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Stellungnahme zum Goldmensch-Skandal

Von der Grazer Autorinnen Autorenversammlung wurde mir eine Solidaritätserklärung für die ungarische Schriftstellerin Krisztina Toth  übermittelt, die von der IG Autorinnen Autorenversammlung verfasst wurde und auf unrichtigen Informationen beruht. Da  die Desinformationen und Provokationen mit dem Ziel, Ungarn in der öffentlichen Meinung herabzusetzen, in erschreckender Weise zunehmen, ist eine Richtigstellung erforderlich.

11.März 2021 von EVA MARIA BARKI

Die seit 10 Jahren andauernden Angriffe gegen Ungarn und seine Regierung sind um eine skurrile Facette reicher. In einer Solidaritätserklärung vom 05.03.2021 für die ungarische Schriftstellerin Krisztina Tóth fordert die Grazer Autorinnen Autoren Versammlung „alle österreichischen und europäischen politischen Instanzen“ auf, Krisztina Tóth in ihrem Recht auf ein Leben in Gesundheit und Freiheit, ohne persönliche Diffamierungen und Bedrohungen oder Diffamierungen und Bedrohungen ihrer Familie zu verteidigen.

In wahrheitswidriger Weise werden Attacken und Kampagnen der ungarischen Regierung und regierungsnaher Medien, sowie Angriffe und Beleidigungen von Fidesz-Getreuen und rechtsextremen Journalist/inn/en behauptet. Tatsächlich war Krisztina Tóth einer Flut von heftigen Protesten und Empörungen breiter Bevölkerungsschichten in Ungarn ausgesetzt, deren Ursache in dem Aufruf jedoch verschwiegen wird.

Krisztina Tóth hatte in einem Interview geäußert, das literarische Werk „Az Arany ember“ („Ein Goldmensch“) von Mór Jókai (1872 geschrieben) sei aus dem Lehrplan für Schulen zu entfernen, weil es ein Frauenbild beinhaltet, welches der heutigen Zeit nicht entspricht.

Zum Verständnis: Bei diesem Roman handelt es sich um eines der beliebtesten literarischen Werke der ungarischen Literatur, welches in über 20 Sprachen übersetzt, 4-mal verfilmt wurde und damit nicht nur ein wesentlicher Teil der ungarischen Nationalkultur ist, sondern wegen seiner hohen literarischen Qualität auch der Weltliteratur.

Der Grund des Anstoßes: Die Frauengestalt des Romans ist eine Ehefrau, die ihren Mann nicht liebt, aber trotzdem den Haushalt vorbildlich verrichtet, ihren Mann unterstützt und sogar alle geschäftlichen Belange für ihn erledigt. Ein für das 19. Jahrhundert normales Frauenbild, welches auch der heutigen Gesellschaft nicht fremd ist.

Die Empörung der Ungarn über die Ablehnung dieses Werkes der Weltliteratur ist verständlich

und könnte im deutschen Sprachraum nur mit der Ablehnung von Goethe verglichen werden. Auch dieser hat – in noch viel krasserem Ausmaß als Mór Jókai –ein nicht gendergerechtes Frauenbild vertreten. (Goethe über die Frau: „Aus krummer Rippe ward sie erschaffen, Gott konnte sie nicht ganz g‘rade machen. Willst du sie biegen, bricht sie.“ Über Mädchen: „Sie reifen im Stillen häuslicher Tugend entgegen, den klugen Mann zu beglücken. Wünscht sie dann endlich zu lesen, so wählt sie gewißlich ein Kochbuch.“) Die Zitate könnten noch fortgesetzt werden. Niemand würde es wagen, Goethe aus den Schulplänen zu entfernen.

Eine vollkommene Verdrehung der Tatsachen in ihr Gegenteil ist der Vorwurf: „Nicht traditionelle genormte Menschenbilder sind in Ungarn mittlerweile quasi ungesetzlich“ und wäre Krisztina Tóth Angriffen ausgesetzt, weil sie „eine andere als die gewollte Haltung hat und für eine andere als die gewollte Meinung eintritt.“ Tatsächlich ist es umgekehrt: Krisztina Tóth will ihre eigene „gewollte“ neoliberale Haltung und Meinung durchsetzen, indem sie breite Bevölkerungskreise provoziert und auch in ausländischen Medien Druck ausüben will.

Bemerkenswert ist, dass in der Solidaritätserklärung die Freiheit der Meinungsäußerung für ihre provokative Äußerung reklamiert, dies jedoch den ungarischen Bürgern, die sich darüber aufregen, nicht zuerkannt wird.

Verschwiegen wird auch, dass in dem offenbar gemeinten Artikel der – wiederholt als regierungsnah bezeichneten – Zeitung „Magyar Nemzet“ zwar kritisiert wird, dass die literarische Ikone Ungarns an den Pranger gestellt, gleichzeitigjedoch bekräftigt wird, dass Krisztina Tóth, ebenso wie alle anderen, selbstverständlich ihre Meinung über Mór Jókai in welcher Form auch immer ausdrücken könne.

Das als „Kulturkampf“ aufgegriffene und gegen die ungarische Regierung verwendete Thema ist in Fortsetzung des Ungarn-Bashing ein Angriff und eine Beleidigung des ungarischen Volkes, welches an den traditionellen europäischen Werten von Familie, Christentum und Nation sowie nationalen Werten festhält. Dass auch eine Organisation, die sich zur Vertretung von Autoren berufen fühlt, in diesen Chor einstimmt, ist besorgniserregend, da gerade sie Werke der Literatur nach ihrer literarischen Qualität und nicht aufgrund einer gerade modernen Ideologie zu beurteilen hätte. Die Kenntnis literarischer Werke aus früheren Jahrhunderten ist im übrigen nicht nur zum Verständnis des historischen Gesellschaftsbildes, sondern auch zum Verständnis der geschichtlichen Entwicklung wesentlich.

Um die viel gebrauchten Worte von Helmut Kohl zu zitieren:

Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten.

Eine objektive, sachgerechte und auf Fakten beruhende Beurteilung Ungarns wäre im Sinne einer europäischen Dialogkultur dringend notwendig.

Autorin, Dr. Eva Maria Barki ist Rechtsanwaltin in Wien

http://Stellungnahme zur Solidaritätserklärung der Grazer Autorenversammlung (1).pdf

2 Kommentare

  1. Die Skandalisierung ist wie üblich desinformativ: In Ungarn wurde er bisher kaum beachtet. Die „magyar nemzet“ hat dazu nur kurz und objektiv berichtet. Die Forderung der GAV ist absurd: Wie soll die ungarische Regierung auf einen durch eine linke Schriftstellerin ausgelösten privaten Shitstorm reagieren? Überdies beruht dieser großteils auf Behauptungen der Autorin und ist gar nicht dokumentiert.
    Gegenfrage: Wie würde die linke österr. Kulturschickeria reagieren, wenn ein konservativer österr. Schriftsteller die Werke von Ingeborg Bachmann verbannen möchte? Diese hatte ja auch ein traditionelles Frauenbild vorgelebt: War sie doch langjährige Geliebte des verheirateten Max Frisch…

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