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Wie wurde ich eine gehirngewaschene Hinterwäldlerin?

SO WERDEN DIE DENUNZIERENDEN ARTIKEL ÜBER UNGARN GEMACHT

3. Februar 2021, von FRUZSINA SKRABSKI – Index

Vor nicht allzu langer Zeit wurde ich von Cathrin Kahlweit, Journalistin der Süddeutschen Zeitung, angesprochen, um zur Situation der Frauen und zur Familienpolitik der ungarischen Regierung Stellung zu nehmen. Die Hauptfigur des Artikels, die feministische Schriftstellerin Noémi Kiss, empfahl Cathrin, das Thema von verschiedenen Seiten zu beleuchten. Noémi ist eine Kritikerin des ihrer Meinung nach übermäßig dominanten und patriarchalischen Familienbildes der Fidesz, und ich bin der Meinung, dass die klassische Familie, in der die Ehepartner einander lieben und zusammen so viele Kinder aufziehen, wie sie ursprünglich geplant hatten, die gesündeste und glücklichste Form des Zusammenlebens ist.

Es erschien mir als eine interessante Diskussion, sich auszutauschen, was eine Familie sei, warum der Staat ins Grundgesetz schrieb, dass der Vater ein Mann und die Mutter eine Frau sei, also habe ich die Einladung angenommen.

Ich habe früher sehr schlechte Erfahrungen mit ausländischen Journalisten gemacht, mit mehreren sogar. Einmal schrieb eine deutsche Journalistin über meine Mutter, Mária Kopp, Professorin für Medizin und Psychologie, und bemerkte, dass meine Mutter verschwitzt zum Interview kam. Ich habe das seither als die unterste Schublade des journalistischen Niveaus angesehen; selbst wenn dies gestimmt hätte, ist das Mitteilen dieses Umstandes für die Befragte grob unethisch.  Das ist erniedrigend für eine Frau, und damit wurde von einer Minute auf die andere aus einer international anerkannten Professorin (in diesem Fall beabsichtigt) eine hinterwäldlerische, einfache, unglückliche Ungarin gemacht.

Neben meiner Mutter hatte auch ich manche Überraschungen erlebt. Mit der sog. „ Drei Prinzen und Drei Prinzessinnenbewegung” arbeiten wir daran, der ungarischen Familien zu helfen, so viele Kinder in die Welt zu setzen und großzuziehen, wie sie ursprünglich geplant hatten. Diese Erklärung wurde 2013 von allen fünf Fraktionsvorsitzenden des ungarischen Parlaments unterzeichnet, dadurch werden wir von allen politischen Seiten unterstützt. Wir arbeiten als eine echte zivile Organisation, die eine gemeinsame Sache, einen nationalen Konsens darstellt.

Die Mitarbeiter des französischen Fernsehsenders ARTE kamen auf mich zu, sie wollten eine Sendung zur Familienpolitik Ungarns machen, aber sie erreichten niemanden von der Regierung zu einer Stellungnahme. Sie suchten eine Familie, die ihnen erzählen sollte, wie sie über die ungarische Familienpolitik denkt – nebenbei wollten sie an einem Sonntagnachmittag mitten in der Coronapandemie bei der Familie zu Hause filmen können. Ich weiß, wie schwer es ist, einen guten Interviewpartner zu finden, also habe ich dafür gesorgt, dass die Mitarbeiter von Arte den Sonntagnachmittag mit der Familie eines unserer Freiwilligen verbringen konnten. Ich habe nur darum gebeten, dass auch die Organisation in wenigen Sätzen präsentiert wird – was in der Sendung nicht passierte, in der die Familie lediglich als Bildausschnitt für das die ungarische Familienpolitik besudelnde Material verwendet wurde.

Ich schildere meine schlechten Erfahrungen nur, um zu zeigen, dass ich sehr wohl bei Trost war, aber Noémi Kiss, die andere Interviewpartnerin, versicherte mir, dass diese Journalistin interessiert und offen sei.
Ich gab Cathrin Kahlweit ein einstündiges Skype-Interview, sie stellte gute Fragen, sie war informiert. Sie hat mir meine Sätze, welche im Bericht erscheinen sollen, zugeschickt, diese bedeuten allerdings alleinstehend an sich nichts, weil die Bedeutung sich erst durch den Kontext ergibt, aber diese Sätze waren in Ordnung, bestätigte ich. https://www.sueddeutsche.de/politik/ungarn-familien-frauen-politik-1.5183340?reduced

Dann kam der Artikel heraus! Ich würde es nicht als einen Artikel bezeichnen, es ist eine Art Denunzierungspamphlet. Der Titel, die ganze Linie – alles ist stimmungsmachend, beeinflussend und erweckt den Eindruck eines Landes mit dunklen, mittelalterlichen Bedingungen, einer Diktatur, in der Frauen zur Geburt gezwungen und Minderheiten unterdrückt werden.

