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Gewinner und Verlierer – Die Gefahren des Elitentausches

15. Oktober, 2021 Magyar Nemzet von ZOLTÁN W.-NEMESSURI

Der Mensch ist seit dem Anfang seiner Existenz ein Gemeinschaftswesen. Besonders seitdem er in der Lage ist, Stämme, Nationen und schließlich auch Staaten zu entwickeln, diese zu zerstören und danach – im besten Fall – neu zu organisieren. Die verschiedenen Vorstellungen, Glauben und Religionen hielten jahrtausendelang die Massen zusammen, von den Sprachen und Kulturen gar nicht zu sprechen. Sie befruchteten sich gegenseitig durch Wettbewerb, während sie nicht nur die Künste, sondern auch die gesellschaftlichen Veränderungen anregten. Zum Schluss erreichten wir den kulturellen-ideologischen Imperialismus. Wir kamen dahin, wohin zunächst die militärisch-wirtschaftliche Überlegenheit einiger Staaten und Regionen, später auch die Herrschaft von transnationalen Riesenunternehmen führte und bedrückend wurde.

Seit der Schreckensherrschaft der sogenannten großen Französischen Revolution existieren Ersatzreligionen, aber in unseren Tagen sind sie viel verwirrender als früher. Im Mittelalter und in der Neuzeit hatten manche Familien die gesetzmäßige Ausplünderung in ihrer Hand: die Medici, die Fugger, die Welser, die Rothschild, die Rockefeller, die Vanderbilt, während

die zu der Ausschlachtung der Kolonien gegründeten britischen, holländischen, französischen, belgischen Privatgesellschaften ganze Erdteile ausgebeutet hatten.

Letztlich gelangten wir zu den gesichtslosen Großkonzernen. Die Massendemokratie begünstigt sie, weil hauptsächlich diese auch über die notwendigen Mittel zur Beeinflussung der Politik, des geistigen Lebens, und sogar der Mode verfügen. Obwohl die soziale Marktwirtschaft, sowie die Wohlstandsgesellschaft eine mehr oder minder ausgeprägte rechtliche Gleichstellung herbeiführte und den sozialen Aufstieg der aus den Kleinbetrieben und den bezahlten Löhnen lebenden Personen begründete, die politischen Entscheidungen wurden von dem Großkapital allmählich enteignet. Heute zieht er mit Hilfe einer immer stärker werdenden und wirkungsvollen Manipulation Tag für Tag mehr und mehr davon an sich. Wie weit bleibt die frühere Übermacht der Kirche, deren Hauptaufgabe immer die Sorge um das Seelenheil der Menschen und um die Aufrechterhaltung des gesellschaftlichen Friedens war, davon entfernt? Doch zu der weltumfassenden Konzentration des Kapitals und zu der Einflussnahme auf die Politik ist heutzutage keine unverhohlene Gewalt mehr nötig. Es genügt, sich auf die Angst, auf Neid, auf Rachsucht und auf die aufgepeitschten, gemeinen Emotionen zu stützen.

Die Ergebnisse eines ausdauernden, leisen Aufbaus geraten schnell in Vergessenheit. Die Bühne wird durch die demagogischen Versprechungen, durch die Skandale der Politiker, der Spitzensportler, der Künstler, der Prominenz, durch die Popularität der gewöhnlichen Verbrecher und durch die „gutmenschlich“ getarnten Machtziele beherrscht. Letzteres ist ein Beispiel für den Anreiz der unkontrollierten Migration, für das Gegeneinanderstellen unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen wegen ihrer geschlechtlichen Orientierung, aber auch für den Krieg um die Covid-Arzneimittel.

In unseren Tagen lenken der globale Geldadel und ihre Vasallen den Westen – besonders die Vereinigten Staaten -, als ob er ihr eigenes Lehen wäre.

Die gründliche Argumentation wird durch das hemmungslose Verdrehen der Tatsachen, durch die mit „kreativer“ Rechtsauslegung einhergehende finanzielle Erpressung, durch die ständige Erwähnung eines bildhaften Demokratiebegriffes ersetzt. Gegen die immer offensichtlichere Einmischung kämpfen die V4 und neulich auch Slowenien mit mehr oder minderem Erfolg, während die westlichen „Mainstream“-Medien hauptsächlich an der Bedienung der Eliten, an der Nachrichtenverfälschung und an der Skandalinszenierung interessiert sind. Diese beeinflussen die öffentliche Meinung, die linksliberale Presse hier bei uns zitiert dann mit Wollust ihre Verleumdungen. Zuletzt wurden die Aussagen von Papst Franziskus verzehrt, seine würdigen Worte und die Aussicht auf einen neuerlichen Besuch verschwiegen. Die nackte Tatsache seines Besuches konnte so klein gehalten werden, als ob der christliche Oberhaupt Ungarn gar nicht aufgesucht hätte.

