30. Dezember 2021 ein Gastbeitrag von ESZTER ZARÁNDI
Das ungarische Publikum, aber besonders die Budapester, lernten vor etwa 10 Jahren den Begriff LIGET-BUDAPEST-PROJEKT kennen. Seitdem beschäftigen sich nicht nur die ungarischen Kulturinteressierten mit diesem Thema, sondern auch Menschen im Ausland wollen mehr über das Projekt erfahren. Unter diesem Namen geht es um die europaweit größte, kulturelle Stadtentwicklung. In Ungarn gab es seit 1896, den Millenniumsfeiern der magyarischen Landnahme, keine ähnlich großartige und großflächige Kulturinnovation. Im Rahmen dieses Projektes wird Városliget (das Stadtwäldchen) erneuert, d.h. es erhält den alten Ruf, Zentrum des Kulturlebens der Hauptstadt, zurück.
Jahrzehntelang wurde im Városliget wenig, fast nichts, getan, um die Werte (in der Natur und an den Gebäuden) zu bewahren.
Ziel des Projektes: sowohl die Parkanlagen als auch die Gebäude (Alt- und Neubauten) dem 21-sten Jahrhundert gemäß instand zu bringen, zu gestalten, zu bauen.
Und das alles dem breiten Publikum zugänglich zu machen.
Während der vergangenen zehn Jahre wurden die unterschiedlichen Programm-Vorhaben Schritt für Schritt verwirklicht. Manchmal zügig, manchmal mit Verzögerung. Wie es bei internationalen Großprojekten, die meistens Politikum geworden sind, üblich ist. Wichtig ist aber in dem Projekt, dass die Grünflächen im Városliget (gerne erwähnt als Lunge der Stadt) größer werden als bisher, die alten, vernachlässigten und heruntergekommenen Gebäude stilgerecht restauriert, oder abgerissen und statt ihrer neue gebaut werden. Auf mehreren zehntausend Quadratmetern läuft eine Parkentwicklung, der Landschaftsbau des Városliget.
Am 16. Dezember 2021, kam das Liget-Budapest-Projekt wieder einen wichtigen Schritt weiter. Das ungarische Haus der Musik (Magyar Zene Háza) ist fertig geworden, auf der zum Haus gehörenden etwa 7000 Quadratmeter Fläche arbeitet jetzt noch eine Landschaftsbaufirma. Ansonsten ist das Gebäude bereit, Besucher zu empfangen. Es wurde der atemberaubende „Glaspalast“ den Vertretern der ungarischen (zahlreichen) Medien präsentiert. Ich habe das Glück gehabt, mit dieser Gruppe durch den ganzen Palast geführt zu werden.
Die Wörter Gebäude oder Haus passen überhaupt nicht zu diesem Spektakel, zu diesem Wunderbau. Warum? Das Gebäude ist kein Gebäude im eigentlichen Sinn. Man nähert sich dem Haus, aber man sieht keine Wände.
„…. eingetreten ins Gebäude, hat der Besucher das Gefühl, sich weiter im Freien zu bewegen. Diese Naturnähe, diese Transparenz, bekommt man durch 94 Glaswände, die durchgehend sagenhafte 12 Meter hoch sind. Jedes Exemplar wurde speziell nach Maß gefertigt.“
Man betritt das Foyer, dann – ob man will oder nicht – gleitet der Blick hoch zu einem imaginären Dach.
„ …. wo mehrere Tausend stilisierte Herbstblätter die Verbundenheit des Hauses mit der Natur symbolisieren (spüren lassen). Dieses unwirkliche Bild spielt mit dem ständigen Lichtwechsel.“
)
Man steht im Foyer und schaut auf den Himmel. Weil man den Himmel auch von hier, vom Innenraum, sehen kann.
„ … die organische, schwebende Dachkonstruktion gibt dem Haus einen ikonischen Charakter, …., in der ausschließlich fließende Linien bestimmend sind. Die Oberfläche des Daches ist durch etwa 100 sogenannte Lichtbrunnen durchbrochen, die das Licht von außen in die Innenräume fließen lassen.
Das fast unwirkliche Bild des Hauses lobt den japanischen Stararchitekten Sou Fujimoto, dessen Entwurf im Jahr 2014 aus 168 internationalen Bewerbungen ausgewählt wurde. Seitdem hat sein Entwurf bei unterschiedlichen internationalen Wettbewerben für Architektur hochkarätige Preise bekommen. (CNN und World Architecture Community, London – International Property Awards, amerikanische Music Cities Awards).
Da auch die Innenwände (Trenn-Wände) aus Glas sind, bedeutete es eine besondere Herausforderung, die Räume schalldicht zu machen. (z.B. der große Konzertsaal – Außenwände aus Glas – ist vom Foyer auch durch eine Glaswand getrennt.) Das Problem hat der Architekt in Zusammenarbeit mit der japanischen Firma Nagata Acoustics gelöst. Diese Firma hat die Akustik u.a. der Elbphilharmonie in Hamburg, Walt Disney Concert Hall in Los Angeles, der Philharmonie de Paris entworfen.
Der Begriff: dreifach geteiltes Haus soll sowohl architektonisch als auch funktionell verstanden werden. Wieso?
Auf der Ebene des Parks (Erdgeschoss) befinden sich der große Konzertsaal, das Foyer, der kleine Musik– Vortragsraum. Diese Ebene dient der Livemusik
„Die Musik soll allen gehören!“ – sagte schon Zoltán Kodály, der weltbekannte Musikpädagoge. In diesem Sinne gibt die obere Ebene (Obergeschoss) mit ihren hellen, auch durch Glaswände geteilten Räumen tolle Möglichkeiten für musikpädagogische Arbeitsgemeinschaften.
Das wahre Wunder bedeutet die untere Ebene (Untergeschoss) mit 2000 Quadratmetern Ausstellungsfläche. Der Besucher wird durch Raum und Zeit der Musikgeschichte geführt. Die nicht nur für Musikkenner informationsreiche sondern auch didaktisch gut zusammengestellte Ausstellung lobt die Arbeit des Musikhistorikers Dr. András Batta.
Beim Gang durch die Ausstellungsräume aktiviert der Besucher ein elektronisches Sender-Empfänger-System, welches ihm synchron mit der Bildbetrachtung die Informationen in den Kopfhörer spielt. Das ist ein völlig neuartiges audiovisuelles Erlebnis. Das System hat die Firma Founder/CEO aus Berlin installiert.
Die Baudurchführung, die technische Durchführung und Kontrolle haben ungarische Firmen geleistet. (Magyar Építő Zrt., T-System Magyarország, Óbuda-Újlak Zrt., FŐBER Zrt.,M-Teampannon Kft.)
Ich habe versucht mein Erlebnis, meine Eindrücke in Worte zu fassen. Das Haus muss aber gesehen werden! Dieses Erlebnis wünsche ich Ihnen. Ab 22. Januar 2022 erwartet das MAGYAR ZENE HÁZA die Besucher aus dem In- und Ausland.
Zitaten: vom Informationsblatt des Magyar Zene Háza,
Fotos: K. Wünnenberg,
Video von Bauarbeiten: