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Wie Pozsony/Pressburg verloren ging. Die Gewehrsalven am 12. Februar 1919

22. Februar 2023 nach Mihály Brogyányi und ma7.sk

Viele der Einwohner von Preßburg (Pozsony/Bratislava) haben vielleicht nie etwas davon gehört, dass Gewehrsalven auf dem ehemaligen Vásártér (Marktplatz) der Stadt am 12. Februar 1919 dröhnten.

Deutsche und Ungarn bezahlten mit ihrem Leben, andere wurden schwer verwundet, nur deshalb, weil sie nicht wollten, dass Preßburg an die neu gegründete Tschechoslowakei fallen soll.

Sie artikulierten ihre Meinung im Rahmen einer genehmigten, legalen Demonstration.

Der 12. Februar 1919 ist so ein trauriges Datum in der Geschichte des oberungarischen Ungarntums, dass man dieses viel mehr im Gedächtnis behalten müsste. Es ist kein Zufall, dass die kollektive Erinnerung an dieses tragische Datum in die Vergessenheit geraten ist. Nach dem Vorfall hatte nämlich die neue Tschechoslowakei alles dafür getan, die blutigen Ereignisse vom 12. Februar zu verheimlichen oder zumindest in ein anderes Licht zu rücken. Lange Zeit war es nicht erlaubt darüber zu sprechen oder an sie zu gedenken.

Der 1. Januar 1919 war ein schlimmer Tag für die Preßburger –  an diesem Tag besetzten nämlich die tschechischen Legionäre die Stadt – , sie waren auf die danach kommenden Geschehnisse überhaupt nicht vorbereitet. Die ersten Nachrichten über die Gründung der Tschechoslowakei ließen die Preßburger kalt. Niemand dachte zunächst ernsthaft daran, dass daraus etwas werden könnte, nicht einmal in Budapest, jede meinte, dass daraus keine Konsequenzen erwachsen würden.

Die Bürger der hauptsächlich durch Deutsche und Ungarn bewohnten Stadt hielten es nicht für möglich, dass sie einmal in einem Staat leben sollen, in dem die tschechische und slowakische Sprache dominant sein werde.

Die einziehenden tschechischen Truppen wurden offiziell durch die Stadtoberen von Preßburg und auch durch eine Delegation des Landkreises begrüßt. Die Legionäre versprachen, dass sie nur vorübergehend und aus strategischen Gründen die Stadt besetzen, und die Friedenskonferenz sowieso das Schicksal von Preßburg anhand des Prinzips der nationalen Selbstbestimmung regeln werde.

Die Zusammensetzung der Stadtbevölkerung war damals grundlegend anders als heute (40% Ungarn, 41%, Deutsche, 15% Slowaken), sie empfingen die einziehenden Truppen  mit ablehnendem Trotz. In den ersten Wochen streikten die Eisenbahner, die Postbediensteten, auch die Geschäfte, Restaurants und Kaffeehäuser blieben geschlossen. Verschiedene Einrichtungen und Institute organisierten Proteste, sie verfassten Protestnoten. In der Redoute kamen unzählige gesellschaftliche Vereinigungen, angefangen von den politischen Parteien bis zu den verschiedenen Unternehmen und Ämtern zusammen.

Die mehr als 500 Abgesandten von Delegationen erklärten gemeinsam: sie wünschten nicht, dass Preßburg Teil der Tschechoslowakei werde.

Um die Spannungen zwischen den Besatzern und der Bevölkerung aufzulösen, rief die Sozialdemokratische Partei zu einer Großkundgebung auf. Das Ziel dieser Demonstration wäre unter anderem gewesen,  eine Verlautbarung zu verkünden,  dass man einen friedlichen Umgang miteinander bis zu den politischen Vereinbarungen versuchen möchte. Die Lage war jedoch so angespannt, dass man schon Schießereien hören konnte, obwohl die Großveranstaltung noch gar nicht begann.

Die Menge, die mit ungarischen Fahnen und Ausrufen wie „Es lebe Ungarn” aufmarschiert war, wurde von den tschechoslowakischen Soldaten von mehreren Seiten angegriffen. Die erschrockenen, unbewaffneten Bürger versuchten zu fliehen, aber von jeder Seite wurden sie mit Gewehrsalven beschossen und mit Bajonettattacken empfangen.

Die Hölle war los, nach Aussagen von Augenzeugen kletterte ein ungarischer Junge mit der Nationalflagge auf einen Mast, und nach Meinung einiger war er der erste, den man tödlich getroffen hatte. Es begann ein Geschrei und Schießerei, und diese höllischen Ereignisse dauerten mehrere Stunden. Die zu der Großkundgebung unterwegs gewesenen Menschen flüchteten, doch von jeder Seite wurden sie mit Maschinengewehrsalven beschossen. Sieben Menschen blieben tot an diesem Tag auf dem Platz liegen und nach einigen Quellen wurde die Zahl der Verwundeten mit über Hundert angegeben.