Objektiver und unabhängiger Journalismus ist zwar schon seit langem nur noch ein Wunschtraum, aber ein solch manipulativer Artikel wird höchstens dem „ Kurucinfo” (rechtsextremes Hetzportal) zugetraut. Alle Propagandamedien bei uns sind wesentlich gedämpfter. Man kann in einer Publikation voreingenommen sein, aber in einem Interview können die sich äußernden Parteien nicht nur als Ornamente benutzt werden, um eine vorgefasste Meinung  auszuschmücken (in diesem Fall, dass Orbán und seine Bande frauenunterdrückende Monster sind). Wenn jemand auf Fragen geantwortet hat, ist es angebracht, dies in einer Weise zu beschreiben, die das Wesen dessen widerspiegelt, was tatsächlich gesagt wurde. Meine Antworten wurden aus diesem Artikel einfach herausgelassen.

Ich habe darauf hingewiesen, aber es wurde auch nicht gedruckt, dass Ministerin Katalin Novák davon sprach, dass Frauen nicht mit Männern konkurrieren, sondern zusammenarbeiten sollen.

Ich habe auch gesagt, dass die Familienpolitik der Regierung Frauen ausdrücklich nicht in der Küche halten will, sie unterstützt sowohl Teilzeitarbeit als auch Homeoffice, Männer sollen mit dem Kind zu Hause bleiben können, der Staat richtet Kitas, und Kindergärten ein. Stattdessen kam: „Die Frau hat eine Aufgabe: möglichst viele Kinder kriegen. Und wehe denen, die aus dem Raster fallen.”

Ich habe auch eine Aussage gemacht, dass jeder, der Kinder haben will, Kinder bekommen sollte. Ungarische Jugendliche wollen im Durchschnitt 2-3 Kinder aber es werden nur 1-2  geboren, also fehlt in jeder Familie ein Wunschkind. Das steht auch nicht in diesem diskreditierenden Pamphlet.

Sie schrieb auch irreführend über unsere Bewegung, obwohl sie wusste, dass es eine Fünf-Parteien-Unterstützung dahinter gab, und unsere Babyflagge sowohl vom oppositionellen Oberbürgermeister als auch vom Büro des Premierministers gleichzeitig gehisst wurde. Trotzdem hielt sie es für wichtiger zu schreiben, dass meine Eltern und natürlich auch ich Fidesz unterstützen. Es hat sie nicht interessiert, dass ich ihr sagte, dass sowohl ich als auch meine Eltern ein sehr gutes Verhältnis zu Fachpolitikern aller Parteien haben, sie hören uns zu, und sie denken, dass unsere Arbeit wichtig ist. Gibt es einen besseren Weg, die Unabhängigkeit eines Zivilisten zu zeigen, als mit allen Parteien zusammenzuarbeiten? Meine Mutter feierte übrigens nicht die sog. „illiberale Demokratie“ (was auch immer das bedeuten mag), sondern sie lebte für ihre wissenschaftliche Arbeit. 2010 wurde sie gebeten, für die Europäische Region der WHO-Arbeitsgruppe das Thema „Gender und Gesundheit” zu leiten und eine Strategie für 2012 sowie eine langfristige Strategie bis 2020 auszuarbeiten.

Es ist wirklich ein schlechter Witz, dass diese Journalistin die „Drei Prinzen und Drei Prinzessinnenbewegung” als einen Dating-Service bezeichnete. Wir haben zwar auch einen Dating-Mediator-Platz, der eine unserer zahlreichen Aktivitäten ist. Ich will uns nicht rühmen, sondern nur festhalten als Spiegelbild der öffentlichen Wertschätzung, die unsere Arbeit umgibt: Wir haben die „Familien-freundlichstes Unternehmen des Jahres“ Auszeichnung,  Anerkennung als „Familienfreundliches Krankenhaus”, geben Vater-, Großeltern-, Geschwisterbroschüren aus, führen Debatten in einer sog. Wortbox, halten Vorträge über „Familie und Karriere“, produzieren unterstützende Videos unter dem Titel „Dankbarkeit statt Kämpfen“, unsere lokalen Organisationen befinden sich überall im Land. https://www.haromkiralyfi.hu/

Die Autorin dieses Artikels, Cathrin Kahlweit, ist eine populäre Meinungsmacherin in Deutschland.  sie bereut nicht, dass durch sie im Westen ein total verzerrtes Bild über meine Heimat entstanden ist.

