19- März 2021, nach dem Spektrum.de
László Lovász, Professor des Forschungsinstituts „Alfréd Rényi“, Budapest und der israelische Avi Wigderson Forscher der Princeton University (USA) erhielten die prestigeträchtige Auszeichnung für ihre Arbeiten zur Entwicklung der Graphentheorie un der Komplexitätstheorie – sowie für die Verbindung beider Gebiete. Avi arbeitet auf der Seite der Informatik, während Lovász Mathematiker ist. Als Avi Wigderson und László Lovász ihre Karriere in den 1970er Jahren begannen, waren die theoretische Informatik und die reine Mathematik zwei völlig unterschiedliche Fächer. Doch heute stehen sie sich so nahe, dass es schwer ist, eine Grenze zwischen ihnen auszumachen. Zu der Zeit, als theoretische Informatiker wie Wigderson unser Verständnis von Komplexität verfeinerten, untersuchte Lovász Graphen, die dabei halfen, die Grenzen zwischen einer Komplexitätsklasse und einer anderen zu definieren.
Die zwei Wissenschaftler erhielten für ihre grundlegenden Beiträge in beiden Gebieten – und für das Zusammenführen der Disziplinen – den „Abelpreis“, den Nobelpreis der Mathematik 2021.
Zum 200. Geburtstag von Niels Henrik Abel (1802-1829) hat die Norwegische Regierung 2002 eine Stiftung eingerichtet, deren Erlöse für den „Abelpreis für Mathematik“ bestimmt sind. Diese Auszeichnung wird jährlich von der Norwegischen Akademie der Wissenschaften verliehen und mit sechs Millionen Kronen (rund 600 000 Euro) dotiert. Der Abel-Preis gilt als höchste Ehrung in der Mathematik, in seiner Bedeutung ist mit dem Nobelpreis vergleichbar, der für das Forschungsfeld der Mathematik nicht verliehen wird.
Der 1948 in Budapest geborene
László Lovász gilt als Teil einer goldenen Generation ungarischer Mathematiker.
Lovász studierte an der Eötvös Loránd Universität (ELTE) in Budapest, wo er im Alter von 22 Jahren promoviert wurde. Nach Stationen an der József-Attila-Universität in Szeged hielt er Gastprofessuren an der Vanderbilt University (1972/72), der Universität von Waterloo (1978/79), der Universität Bonn mit Förderung der Humboldt Stiftung (1984/85), der University of Chicago (1985) und der Cornell University (1985.) Er ging 1993 in die USA, wo er als Professor an der Yale University und von 1999 bis 2006 für Microsoft Research arbeitete. 2006 kehrte er nach Budapest zurück und wurde Direktor des Mathematischen Institutes der ELTE.. Von 2007 bis 2010 war er Präsident der International Mathematical Union (IMU) und ist im Vorstand 2011 bis 2014 als Ex Officio vertreten. 2014-2020 war er Präsident der Ungarischen Akademie der Wissenschaften.
Er war ein mathematisches Wunderkind, schon in jungen Jahren ein Star der Mathematik: er gewann drei Goldmedaillen bei der Internationalen Mathematik-Olympiade und triumphierte in einer ungarischen Spielshow, in der Kinder in gläsernen Kabinen Probleme lösen mussten.
Früh lernte Lovász den einflussreichen Mathematiker Paul Erdős kennen, der ihn in das Gebiet der Graphentheorie einführte. Damals war der Bereich statt für handfeste Wissenschaft eher für unterhaltsame Probleme wie die Vier-Farben-Vermutung (heute ein bewiesener Satz) bekannt. Diese dreht sich um die Frage, ob es immer möglich ist, die Länder in einer beliebigen Karte mit nur vier Farben zu kolorieren, wobei keine zwei angrenzenden Gebiete gleichfarbig sein dürfen. »Zu dieser Zeit zählte die Graphentheorie nicht zur Mainstream-Forschung, weil viele der Probleme oder Ergebnisse aus Rätseln oder einer Art Unterhaltung entstanden«, so Lovász, der jetzt auch an der Eötvös-Loránd- Universität in Ungarn lehrt. Aber die Dinge änderten sich, als er 1970 im Alter von 22 Jahren seinen Doktortitel erwarb. Hauptgrund dafür waren die Entwicklungen in der Computerwissenschaft.
