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„Wir werden uns nicht unterwerfen“

9. Mai 2023 Budapester Zeitung von Rainer Ackermann

In Brüssel denkt man nicht, wie normale Leute denken. Dort meint man, was zehn Mal nicht funktioniert hat, versucht man noch ein elftes Mal. – In Berlin divergieren die Visionen der deutschen Wirtschaft und der deutschen Politik derzeit extrem – das ist auch eine vollkommen neuartige Erscheinung in Europa.

„Noch gibt es keine Sanktionen bezüglich der Nuklearenergie. Sollte die Kommission jedoch einen solchen Vorschlag unterbreiten, dann betrachten wir das als Angriff auf unsere Souveränität und werden ein Veto einlegen.“ Mit diesen Worten reagierte Außenminister Péter Szijjártó vor dem Wochenende auf Spekulationen, die EU-Kommission wolle ein 11. Sanktionspaket gegen Russland vorlegen.

„In Brüssel denkt man nicht, wie normale Leute denken. Dort meint man, was zehn Mal nicht funktioniert hat, versucht man noch ein elftes Mal“,

kritisierte der ungarische Außenminister die verfehlte Sanktionspolitik der EU. Während Brüssel mit Sanktionen die Unternehmen des Kontinents belastet, würden die USA hingegen Maßnahmen ergreifen, die ihren Unternehmen helfen.

Ausnahmeregelung für AKW Paks 2?

Auf einer Pressekonferenzstellte Szijjártó klar: „Ungarn betrachtet jeden europäischen Versuch, der die Investition AKW Paks 2 aushebeln will, als Angriff auf unsere Souveränität.“ Niemand sollte auf die Idee kommen, ungarische Investitionen auf diesem Gebiet Sanktionen zu unterwerfen. Nachdem Ungarn die Finanzierungs- und Ausführungsverträge mit Rosatom kürzlich anpassen musste, forderte man die EU-Kommission auf, diese technischen Änderungen schnellstmöglich zu bewilligen.

Sanktionen gegen die russische Atomindustrie strengen insbesondere die Balten und die Polen an. Litauen präsentierte vor einem Monat einen Entwurf, der Ländern wie Ungarn für bereits geschlossene Verträge Übergangsfristen einräumen würde. Praktisch würde Rosatom mit dieser Ausnahmeregelung die Möglichkeit erhalten, das Projekt AKW Paks 2. zu verwirklichen. Szijjártó ging in dieser Frage jedoch namentlich die Bundesregierung an.

Berlin hinderte Siemens Energy

„Es ist nicht zu übersehen, dass hier nicht wenige bestrebt sind, dem Projekt AKW Paks 2 Minen in den Weg zu legen. Noch gibt es gar keine Sanktionen auf die Nuklearenergie, aber Berlin hat Siemens Energy bereits praktisch daran gehindert, den vor Jahren mit Rosatom geschlossenen Vertrag zu erfüllen.“

Budapest bemüht sich deshalb um eine größere Rolle der Franzosen bei der Verwirklichung des Projekts. Ungarn und Frankreich werden derweil von der Bundesregierung und dabei insbesondere von den grün geführten Ministerien unter Druck gesetzt.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck begründete die Unterstützung der Nuklear-Sanktionen durch Deutschland mit der politischen Floskel, Russland könne nicht mehr als verlässlicher Partner angesehen werden. Sein Staatssekretär Sven Giegold erklärte dazu: „Es ist eine Schwächung europäischer Souveränität, dass die EU im Bereich der Atomenergie weiter von Russland abhängig ist.“

Und er führte weiter aus: „Es ist auch eine Schwäche europäischer Handlungsfähigkeit, dass Sanktionen grundsätzlich einstimmig von allen Mitgliedstaaten beschlossen werden.“ In diesem Sinne darf auch die neue, vom deutschen Bundesaußenministerium lancierte Initiative einer „progressiven Außenpolitik“ verstanden werden.

