Vor einhundert Jahren brach der Aufstand in Westungarn aus, der Sopron (Ödenburg) und seine Umgebung bewahrte
29. August 2021, Magyar Nemzet von BALÁZS ÁGOSTON
„Pazifismus ist nur ein Hirngespinst – so viele Waffen du hast, so viel Land und Brot hast du.“ Und: „Die Grenzen Ungarns sind nicht die Grenzen von heute, sondern die von vor dem Krieg.“ Dies sind die wichtigsten Grundpfeiler der Ideologie der Rongyos Gárda (wörtlich „zerlumpte Garde“). In diesem Sinne kämpfte die von Reserveleutnant Iván Héjjas am 18. April 1919 auf einem Bauernhof in der Nähe von Kecskemét gebildete Partisanenarmee erfolgreich gegen den ersten ungarischen Roten Terror und die rumänischen Invasoren.
Mit ihren Reihen aus Offizieren, Aristokraten, Bauern, Beamten, Jungen und Alten, Ungarn, aber auch Kroaten, Schwaben, später Bosniaken und sogar Albanern, kurz gesagt,
Patrioten mit glühendem Geist, unabhängig von sozialem Status und ethnischer Herkunft, hatte sich das Freikorps bereits in die ungarische Geschichte eingeschrieben.
Vor hundert Jahren jedoch haben die Helden der „Rongyos Gárda“ noch mehr getan, eine noch größere Tat vollbracht.
Die moralisch inakzeptabelste Bestimmung des Friedensdiktats von Trianon war die Annexion Westungarns, Soprons und Umgebung, durch Österreich. Es war dasselbe Österreich, mit welchem Ungarn den Ersten Weltkrieg geführt und gemeinsam verloren hatte, obwohl Ungarn keinen Weltkrieg gewollt und sich bis zum letzten Moment gegen einen Krieg gewehrt hatte. Doch der Zynismus, der Mitteleuropa zerriss, ließ die westlichen Teile Ungarns in die Hände Wiens fallen, das mit roten Fahnen winkte.
Offensichtlich war dies ein Leichtes, denn die ungarische Armee war durch die Putschregierung von Mihály Károlyi entwaffnet worden, und die Diktatur der Kommunisten, die Räterepublik hatte das Land in die absolute Anarchie gestürzt. Von der Entente und ihren Verbündeten bedroht unterzeichnete das offizielle Ungarn am 4. Juni 1920 das unmenschliche Diktat in Trianon. Danach kam der Tag, als sich die Streitkräfte des sozialdemokratischen Österreichs anschickten, auf das alte ungarische Gebiet zu marschieren.
Aber das ist nicht geschehen, weil es nicht geschehen konnte. Die „Rongyos Gárda“ mit ihren etwa 5000 Freiwilligen, und einer Reihe brillanter militärischer Strategien und Taktiken hat nicht nur das österreichische Heer, das trotz seiner zahlenmäßigen Überlegenheit auf der Flucht war, sondern auch die Entente-Mächte betäubt, gelähmt und in die Knie gezwungen. Am Morgen des 28. August 1921 fand der erste Kampf in Ágfalva statt, bei dem einhundertzwanzig ungarische Freiwillige die einmarschierenden Angreifer bezwangen. In den Lővérek, nicht weit von Sopron/Ödenburg wurde ein Denkmal als Erinnerung an die Schlacht bei Ágfalva gesetzt.
Während der Kämpfe übernahm die „Rongyos Gárda“ die Kontrolle über Westungarn. Obwohl die Westmächte die ungarische Regierung bedrohten und erpressten, hatte die Budapester Führung über informelle Kontakte hinaus keinen Einfluss auf die westungarischen Ereignisse. Um die internationale Diplomatie darauf aufmerksam zu machen, riefen die Aufständischen am 4. Oktober 1921 auf dem unter ungarischer Kontrolle stehenden Gebiet Westungarns die Lajtabánság (Leithaland) aus und erhoben den Husarenhauptmann Pál Prónay zum Staatsoberhaupt.
Die vorübergehende Gründung des kurzlebigen Ministaates, der nur einen Monat lang bestand, verfolgte zwei Hauptziele:
Budapest vom internationalen politischen Druck zu befreien und die Bevölkerung der Region zu zwingen, ein Referendum über die Identität ihres Heimatlandes abzuhalten.