Die Opfer waren:

  • Ferenc Heringes, 37 Jahre alt, Schneidermeister,
  • Gustav Luntzer, 19 Jahre alt, Arbeiter,
  • György Kováts, 28 Jahre alt, Kriegsversehrte,
  • Vilmos Kubesch, 17 Jahre alte, Berufsschüler,
  • Angela Soos, 37 Jahre alt, städtische Angestellte,
  • Károly Albrecht, 21 Jahre alt, entlassener Matrose,
  • Gyula Záborszky, 32 Jahre alt, Beamte.
  • Károly Huber, 14 Jahre alt, Schüler, wurde am Tag des Begräbnisses per Kopfschuss getötet,
  • János Skoda starb einige Tage später an seinen Verletzungen.

Die Preßburger hatten anhand dieser Vorkommnisse große Angst, aber auch Wut und Zorn. Die Führung der Stadt betrachtete die Opfer als seine eigenen Toten und sie bahrten sie in der Petőfi-Halle auf. Eine mehrere Zehntausend Menschen zählende Menge begleitete die Opfer zum Friedhof Virágvölgy (Blumental), wo sie begraben wurden.

1919 war ein Meilenstein im Leben der Preßburger Ungarn

In den darauffolgenden Wochen wurde das Schicksal von Preßburg endgültig besiegelt. Damals waren 41 Prozent der Bevölkerung deutschsprachig, 40 Prozent sprachen Ungarisch, und nur 15 Prozent slowakisch, aber diese Zahlen änderten sich nach diesen Ereignissen radikal. Es wurden solche Schritte unternommen, die das jahrhundertalte Gesicht der Stadt verwandelt haben.  

Viele verloren ihre Arbeit, viele Beamte wurden entlassen, große Teile der ehemaligen ungarischen Führungsschicht erlebten eine gesellschaftlich unmögliche Situation und viele zogen von sich aus weg, als sie sahen, dass sich die tschechoslowakische Staatsmacht hier endgültig einrichtete. Die Stadt veränderte sich vollkommen, neue tschechische und slowakische Beamten füllten die verlassenen Stellen auf, die Unterrichtssprache vieler Schulen wechselte ebenfalls. Die Elisabethen-Universität wurde auch geschlossen, weil die Professoren der Hochschule nicht bereit waren, an den Gründungsfeierlichkeiten der Tschechoslowakei teilzunehmen.

Heute, hundertvier Jahre danach, erinnert sich kaum jemand mehr an die damaligen blutigen Ereignisse. Die Ironie des Schicksals ist, dass man an die Gedenktafel die Namen der für Ungarn demonstrierenden Heldentoten nach slowakischer Rechtschreibung angebracht hatte,

damit die Sache plausibel erscheint: heute aber wird der Gedenkstein für die Opfer bereits durch Moos und durch das Vergessen überwuchert.

Der deutsche Bevölkerungsanteil ist seither ganz verschwunden, die Ungarn nahmen von 40% auf 4% ab.

Die Ungarn beginnen aber langsam, sich an ihre Vergangenheit zu erinnern: seit 1956 ist am 15. März (Tag der Revolution 1848) wieder eine Gedenkfeier an der Petőfi-Statue üblich, damit sie ihre Ehrerbietung an dem Grab der Preßburger Märtyrer der Revolution von 1848 nach jahrzehntelanger Pause wieder abstatten.

Manche Ungarn pilgern seit mehreren Jahren am 12. Februar zum Friedhof Csalogányvölgy (Nachtigall-Tal-Friedhof, Cintorin Slavicie udolie), wohin die Grabstätten der Opfer verlegt wurden, damit sie dort ihre Verehrung für die Toten dieses Tages bekunden.

Auch dieses Jahr war es durch die Organisation des Vereins Csemadok aus der Preßburger Altstadt so. Wie immer haben die Teilnehmer nach dem Absingen der ungarischen Hymne ihre Öllichter am Grabmal angezündet und die Blumen und Kränze der Erinnerung niedergelegt.  

Nach der Erinnerungsrede von Mihály Brogyányi (Heimatforscher, Preßburg/Pozsony) und dem Artikel von  ma7.sk

MAGYARUL: https://ma7.sk/tajaink/szazhat-eve-dordultek-el-a-puskak-a-pozsonyi-vasar-teren

Deutsche Übersetzung von Dr. Gábor Bayor

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