Computer arbeiten zwangsläufig mit diskreten Größen – binären Zeichenfolgen aus Einsen und Nullen. Die Kombinatorik ist die Mathematik diskreter Objekte, und eines ihrer wichtigsten Teilgebiete ist die Graphentheorie, die Netzwerke von Kanten untersucht, die Punkte miteinander verbinden. Als solche bot sie eine Art Sprache, um an Problemen der theoretischen Informatik zu arbeiten. Lovász betrachtet den gemeinsamen Aufstieg der Computerwissenschaften und der Graphentheorie als ein günstiges historisches Zusammentreffen. Er vergleicht den Prozess mit der modernen Entwicklung der Analysis, die mehr als ein Jahrhundert zuvor durch physikalische Fragen vorangetrieben wurde.
Lovász entwickelte zahlreiche Algorithmen, um verschiedenste Probleme zu lösen. Eines seiner einflussreichsten Ergebnisse ist der LLL-Algorithmus, benannt nach seinen Schöpfern, Lovász und den Brüdern Arjen und Hendrik Lenstra. Dieser wird etwa von Kryptoanalytikern genutzt, um die Sicherheit von Verschlüsselungstechnik zu überprüfen. Er gilt auch als mögliche Basis für Verschlüsselungssysteme, die einem Angriff von Quantencomputern standhalten könnten.
Ein weiterer bedeutender Beitrag von Lovász betrifft den Bereich der Wahrscheinlichkeitsrechnung. In den 1960er Jahren entwickelte Paul Erdős eine probabilistische Methode, um Fragen über Graphen anzugehen. Häufig möchten Mathematiker wissen, ob ein Netzwerk mit bestimmten Eigenschaften existiert. Dafür kann man entweder ein Beispiel finden, das die geforderten Merkmale besitzt. Aber Erdős arbeitete einen anderen Ansatz aus, indem man beweist, dass ein zufällig ausgewählter Graph die gewünschten Eigenschaften mit hoher Wahrscheinlichkeit innehat.
Allerdings funktionierte die Methode am besten für Netzwerke, die man bereits kannte. In den 1970er Jahren erweiterte Lovász zusammen mit Erdős daher das Verfahren, indem sie das so genannte Lovász-Lokal-Lemma erarbeiteten. Damit konnten sie die Existenz von Graphen beweisen, die extrem selten sind. Dieser Beitrag hat sich zu einer der wichtigsten Techniken auf diesem Gebiet entwickelt.
In seiner Karriere hat Lovász viele andere Probleme der Graphentheorie gelöst, darunter die Vermutung von Kneser über die kleinste Anzahl von Farben, die man zum Kolorieren eines bestimmten Graphen benötigt. Außerdem stellte er mehrere eigene Hypothesen auf, die noch heute das Gebiet maßgeblich beeinflussen.
László Lovász erhielt 1999 den Wolf-Preis (1999) den Knuth-Preis. (1999) den John-von-Neumann-Theorie-Preis (2006) Kyoto-Preis (2010), Fulkerson-Preis (2010), die höchste ungarische Auszeichnung, die Corvin-Kette.
László Lovász ist ordentliches Mitglied der Academia Europaea (1991) Ehrenmitglied der London Mathematical Society (2009), Mitglied der Russischen (2006) der Königlich Niederländischen (2006),der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften (2007) der National Academy of Sciences (2012), der American Mathematical Society (2012) u.a. Er ist Ehrendoktor mehrerer Universitäten.
Seit 2003 ist Lovász nach Peter D. Lax (2005) und Endre Szemerédi (2012) der dritte ungarische Mathematiker, die den Abel-Preis bekommen haben.
Der Autor, Kevin Hartnett ist Wissenschaftsjournalist in Columbia (South Carolina).
Ein Kommentar
Auf solche landsleute darf jede(r) (Exil-)Ungar stolz sein!