31. Juli 2025 Interview mit Viktor Orbán in der Sendung von „Rádió Kossuth“, 25. 07. 2025
- Das Treffen in Tusnádfürdő bietet aus nationalpolitischer Sicht immer eine Perspektive. Aus dieser Sicht ist die Frage des Erhaltenbleibens in den Gebieten jenseits der Grenze und der möglichst intensiven Beziehungen zum Mutterland von zentraler Bedeutung. Wie bewerten Sie die letzten Jahre unter diesem Gesichtspunkt, und was kann die Regierung tun, um diese Beziehungen zu intensivieren?
Orbán: Es gibt einen wichtigen Satz in der ungarischen Politik, der lautet: Der Staat hat Grenzen, die Nation aber hat keine. Und es gibt Länder, für die ein solcher Satz nichts bedeutet, weil die Grenzen der Nation und des Staates übereinstimmen, aber unsere Geschichte ist anders.
Wir haben Gebiete verloren, uns wurden Dinge weggenommen, deshalb lebt ein Drittel der ungarischen Bevölkerung außerhalb der Grenzen, deshalb fallen bei uns die Grenzen des Staates und der Nation nicht zusammen.
Und natürlich befasst sich die ungarische Politik im Sinne des öffentlichen Rechts mit den Angelegenheiten der Menschen, die innerhalb der Staatsgrenzen in Ungarn leben. Aber darüber hinaus gibt es auch einen nationalen Horizont, und hier in Tusnádfürdő erinnert uns die Situation immer daran, dass man, wenn man Ungar ist und über die Zukunft nachdenkt, über sich selbst nachdenkt, nicht nur die Ungarn in Ungarn im Blick haben darf, sondern auch die Ungarn jenseits der Grenze einbeziehen muss.
Das nennen wir Denken in der Nation.
Denken in der Nation klingt lustig, denn worüber sollten wir denken? Ein Schriftsteller hat einmal gesagt, dass er in Subjekten und Prädikaten denke, man kann darüber scherzen, aber der Satz „in der Nation denken” macht Sinn, denn er bedeutet, dass wir das Schicksal des Ungarntums in einem größeren Zusammenhang sehen als die Gesichtspunkte und Interessen der Ungarn, die gegen ihren Willen innerhalb der gezogenen Staatsgrenzen leben.
Daran erinnert uns dieses Treffen, denn es ist das größte politische Treffen mit der Welt der Ungarn jenseits der Grenze. Es ist auch ein großer Erfolg, und wenn Sie mir es gestatten, das wird auch nicht in Frage gestellt. Ich erinnere mich noch daran, als wir 1990 in Ungarn die Demokratie einführten, war das noch ein großes Streitthema, ob nun Klein-Ungarn oder Groß-Ungarn, also dieses ganze historische Ungarn. Ich mag den Begriff „Großungarn” nicht, weil andere den Ausdruck „groß” verwenden, Länder, die in dieser Form nie existiert haben, dadurch also eher einen Wunsch ausdrücken. Das ist ja doch nicht die Situation Ungarns.
Ich verwende den Begriff „historisches Ungarn”, weil darüber nicht zu diskutieren ist. Das ist keine Vorstellung, kein Plan, sondern eine Tatsache, die einmal schon verwirklicht wurde, und darauf pflegen wir uns zu beziehen, wenn wir von der Nation sprechen.
Ich erinnere mich noch, dass es am Morgen der Demokratie heftige Debatten darüber gab, ob alle in Kategorien der Nation denken sollten oder nicht. Und es gab Parteien, die dazu nicht bereit waren, vor allem die linken Parteien, allen voran der SZDSZ. Aber diese Parteien sind entweder verschwunden oder haben ihre Haltung geändert, sodass es heute in Ungarn einen politischen Konsens gibt und auch in der Verfassung festgeschrieben ist, dass die ungarische Regierung auch für die Ungarn jenseits der Grenze Verantwortung tragen muss.
- Wie sieht das in der Praxis aus, wenn man die letzten Jahre betrachtet, oder welche Pläne gibt es dafür für die nächste Zeit?
Es gibt die doppelte Staatsbürgerschaft, die wir eingeführt haben. Dies ist eine historische Tat der nationalen Regierung. Dann haben wir Wirtschaftsförderungsprogramme auf den Weg gebracht. Jetzt sind wir hier in Siebenbürgen. Der Handel zwischen Rumänien und Ungarn übersteigt 13 Milliarden Euro und ist damit vielleicht der drittgrößte. Für uns handelt es sich also auch um eine äußerst wichtige wirtschaftliche Beziehung. Wenn wir in den Gebieten jenseits der Grenze Wirtschaftsförderungsprogramme durchführen, erweitern wir im Wesentlichen die Möglichkeiten des ungarischen Handels. Da gibt es noch die Bildungs- und Kultureinrichtungen. Da lernen doch im Karpatenbecken derzeit etwa 230.000 junge Menschen in ungarischer Sprache. Wir haben mehrere hundert Kindergärten und Krippen gebaut und renoviert.
Für uns ist es wichtig, dass die hier geborenen ungarischen Kinder in ungarischsprachigen Einrichtungen lernen, auf Ungarisch lernen und die Welt verstehen können.
Eine praktische Konsequenz des nationalen Denkens ist dann auch, dass wir unsere Autobahnen bis an die Landesgrenzen verlängert haben, da sie uns auch mit den dort lebenden ungarischen Gemeinschaften verbinden. Mit Siebenbürgen haben wir derzeit zwei solche Verbindungen, aber bald wird auch die Verbindung in Richtung Szatmárnémeti fertiggestellt sein, und wir werden nach Süden weitergehen und auch das Komitat Békés von Nagyszalonta aus öffnen. Ich möchte also sagen, dass sich das Denken in nationalen Kategorien in fast allen Politikbereichen widerspiegelt, in der Verkehrs-, Kultur-, Steuer-, Staatsbürgerschafts- und Bildungspolitik.
Ministerpräsident Viktor Orbán wurde von Zsolt Törőcsik am 25. Juli 2025 für die Sendung „Jó reggelt Magyarország “ von Kossuth Rádió in Tusnádfürdő (Băile Tuşnad) interviewt. Ein Ausschnitt aus dem Interview .