4. Januar 2025
Es ist unsere Pflicht, dafür zu sorgen, dass die hier lebenden Völker und Völkergruppen in Frieden leben, denn dann wird es schwieriger sein, die Völker und Länder wieder gegeneinander auszuspielen.
Im November 1944 wurde der Bevölkerung in Transkarpatien kundgetan: „Jeder Mann von 18 bis 50 soll sich morgen mit einer dreitägigen Lebensmittelration am Gemeindehaus zum Arbeitsdienst melden.“
Und die Menschen meldeten sich ahnungslos im Glauben, dass man sie zur Beseitigung der Kriegsschäden in die nahe gelegenen Städte nach Ungvár (Uschgorod), nach Munkács (Makotschewo) zur Arbeit bringe und dass es sich um einen Dienst von drei Tagen handle. Bis nach Szolyva (Swaljawa) bewältigten sie den Weg durch bewaffnete Truppen bewacht zu Fuß. Die erste Überraschung wartete auf sie in Szolyva, als sie einen Bach auf einer Brücke überquerten: hinter der Brücke wurden sie durchsucht, die bei ihnen verbliebenen, wenigen Lebensmittel wurden ihnen abgenommen, und die überraschten Menschen trieb man in ein Schulgebäude.
In Szolyva war das Sammellager, hier wurden sie in unterschiedlichen Bereichen, zum Beispiel in Betonbaracken, untergebracht, dann trennte man die Kranken und Älteren von den Gesunden und Jüngeren, von denen für die Arbeit geeigneten. Die Menschen stellten da bestürzt fest, dass man sie als Gefangene betrachtete, man behandelte sie auch in der Weise, wie man in dieser Zeit mit den Kriegsgefangenen umging. Diese Menschen kämpften jedoch nicht an der Front, sie waren friedliche Bürger.
Wegen der unmenschlichen Verhältnisse starben schon viele bereits hier in Szolyva. Es gab dort nicht nur Ungarn aus Transkarpatien, sondern auch Kriegsgefangene verschiedener Nationalitäten. Nach manchen Vermutungen hielten sich bis zu Hunderttausend Gefangene in Szolyva auf, von denen etwa vierzig Tausend als transkarpatische Deportierte galten. Jeden Tag gab es Begräbnisse. Die meisten starben an Ruhr und Typhus.
Augenzeugen berichten, dass sich heute über den Massengräbern ein betonierter Autobusbahnhof befindet. Nicht eine Blume, sondern nicht einmal ein Grashalm soll über den körperlichen Überresten der unschuldig Verstorbenen wachsen.
Die Überlebenden berichten, dass man Gruben mit 4 x 4 Meter Durchmesser für Toiletten ausgehob, über die man dicke Bretter legte. Auf diesen mussten die Gefangenen ihre Notdurft verrichten. Es gab Leute, die so schwach waren, dass sie – schwindlig geworden – in die Fäkalien hinunterstürzten und niemand suchte nach ihnen.
Von Szolyva aus ging es zu Fuß über unwegsamen Pfaden, durch die Berge, den Pass von Uzsok (Uschok) überquerend nach Szambor (Sombor/Sambir). Viele starben unterwegs, weil sie die Strapazen des langen Marsches nicht verkraften konnten.
In Szambor war die letzte Gelegenheit für die transkarpatischen Ungarn: sie konnten sich in die tschechische Legion melden. Wer ein wenig Tschechisch oder Slowakisch sprach, meldete sich. Von ihnen kamen alle nach fünf-sechs Monaten nach Beendigung des Krieges heim, sie kamen gegen die Deutschen gar nicht zum Einsatz. Natürlich konnten sich nur die Gesundesten melden.
Die anderen Ungarn aus Transkarpatien wurden in verschiedene Lager gebracht, von dort kamen sie nach 2-3 Jahren zurück oder auch nie.
Die daheim gebliebenen Rumpffamilien befanden sich in einer sehr schwierigen Lage. Selbst die, bei denen das Familienoberhaupt zu Hause geblieben war. Es gab aber Familien, von denen sowohl der Vater, als auch zwei Söhne mitgenommen wurden. Aus den rein ungarischen Dörfern verhafteten sie unter einem Vorwand den Bürgermeister, den Lehrer oder den Pfarrer – wenn sie bei Herannahen der Front nicht gefüchtet waren, oder sie nicht in die Altersklasse zwischen 18 und 50 fielen – und verurteilten sie.
So verblieben die Dörfer ohne Männer und ohne Intellektuelle.
Und dann kamen die Behörden. Sie brachten unausgefüllte Bögen mit, damit die Leute unterschreiben: die Bevölkerung von Transkarpatien bittet um den Anschluss an die Ukraine. Sie brachten die Papiere zu den dezimierten Familien, damit sie unterschreiben: sie treten freiwillig dem Kolchos bei. Denn, wenn sie den einen oder anderen Vorschlag nicht unterschreiben, lassen sie den Mann, den Vater, den Sohn aus dem Lager nicht nach Hause. Wenn sie unterschreiben, dann kämen die Männer heim …
Deutsche Übersetzung von Dr. Gábor Bayor
Auszug aus den Dokumenten über die Vernichtung der Ungarn (1917-1967), Kaposvár, 1998, Hrsg. Kálmán Magyar von der Ungarischen Nationalen Historischen Gesellschaft.