Die durch die Heldentaten der „Rongyos Gárda“ geschaffene Situation bedeutete auch, dass die Spekulationen des tschechoslowakischen Außenministers Edvard Beneš, eine gemeinsame Grenze zwischen der Tschechoslowakei und Jugoslawien und damit
einen slawischen Korridor in der Region Őrvidék/Burgenland zu schaffen, endgültig von der Tagesordnung genommen wurden.
Nach dem heldenhaften Guerillafeldzug der „Rongyos Gárda“ zog sich die Entente zurück und war gezwungen, ein Referendum einzuberufen. Am 16. Dezember 1921
beschlossen die ungarische, deutsche und kroatische Bevölkerung von Sopron und acht weiteren Dörfern – Ágfalva, Balf, Fertőboz, Fertőrákos, Harka, Kópháza, Nagycenk, Sopronbánfalva – mit überwältigender Mehrheit, dass sie Teil des tausend Jahre alten Heimatlandes, der Heiligen Krone Ungarns, bleiben.
Und daran zu erinnern, trägt die Stadt Sopron den Titel der treuesten Stadt, Civitas Fidelissima.
Doch die Geschichte der „Rongyos Gárda“ ging weiter. 1922 bereiteten sie sich auf einen weiteren Feldzug zur Befreiung der Gebiete vor, die noch unter ausländischer Besatzung standen. Die Österreicher gaben, ohne zu kämpfen, zehn weitere, hauptsächlich von Kroaten bewohnte Siedlungen zurück: Alsócsatár, Felsőcsatár, Kisnarda, Nagynarda, Magyarkeresztes, Németkeresztes, Pornóapáti, Németlövő, Ólmod und Szentpéterfa.
Die Überlebenden der „Rongyos Gárda“ kehrten ins Zivilleben zurück. In der zweiten Hälfte der 1930er Jahre spielten
sie eine wichtige Rolle bei der Vorbereitung des ersten Wiener Schiedsspruchs, der von der ungarischen Diplomatie erzwungen wurde und den südlichen Teil des Oberungarns (Felvidék) der Heiligen Krone zurückgab. Die patriotischen Ungarn prägten die öffentliche Stimmung durch ständige Sabotage, welche die Entscheidungsträger berücksichtigen mussten. Während des Feldzugs entwaffneten nur acht ungarische Aufständischen fünfhundert eindringende tschechische Soldaten.
Die Freiwilligen der „Rongyos Gárda“ spielten 1939 auch eine wichtige Rolle bei der Befreiung von Transkarpatien.
Als Polen im Herbst 1939 vom nationalsozialistischen Deutschland und der bolschewistischen Sowjetunion gleichzeitig angegriffen wurde, eilten viele Mitglieder der „Rongyos Gárda“ zu Hilfe. Aus dem Buch „Im Schatten des Héjjas-Baums“ von László Domonkos wissen wir, dass die deutschen Besatzer etwa siebzig Mitglieder der „Rongyos Gárda“ hinrichteten.
Die „Rongyos Gárda“ griff vor hundert Jahren zu den Waffen, als es schien, alles sei für immer verloren. In den dunkelsten Tagen der Hoffnungslosigkeit haben sie bewiesen, dass es möglich ist, zu siegen, wenn alles unmöglich erscheint. Wie der Dichter, Sándor Reményik schreibt: „Wenn es nicht geht, geht es doch“.
Und die Gárda hat gewonnen.
Die Heldentaten von vor hundert Jahren wurden von Gyula Somogyváry in seinem historischen Roman „Und doch leben wir“ auf ergreifende Weise gewürdigt, wobei er unter anderem Tibor Vámossy erwähnte, einen Budapester Kunststudenten, der am 5. Oktober 1921 in Szárazvám den Heldentod starb und dessen Grabmal, ein Werk des Bildhauers Lőrinc Siklódy von Ditro, auf dem Friedhof von Farkasréti steht. Die Statue wurde während der schweren Kämpfe des Zweiten Weltkriegs getroffen. Die am Kopf verstümmelte Statue war jahrzehntelang ein schmerzliches Symbol des ungarischen Schicksals, bis das Verteidigungsministerium sie 2014 restaurieren ließ.
Der Autor, Balázs Ágoston ist Journalist
Originaltext bei Magyar Nemzet: http://magyarnemzet.hu/velemeny/2021/08/dicsoseg-a-rongyos-gardanak
Ein Video über die feierliche Erinnerung: https://www.youtube.com/watch?v=sz_RNJP-IW8