als Ehrerbietung des siebzehnhundert Jahre zuvor geborenen Bischofs St. Martin zum Gedenkjahr.
Der ungarische Staat zahlte in zwei Raten 15 Milliarden Forint zum sog. Sankt-Martin-Programm, woraus die kirchlichen Gebäude in Szombathely erneuert wurden. Aus dieser Quelle wurde unter anderen die Erneuerung der St. Martinskirche, des Platzes vor der Kirche, des Domes, der Renovierung des Bischofspalastes und des Platzes davor bezahlt. Zusätzlich konnte das Programm des Gedenkjahres aus 800 Millionen Forint ermöglicht werden. Diese Gelder teilten die städtischen Behörden und zivile Organisationen unter sich auf.
Martin musste eine charismatische Person gewesen sein. Das zeigt sich daran, dass die Gemeinden, die auf seine Gründung zurückgehen, bis zum heutigen Tag existieren. Er selbst ist der an erster Stelle stehende Heilige Frankreichs. Seine Persönlichkeit wird durch seine Lebensgeschichte geformt, dass er aus einem Soldaten Bischof wurde. Die Erfahrungen des physischen Kampfes versuchte er zielstrebig in das Leben des Glaubens umzusetzen. Aus gesellschaftlicher und politischer Sicht ist Martin ein großes Vorbild für das christliche Europa. Im durch fremde Völker überrannten Gallien gründete Martin eine große Zahl an Mönchsgemeinschaften und verkündete das Evangelium.
Martin ist eine symbolische Figur für den europäischen Charakter, der sich der gegebenen Situation entgegenstellte und versuchte das christliche Ideal in einer grundlegend feindlichen Umgebung zu verwirklichen.
Die Botschaft von Sankt Martin ist heute, das verschiedenen fremden Einflüssen und der Zuwanderung ausgesetzte Europa an die christlichen Grundlagen und Lebensweise zu erinnern.
Bild: El Greco: Sankt Martin und der Bettler (1597-1600)