Mitteleuropa ist in der Lage, ihre Interessen, die ihre wirtschaftliche Bedeutung übersteigen, in der seit dieses Jahr dreißig Jahre dauernden Zusammenarbeit durchzusetzen,

während sie jedoch eine charakteristische Sondermeinung vertritt. Der liegt eine jahrhundertalte Vorgeschichte beziehungsweise geschichtliche Erfahrung und die Erkenntnis der Angewiesenheit aufeinander zu Grunde. Eine Erfolgsgeschichte, auf die die ständige, angemessene Notwendigkeit ihren Schatten wirft. Die Absicht: unsere Länder in eine Zweitrangigkeit zu versenken, ist nicht neu, aber der Widerstand dagegen auch nicht. Zwar unterteilt die EU, was die Integration betrifft, die Länder in Musterschüler und Durchgefallene – wie sie bereits vor anderthalb Jahrzehnten mit dem österreichischen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel getan hatte – vorerst noch erfolglos. Wir haben für unseren Erfolg keine Garantie, aber die Aussicht ist verheißungsvoll.

Nach der Europäischen Kommission wächst die ungarische Wirtschaft dieses Jahr mit 7,5 Prozent, was das Wachstum der Union mit 4,5 Prozent weit übertrifft.

Obwohl unsere Ausgangsleistung niedriger war, ist dieses Ergebnis trotz der Pandemie hervorragend. Auch die rekordmäßig niedrige Arbeitslosigkeit im Verhältnis zur EU weist auf ein bedeutendes Wachstum hin. Gleichzeitig konnten die transnationalen Großkonzerne in den Ländern der V4, besonders in Ungarn noch keinen Einfluss auf die Außen-, Innen- und Wirtschaftspolitik gewinnen und sie schon gar nicht lenken.

Eine andere Frage ist die Arbeit des Geflechts von Netzwerken: kurz gesagt, durch die verlogenen Agenten der Zivilorganisationen, durch die – um mit den Worten des kürzlich verstorbenen Udo Ulfkotte zu sprechen – „gekauften Journalisten“, durch manche Universitätsprofessoren, durch die ausgebooteten, aber sich nach der Macht zurücksehnenden Politiker und durch die von der Mode und unterwürfigen Anpassung beeinflussten Idioten.

Selbst die Existenz dieser Netzwerke wird durch die Linksliberalen trotz ihrer offensichtlichen Anwesenheit in Frage gestellt.

Sie protestieren sich auf den Umweltschutz berufend gegen die Erneuerung des zugrunde gegangenen Stadtparkes (Városliget), gegen die Renovierung der Burg in Buda. Die Angelegenheit der CEU, die nicht in der Lage ist, den ungarischen Gesetzen zu entsprechen und das gar nicht beabsichtigt, wird von einer Mücke zum Elefanten aufgebauscht: die lärmende Rebellion um die Universität für Theaterwissenschaften und Filmkunst (Színház és Filmművészeti Egyetem), die scheinheiligen Proteste gegen die Umwandlung des Hochschulwesens in Stiftungen sind nur einige Beispiele von vielen. Der gegen die Modernisierung des Puskas-Stadions schrillend protestierende Stadtoberhaupt und der junge Vorsitzende der hiesigen Olympiabewerbung verhindernden kleinen Partei hatten keine Scham, bei einem internationalen Fußballspiel den Fotografen in die Kamera zu lächeln. Auch der Parteiführer, der in Luxuslimousine und mit persönlichen Leibwächtern herumkutschiert und sich mit der Verteilung von Kartoffeln und Aufschnitt als „Volksfreund“ brüstet, wird ebenfalls nicht aus den Mitgliedsbeiträgen der Partei bezahlt.

Es gibt den französischen Ausdruck, die „Kaviarsozialisten“. Aber das ist nicht nur für die erwähnte Partei bezeichnend. Es ist für jeden zutreffend, der sich ständig auf die Menschen beruft,

während seine Zielsetzung und seine Lebensführung so weit von ihnen entfernt liegt, wie die Erde von dem trügerischen Mond am Tag.

Die Komödie ist seicht und ständig kommt die Wahrheit zu Tage, aber sie bleibt nicht ohne Einfluss. Die Geschädigten, ein bedeutender Teil der Wählerschaft, glauben nicht ihren Augen, sondern lieber ihren immer neu entstehenden Illusionen.

Das ist es, womit wir uns nicht abfinden dürfen. Sonst würde sich Europa von vornherein unter die Verlierer einreihen. Respekt für die Ausnahmen, aber für die besonders Ausgelieferten und für die vom Wohlstand bequem gewordenen Personen ist der gesunde Menschenverstand und die Folgerung aus den geschichtlichen Lehren keineswegs kennzeichnend. Unser Erdteil wird nicht von Staatsmännern, sondern sich von Wahlzyklus zu Wahlzyklus durchringenden Politikern und von ephemeren Koalitionen und noch mehr von den Riesen der Waffenindustrie und der Technologiekonzernen gelenkt. Die Gewinner der weichen und der harten Kriege sind sie, und nicht die USA, die EU, Deutschland oder die anderen, als entwickelt angesehenen Staaten. Der Wohlstand kann den Alterungsprozess und die Ebbe bei den Geburtenraten nicht kompensieren. Auch den kulturellen Niedergang nicht. So bleibt die Losung der mehr als hundertjährigen Pfadfinderbewegung auch heute gültig: Allzeit bereit!

Autor, Zoltán W.-Nemessuri ist Schrifsteller und Publizist

Übersetzt von Dr. Gábor Bayor

Magyarul: https://magyarnemzet.hu/velemeny/2021/09/gyoztesek-es-vesztesek-3

Bildquelle: Magyar Nemzet

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