Sie bereut es nicht, dass sie vor zehn Jahren denselben einseitigen, voreingenommenen und diskreditierenden Artikel über meine Mutter geschrieben hat, wie jetzt, mich benutzend, über Ungarn. Sie bereut es nicht, es ist ihre Aufgabe, uns durch die Medien zu zertrümmern. Ich schrieb ihr. Sie hat geantwortet. Sie versteht es nicht. So wurde ich in ihren Augen auch zu einer gehirngewaschenen, hinterwäldlerischen Person aus der verrottenden Halbperipherie.

Die Autorin, Fruzsina Skrabski ist die Leiterin der „Drei Prinzen und Drei Prinzessinnenbewegung”, Regisseurin, Produzentin.

Aus dem Originaltext https://index.hu/velemeny/2021/02/01/igy-keszult-lejarato-cikk-magyarorszagrol/ wurde von Andrea Martin übersetzt.

4 Kommentare

  1. Ich bin gespannt, ob dieses Schfreiben in derf Süddeutschen Zeitung erscheinen wird. Wenn nicht…nun was sollen dann wohl die Leser über das Niveau ihrer beliebten Presse denken?

    1. Der Artikel von Frau Skrabski hataus meiner Sicht das große Verdienst, am Beispiel zu beschreiben, wie genau im einzelnen das zustandekommt, was bei mir beim Lesen der SZ seit 2015 zunehmend eher nur ein dumpfes Gefühl verursachte: „Das stimmt doch nicht, was da steht!“ Es war die kognitive Dissonanz zwischen dem, was dort als Tenor der allermeisten Interviews und Kommentare sowie der ebenso tendenziös überarbeiteten Meldungen einerseits und andererseits dem, was ich als wacher Bürger unmittelbar oder vermittelt durch Erfahrungsberichte aus dem Alltag politisch eher naiver Menschen wahrnahm. Die Produkte unserer selbsternannten „Qualitätspresse“, die in ähnlicher Weise in D und in A von der Regierung gesponsert werden, sind für mich das Papier nicht mehr wert, auf dem sie gedruckt werden. Im Mai 2019 nahm ich den üblen Coup von SPIEGEL und SZ, der den Sturz der damaligen, aus meiner Sicht vernünftig und daher erfolgreich agierenden, österreichischen Regierung auslöste, zum Anlaß, endlich mein Abonnement der SZ zu kündigen. Tatsächlich versuchen die großenteils linksgrün sozialisierten und engagierten Mainstreamjournalisten, den naiven Bürgern in D und A
      das Gehirn zu waschen. Es ist ein unverschämter Akt der Projektion, der ungarischen Regierung zu unterstellen, sie betreibe Gehirnwäsche!

  2. Meine Erfahrung mit Cathrin Kahlweit
    Sie hat vor etwa 5 Jahren in der Sueddetsche Zeitung über ein Treffen mit konservativen
    ungarischen Akademie Mitglieder berichtet:
    „im Raum war die Luft stickig und der ungarische Professor war verschwitzt…..“

    Ich habe nach mehreren Ungarn Berichte von Cathrin Kahlweit mein SZ-ABO nach 40 Jahren
    Leseschaft gekündigt,

    Sie ist keine populäre Meinungsmacherin. Einmal in der Phönix-Runde TV war sie zusammen
    mit dem Österreicher Kurz (damals noch Minister) und Peter Györkös ungarischer Botschafter
    in Berlin. Györkös und Kurz haben die Frau wegen ihrer Ungarn Berichte so gründlich kritisiert
    dass sie nahe an Tränen war. Sie hat es verdient. Leider ist Kurz mit der Verteidigung von Ungarn vorsichtiger geworden.

  3. Ich selbst bin immer wieder BEGEISTERT, wenn ich über Viktor Orbán und die ungarische
    Familienpolitik lese!! Ich stamme aus einer großen Familie, habe sieben Geschwister. Es
    wäre schön, wenn Deutschland sich ein Beispiel an Ungarn nehmen würde!!! In deutschen
    Großstädten ist es so, dass die Deutschen wegen ihrer wenigen Kinder AUSSTERBEN!!!
    Das sieht man, wenn man die Kindergärten und Schulen betrachtet: Man sieht fast nur
    noch Ausländerkinder, kaum noch helle Gesichter. Je JÜNGER die Kinder sind, um so
    auffallender ist, dass die Deutschen aussterben. Pro Grundschulklasse sieht man etwa
    1-2 helle Gesichter. Das Jahr 2015 hat uns den Rest gegeben.

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