Das Ende der souveränen, nationalen Außenpolitik

Péter Szijjártó kündigte noch am Freitag auf der CPAC Hungary in Budapest Widerstand gegen diese neue Initiative an, die das Ende der souveränen, nationalen Außenpolitik und von Konsensentscheidungen  in der EU bedeuten würde.

„Neun EU-Staaten haben das Ziel deklariert, die Einstimmigkeit in der europäischen Außenpolitik aufzuheben. Das heißt im Klartext: Die Nationalinteressen sind tot.“

Und auch hier ging der Außenminister der offenen Konfrontation mit Berlin nicht aus dem Weg: „Diesen Kampf für eine progressive Außenpolitik hat niemand anders als Deutschland entfacht. Also jene deutsche Außenpolitik, der jede Stabilität abhandengekommen ist.“ Um diese Aussage zu untermauern, führte Szijjártó an, Berlin hätte unmittelbar nach Kriegsausbruch in der Ukraine betont, keine Waffen zu liefern (bestenfalls Helme), heute aber überschlage man sich förmlich bei den Zusagen für immer modernere und schwerere Waffensysteme.

Berlin habe anfänglich auch Sanktionen auf Energieträger abgelehnt. Stattdessen habe die EU in selbstzerstörerischer Manier Sanktionen auf Erdgas und Erdöl eingeführt und Europa damit in eine heftige Energieversorgungskrise gestürzt. Schließlich lehnte Berlin auch jede Einbeziehung der Nuklearenergie in die Sanktionspolitik ab. Um heute selbst Brüssel zu drängen, Druck auf die renitenten Mitgliedstaaten auszuüben, die weiter auf eine Zusammenarbeit mit Russland setzen.

Ungarn beugt sich keinem Diktat des Mainstream

„Niemand darf erwarten, dass wir uns einer solchen unberechenbaren, progressiven, von den Deutschen geführten Außenpolitik unterwerfen werden“,

hielt der Außenminister fest. Die ungarische Außenpolitik bleibe in ungarischer Befugnis, die Entscheidungen werden weiterhin in Budapest getroffen und auch in Zukunft ausschließlich den nationalen Interessen dienen.

„Die Visionen der deutschen Wirtschaft und der deutschen Politik divergieren derzeit extrem – das ist eine vollkommen neuartige Erscheinung in Europa.“

Außenminister Péter Szijjártó

Ungarn sei als kleines Land auch deshalb aus jeder Krise gestärkt hervorgegangen, weil man sich nicht dem Diktat des internationalen liberalen Mainstream beugte, auf seiner Souveränität bestand und sich um spezifische ungarische Antworten auf die Schwierigkeiten bemühte.

So habe man zur Zeit der Weltwirtschaftskrise den IWF nach Hause geschickt, die progressive Besteuerung beendet, ein strenges Grenzregiment inmitten der Migrationskrise eingeführt und die EU-Pflichtquoten zurückgewiesen, in der Corona-Pandemie auf Impfstoffe aus dem Osten gesetzt und vertraue in der jetzigen Wirtschaftskrise auf die Förderung von Investitionen.

Originaltext erschien in Budapester Zeitung: https://www.budapester.hu/ausland/ungarn-wir-werden-uns-den-progressiven-nicht-unterwerfen

2 Kommentare

  1. „Niemand darf erwarten, dass wir uns einer solchen unberechenbaren, progressiven, von den Deutschen geführten Außenpolitik unterwerfen werden“,

    Es sind nicht die Deutschen, also das Volk, das diese Außenpolitik betreibt.
    Eine solche Verallgemeinerung schafft Feindbilder u. trifft die Falschen.
    Auch die ungar. Regierungspolitik repräsentiert nicht DIE Ungarn im Ganzen.

  2. Ein Ungar mit Verstand und Eiern.
    Und was kann Bunt(Deutsch)land bieten?
    Robert und Annalena….da fallen die Hühner weinend von der Stange….

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